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Sehen süß aus, sind aber keine Kuscheltiere. Bei Gefahr blasen sie ihre Backen auf, fauchen und klappern mit den Zähnen, um den Gegner zu vertreiben.

Foto: AP/Sarbach

Gnadenlos brennt die Maisonne auf die Ackerlandschaft, nur gelegentlich streicht ein kühler Wind über die grünen Getreidehalme und nichts außer acht jungen Frauen und Männern stört die Idylle im Weizenfeld. Sie marschieren zwischen den Saatreihen, den Blick auf den Boden gerichtet. Nein, es handelt sich nicht um eine Polizeisuchaktion, sondern um Studierende, die nach verdächtigen Löchern im Erdreich Ausschau halten. Nach Hamsterlöchern.

Suchaktionen wie diese werden seit den 90er-Jahren in einigen Regionen Mittel- und Westeuropas durchgeführt. Ihr Zweck: die systematische Erfassung von Feldhamster-Populationen. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren sie weit verbreitet. Sie galten als Schädlinge, und jährlich wurden Millionen mittels Gaspatronen und Schlagfallen getötet.

Inzwischen ist der Feldhamster (Cricetus cricetus) deshalb vielerorts selten geworden oder sogar ausgestorben. Daran hat allerdings weniger die Verfolgung durch den Menschen Schuld als vielmehr die Veränderungen in der Landwirtschaft. Durch die frühen Getreideernten finden die Hamster ab Spätsommer nicht mehr genug Futter, um einen Vorrat für die kalte Jahreszeit anlegen zu können. "Die Wintersterblichkeit liegt meist bei 50 bis 60 Prozent und kann bis auf 80 Prozent ansteigen" , erklärt der deutsche Feldhamsterexperte Ulrich Weinhold. Deshalb ist C. cricetus heute auch laut EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt. Im Elsass, am nördlichen Oberrhein und in der niederländischen Provinz Limburg laufen sogar Nachzuchtprogramme.

Zähe Eigenbrötler

Das Schwinden der Hamster gibt zu denken, denn eigentlich sind sie überaus zähe Gesellen. Zum Überwintern graben sie sich bis zu zwei Meter tief ein, verschließen die Höhle mit Erde und verbringen so alleine bis zu sieben Monate in absoluter Dunkelheit. Zum Teil verfallen die Nager dabei in Kälteschlaf - den sogenannten Torpor. Ihre Körpertemperatur sinkt dann auf nur fünf Grad über dem Gefrierpunkt ab. Wie ein Feldhamster in seinem Winterbau genug Luft zum Atmen bekommt, ist noch weitgehend ungeklärt.

Auch im Sommer gehen sich die eigenbrötlerischen Tiere normalerweise aus dem Weg, nur zur Paarung suchen Männchen und Weibchen kurzfristig gegenseitige Nähe. Und trotz ihres putzigen Aussehens sind Feldhamster gewiss keine Kuscheltiere. Wenn sie in Bedrängnis geraten, blasen sie ihre Backentaschen auf und versuchen mittels Fauchen und Zähneklappern den Gegner in die Flucht zu schlagen. Hilft das nicht, gehen sie zum Gegenangriff über. C. cricetus ist auch kein reiner Vegetarier. Unvorsichtige Feldmäuse werden öfters totgebissen, gehäutet und bis auf die Knochen abgenagt.

Über den Zustand der österreichischen Feldhamster-Populationen ist wenig bekannt. Eins steht aber fest: Einige Bezirke in Wien sind in den vergangenen Jahren zu echten Hamster-Hochburgen geworden. "Sie scheinen sich hier zunehmend auszubreiten" , erklärt die Biologin Eva Millesi vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien, denn Parks und Gärten bieten geeignete Lebensräume. Vor allem im 10. Bezirk gibt es viele Hamster. Alleine auf dem Gelände des dortigen Schulzentrums Ettenreichgasse zählte Millesi in diesem Jahr bereits zwanzig Tiere.

Moderner Lebensraum

Wiener Stadthamster fressen Löwenzahn, Klee und Gras, im Herbst werden Beeren gesammelt, vom Zentralfriedhof gab es Berichte über angenagte Blumengebinde. Ansonsten verursachen die Nager keine Probleme, weder hygienisch noch schädlingstechnisch. Für Eva Millesi sind sie ein Glücksfall, weil sich die wenig scheuen Tiere leicht beobachten lassen - quasi direkt vor der Institutstür. So konnte die Verhaltensbiologin Einblick in die Fortpflanzungsstrategie von C. cricetus gewinnen (vgl. Zoology, Bd. 111, S. 76).

Einzig Bauunternehmen sind die geschützten Tiere ein Dorn im Auge. "Bei Bauprojekten sind sie im Weg" , sagt Millesi. Hamster mögen Beton nicht. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD/Printausgabe 20.5.2009)