So stellt sich der Künstler den neuentdeckten Kleinsaurier vor. Für die Federn gibt es keine Beweise. Dennoch könnte der Ceratosaurier ein Missing Link zu den Vögeln sein.

Illustration: Portia Sloan

London - Der Kontrast könnte kaum größer sein: Dort, wo sich heute die trockene Hölle der Wüste Gobi erstreckt, muss vor rund 155 Millionen Jahren üppiges Grün gewachsen sein. Regen fiel zumindest zu bestimmten Jahreszeiten reichlich. Die Landschaft ähnelte wohl einer Sumpfebene, erklärt der US-Paläontologe James Clark von der George Washington University in Washington D. C. gegenüber dem STANDARD. Baumwuchs gab es offenbar auch. "Wir fanden zahlreiche versteinerte Stämme, zum Teil stehen sie sogar noch aufrecht."

Clark berichtet von der sogenannten Shishugou Formation im Junggar-Becken in der westchinesischen autonomen Region Xinjiang. Besagte Schichten stammen aus dem mittleren Jura-Zeitalter und sind eine bedeutende Fossilien-Lagerstätte.

Vor einigen Jahren grub ein internationales Forscherteam unter Leitung des chinesischen Saurierexperten Xing Xu dort den bislang ältesten bekannten Urahn des Tyrannosaurus aus (vgl. "Nature", Bd. 439, S. 715). James Clark war schon damals dabei. Nun sind die Forscher erneut fündig geworden.

Ihre neueste Entdeckung ist das Skelett eines vorher unbekannten Kleinsauriers mit einigen aufsehenerregenden Merkmalen. Das Tier gehört offensichtlich zur Gruppe der Ceratosauria und dürfte als solcher eng verwandt mit den Vorfahren der Vögel sein. Das Team taufte die neue Spezies auf den Namen Limusaurus inextracibilis, was sich auf die vermutete Todesursache des Reptils bezieht.

Limus bedeutet im Lateinischen unter anderem Morast. Clark und Kollegen glauben, dass die glücklose Echse in einem Pfuhl zähen Schlamms ertrank und ihre Knochen später versteinerten. Sie fanden übrigens noch ein zweites, inkomplettes Limusaurus-Gerippe. Weitere Details veröffentlichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 459, S. 940).

L. inextracibilis hatte einen kleinen, zahnlosen Schädel und einen langen Hals. Im Bereich der Leibeshöhle zeigt das Fossil eine seltsame Ansammlung rundgeschliffener Steinchen - sogenannte Gastrolithen. Sie lassen auf eine weitgehend pflanzliche Ernährung schließen, was umso bemerkenswerter ist, da die Urformen der Saurier nach den bisherigen Erkenntnissen Fleisch- bzw. Insektenfresser waren.

Limusaurus müsste also im Laufe der Evolution zum Vegetarier geworden sein. Die Gastrolithen befanden sich im Magen und dienten zum Zermahlen von zähen Pflanzenfasern oder Samen.

Verblüffende Fingerzahl 

Noch interessanter ist nach Ansicht der Experten der Bau der vorderen Gliedmaßen ihres Fossils: Der erste Finger (beim Menschen entspricht dies dem Daumen) ist winzig, der fünfte fehlt ganz. Bisher bekannte Ceratosauria hatten gut entwickelte erste Finger.

Für Fachleute bedeutete dies ein Dilemma, weil in Vogelflügeln nur noch die Finger II, III und IV vorhanden sind und die Experten davon ausgehen, dass die Reduktion der Fingerzahl bei den Gefiederten von beiden Seiten gleichzeitig erfolgt sein muss, was aber bei ihren Urverwandten, den Ceratosauriern, anscheinend nicht geschah. Limusaurus zeige nun das Gegenteil. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 18. 6. 2009)