Die Urflöte war ein Geierknochen.

F.: Uni Tübingen / Jensen

Tübingen/London - Das Tonbeispiel klingt nach einer etwas verstimmten Panflöte und wäre rein musikalisch nicht weiter der Rede Wert. Wohl aber ist es das Instrument, mit dem die seltsam klingende Weise intoniert wurde: nämlich mit der Nachbildung einer rund 35.000 Jahre alten Knochenflöte, die in der heutigen Ausgabe des britischen Wissenschaftsjournals "Nature" (online vorab) präsentiert wird.

Gefunden wurde das älteste erhaltene Musikinstrument der Geschichte im Vorjahr in der deutschen Höhle Hohle Fels rund 20 km westlich von Ulm, wo das Team um Nicholas J. Conard auch die aus derselben Zeit stammende "Venus vom Hohle Fels" entdeckt hatte, die älteste figürliche Darstellung einer Frau. Beide spektakulären Funde werden der sogenannten Aurignacien-Kultur der jüngeren Altsteinzeit zugerechnet, die vor mehr als 40.000 Jahren begann und bis vor etwa 28.000 Jahren andauerte.

Die etwa 22 cm lange Flöte mit einem Durchmesser von acht Millimetern wurde in zwölf Einzelteilen geborgen. Wie die drei Prähistoriker der Universität Tübingen berichten, wurde sie aus der Speiche eines Gänsegeierflügels gefertigt - mit hoher handwerklicher Qualität: Seine fünf Flötenlöcher seien sorgfältig mit Steinwerkzeugen geschnitzt worden, so Conard und seine Kollegen.

Drei in der Nähe gefundene Elfenbeinflötenfragmente seien laut Conard ein Hinweis darauf, dass die ersten Vertreter des Homo sapiens in Europa bereits über eine reichhaltige Musikkultur verfügten. Und wo möglich, sei diese auch ein wichtiger Vorteil gegenüber den Neandertalern gewesen, von denen entsprechende Funde fehlen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 25. 6. 2009)