Verkatert am Morgen nach einer Junggesellen-Party. Wohin, verdammt nochmal, ist eigentlich der Bräutigam verschwunden, fragen sich die Hauptfiguren in Todd Philipps "Hangover"

Foto: Warner

Wien - Die letzte Nacht vor der Hochzeit verbringen weiße, amerikanische Männer nicht einfach daheim vor dem Fernseher oder um die Ecke in einer Kneipe. Für diesen Termin gibt es ein ganz besonderes Programm, das durch zahlreiche Filme überliefert und mehr oder weniger unverbrüchlich festgelegt ist: stark erhöhter Alkoholkonsum, dazu Frauen, die sich für Honorar ausziehen - das ist es im Wesentlichen. Und natürlich die Kumpels, die Buddies!

Die besten Freunde des Heiratskandidaten müssen da mit durch. Wenn sie selbst schon verheiratet sind, erleben sie einen Rückfall in die wilde Zeit der Freiheit. Wenn sie noch unvergeben sind, bilden sie die Nachhut der letzten Rabauken, die das jeden Tag haben können, was in der Ehe dann nur noch eine ferne Erinnerung ist.

In der Komödie Hangover von Todd Philipps beginnt alles ganz klassisch: vier Männer, ein Auto, ein Ziel - Las Vegas! In der Wüstenstadt gibt es neben Alkohol und Sex noch eine dritte Versuchung, das Glücksspiel. Und man kann sich jederzeit in das Hotelzimmer in Sicherheit bringen, wenn die Sache zu heiß wird.

Der Clou in Hangover kommt im Film relativ früh. Denn schon in der ersten Szene erfahren wir, dass bei dieser Junggesellensause etwas ganz übel schiefgegangen sein muss. An die wichtigsten Stunden der vergangenen Nacht kann sich keiner der teilnehmenden Herren mehr erinnern - nicht der attraktive Phil (Bradley Cooper), nicht der Pantoffelheld Stu (Ed Helms) auch nicht der schräge Alan (Zach Galifianakis). Die Gedächtnislücke bezieht sich auch auf den wesentlichen Punkt der ganzen Angelegenheit: Wo ist Doug (Justin Bartha)?

Der Bräutigam ist spurlos verschwunden! Um seinen Verbleib aufzuklären, müssen die verbliebenen drei Freunde in mühsamer Kleinarbeit versuchen, wieder Licht in ihren gemeinsamen Blackout zu bringen. Das ist dann die eigentliche Geschichte von Hangover. Die wilde Nacht wird im Rückblick erzählt, als eine Schnitzeljagd, die mit Brummschädel natürlich nicht leichter wird.

In den USA hat sich Hangover - eine an sich wenig bemerkenswerte, kostengünstige Komödie mit allenfalls einschlägig bekannten Darstellern - als einer der Überraschungshits dieser Saison erwiesen. Dafür gibt es viele Gründe, sie alle laufen darauf hinaus, dass sich unter diesen vier Männern, die da nach Las Vegas fahren und dort beinahe in der Gosse enden, alle Männlichkeitstypen wiedererkennen können: Draufgänger, Weicheier, Spinner, Normalos.

Sie alle können hier nachvollziehen, wie es ist, wenn man einmal wirklich vom Weg abkommt. Denn in Hangover verbindet sich der Exzess genau in der Dosierung mit richtiger Gefahr, die der Komödie einen ausreichenden Spannungshintergrund verleiht. In einer Tiefenschicht ist diese Klamotte sogar ein existenzielles, analytisches Drama, das die großen Fragen stellt: Wer bin ich (heute morgen)? Wo komme ich her (mit diesen seltsamen Stempeln auf meinem Handgelenk)? Was soll das alles? Und wem gehört der Tiger, der den Weg ins Bad versperrt? Der besondere Surrealismus, den alle kennen, die schon einmal richtig über den Durst getrunken haben, bekommt in Hangover eine bekömmliche Form.

Und noch selten war das Bild vom sicheren Hafen der Ehe so zutreffend wie hier. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.7.2009)