Lymphödem am Handrücken nach einem Mammakarzinom.

Foto: Zentrum für Lymphologie/LKH Wolfsberg

Es sieht nicht schön aus, entwickelt sich meistens langsam und tut in der Regel nicht weh. Die Rede ist vom Lymphödem und die Zahl derer, die damit in Österreich leben ist vermutlich groß. Die meisten ergeben sich ihrem Schicksal, völlig ahnungslos darüber welche Erkrankung hinter den geschwollenen Armen und Beinen eigentlich steckt.

Schwellung, aber woher?

„Nicht jede Schwellung ist ein Lymphödem und keine Schwellung ist nicht automatisch kein Lymphödem", will Walter Döller, Leiter des Zentrums für Lymphologie am Landeskrankenhaus Wolfsberg, das Lymphödem von anderen kardiologisch oder nephrologisch bedingten Schwellungen abgegrenzt wissen. Woher eine Bein- oder Armschwellung auch ohne zutun des Herzens oder der Nieren kommen kann, erklärt sich zwar aus dem Namen, mangelhaftes Wissen darüber lässt aber eine korrekte Diagnose im Vorfeld häufig nicht zu.

Wer in Wolfsberg landet hat Glück. Döllers lymphologisch geschultes Auge erkennt bei genauer Inspektion und Anamnese Lymphödeme problemlos, während der Rest der medizinischen Fachwelt mit der Lymphologie noch eher wenig am Hut hat. Vielleicht hat es mit der lückenhaften Ausbildung der Mediziner zu tun, vielleicht ist es aber auch der relativ kleine Leidensdruck der betroffenen Patienten, der dieser Erkrankung so wenig öffentliche Präsenz eingebracht hat. Döllers Ziel ist klar definiert. Er will die Lymphangiologie in Österreich salonfähig machen und erinnert an Thomas Manns Hymne an den Saft der Säfte im „Zauberberg".

Drainage mit Abwehr

„Das Lymphgefäßsystem wird immer noch als reines Schlackenentfernungssystem betrachtet. Verbindungen zum immunologischen System werden dagegen weitgehend ignoriert", weiß der Wolfsberger Experte. Um das zu verstehen, muss man wissen was die „deliziöse Tropfbarkeit" im Detail macht. Beim Gesunden sorgt das Lymphgefäßsystem gemeinsam mit dem Venengeflecht für den Abtransport von Gewebsflüssigkeit im menschlichen Organismus. Während sich die Venen jedoch vorzugsweise um das Wasser kümmern, ist die Lymphe auch für Eiweißkörper, Zelltrümmer, Krankheitserreger, Fremdkörpern oder Krebszellen zuständig. Eine Verbindung zum Immunsystem wird über die Lymphknoten hergestellt, die das Lymphgefäßsystem auf ihrem Weg zum Herzen immer wieder durchbrechen.

Eine Ergänzung, die für die Betroffenen mitunter entscheidend ist. Denn als Filterstationen sind die Lymphknoten in der Lage einzelne Krebszellen zu erkennen und diese auch erfolgreich zu eliminieren. Wird der Lymphknoten infolge einer Krebserkrankung von Krebszellen allerdings regelrecht überschwemmt, dann ist der Lymphknoten diesem Ansturm irgendwann nicht mehr gewachsen. Die Konsequenz daraus zieht der Operateur, der befallene Lymphknoten in der Achselhöhle beim Brustkrebs beispielsweise chirurgisch entfernt, um so die Ausbreitung des bösartigen Tumors zu verhindern.

Dick und brüchig

Armlymphödem und Brustkrebs - die klassische Kombination. Über angeborene Lymphödemen ohne bestehende Vorerkrankung, wissen noch viel weniger Menschen Bescheid. Aber ganz egal woher das insuffiziente Lymphgefäßsystem auch kommt, die Spätschäden sind bei allen Formen genauso ident wie gefürchtet. „Der ganze Schlamm bleibt im Gewebe liegen und induziert dort die Bildung von Bindegewebe", erklärt Döller die Folgen noch etwas genauer. Den Betroffenen macht diese Bindegewebsbildung besonders zu schaffen. Die Haut wird dick, brüchig, verletzlich und beginnt im Extremfall blumenkohlartig zu wuchern. Das Endstadium der Erkrankung ist als Elephantiasis bekannt.

Um diese Spätschäden zu verhindern, setzt es die frühe Diagnose voraus. Denn auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist, so lässt sich diese mit einer physikalischen Entstauungstherapie gut in den Griff bekommen. Unbehandelt dagegen sind 35 Prozent der Patienten irgendwann auch noch mit einer bakteriellen Infektion, dem Erysipel, konfrontiert. Das Lymphologische Zentrum in Kärnten ist deshalb um die Schulung ihrer Patienten intensiv bemüht. Selbstbehandlung und Selbstkontrolle will eben gelernt sein.

Toll aber teuer

Doch bei aller Motivation, wird es den Patienten derzeit nicht leicht gemacht. „Eine Evaluierung desÖsterreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen unserer Rehabilitationsklinik hat gezeigt, dass unseren Patienten für Heilbehelfe und Therapieangebote ein durchschnittlicher Selbstbehalt bis zu 600 Euro bleibt", weiß Döller. Kompressionsstrümpfe, Bandagen und eine spezielle Hautpflege kosten freilich viel Geld. Wer wie viel Zuschüsse von der Krankenkasse bekommt, ist im Moment noch davon abhängig, in welchem Bundesland der Betroffene lebt. Eine Vereinheitlichung im Sinne der Patienten ist von der Österreichischen Lymphliga dringend erwünscht. „Krebskranke Menschen mit solchen immensen Kosten zu belasten, führt jede Therapie ad absurdum", ergänzt Döller, der die Präsidentschaft dieser Interessensvertretung inne hat und würde auf Diskussionen dieser Art eigentlich gerne verzichten. (Regina Philipp, derStandard.at, 04.08.2009)