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Fahrverbot für Panzer gilt auf der Autobahn von Tiflis an die Grenze zu Südossetien, die Georgiens Präsident Michail Saakaschwili jüngst eröffnete. Im August 2008 hielt sich niemand dar

Foto: Reuters/Irakli Gedenedze

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Raketenwerfer gegen Südossetiens Hauptstadt Zchinwali: der georgische Angriff war laut EU-Bericht nicht gerechtfertigt.

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Brüssel/Wien - "Die Beweggründe für den Angriff bleiben unergründlich, im Lichte dessen, was Saakaschwili gewusst haben muss." So kommentiert Ursula Plassnik die zentrale Aussage des EU-Untersuchungsberichts zum Georgien-Krieg im August 2008, der Mittwoch veröffentlicht wurde.

Die von der Schweizer Diplomatin und anerkannten Kaukasus-Kennerin Heidi Tagliavini geleitete Kommission stellt fest, dass Georgien den Krieg begonnen habe, zuvor aber von Russland provoziert worden sei, unter anderem durch massenhafte Ausgabe russischer Pässe an Einwohner der abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien.

Die frühere österreichische Außenministerin Plassnik, jetzt Frauen-Beauftragte im Außenministerium und ÖVP-Nationalratsabgeordnete, gehörte dem Expertengremium an, das Tagliavini beraten hat. Weitere Mitglieder waren Cornelio Sommaruga, Ex-präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, und der polnische Ex-Außenminister Adam Rotfeld.

Mit dem Hinweis auf das, was Georgiens Präsident Michail Saakaschwili "gewusst haben muss" , spielt Plassnik im Gespräch mit dem Standard sowohl auf die russischen Provokationen als auch auf die ausdrücklichen Warnungen seitens der EU und der USA an, darauf nicht mit Gewalt zu reagieren.

Der Untersuchungsbericht widerspricht der offiziellen georgischen Darstellung zu den Kriegsgründen. Die Behauptung, es habe vor dem Einmarsch georgischer Truppen in Südossetien eine "großangelegte russische Invasion" gegebenen, habe nicht bewiesen werden können. Der Beschuss der südossetischen Metropole Zchinwali in der Nacht auf den 8. August sei nicht gerechtfertigt gewesen. Tagliavini stellt fest: "Es gab keinen laufenden militärischen Angriff Russlands vor dem Beginn der georgischen Operation."

Russland hat dem Bericht zufolge einerseits durch monatelange Provokationen zur Destabilisierung beigetragen, andererseits scheine das russische Vorgehen nach Kriegsbeginn "weit über die vernünftigen Grenzen der Selbstverteidigung" hinausgegangen zu sein. Russlands Militäroperationen außerhalb Südossetiens seien "im Wesentlichen außerhalb des internationalen Rechts" erfolgt. Laut Bericht starben im Krieg rund 850 Menschen, noch immer gibt es mehr als 30.000 Kriegsflüchtlinge.

Für Plassnik ist der Bericht in mehrfacher Hinsicht "wegweisend" . Er stelle beispielhaft dar, wie sich ein Konflikt bis zum offenen Gewaltausbruch aufschaukle. Die zentrale Botschaft sei der Appell, sich an die Prinzipien des Völkerrechts und die Uno-Charta zu halten. Russlands Verweis auf sein "nahes Ausland" als besondere Interessenzone habe keine Grundlage im Völkerrecht.

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow nannte den Bericht am Mittwoch in Brüssel "im Großen und Ganzen objektiv" . Georgien hingegen wies nach der Veröffentlichung eine Schuld an dem Konflikt zurück. "Wir sehen Russlands Handlungen als Aggression an, weil das Land mit seinenTruppen in der Region Zchinwali in Südossetien eingefallen ist" , erklärte der georgische Integrationsminister Temur Jakobaschwili in Tiflis. Georgien hatte schon im Vorfeld die Objektivität einiger Kommissionsmitglieder angezweifelt. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2009)