A pool with a view: Jeder der Wohntürme in Alt Erlaa hat sein eigenes Schwimmbecken auf dem Dach.

Foto: Andy Urban

Ansichtssache:

Wien von oben: Poolblick über hängenden Gärten

Foto: derStandard.at/Gedlicka

Wien - Die mühsame Suche nach Gemeinsamkeiten mit den Nachbarn ging Heinz Sack und seiner Truppe schnell auf die Nerven. "Das machte so einfach keinen Sinn" , sagt der pensionierte EDV-Spezialist, der gemeinsam mit anderen Mietern einen Fernsehkabelkanal für die 11.000 Bewohner der Wohnsiedlung Alt Erlaa am südwestlichen Stadtrand betreibt.

Vor ein paar Jahren hätte das Sendegebiet ausgeweitet werden sollen - man tat sich mit Gleichgesinnten aus dem nahegelegenen Gemeindebau Am Schöpfwerk zusammen. Allerdings war das Projekt tot, bevor es richtig losging. "Wir haben einfach ganz andere Probleme wie die Bewohner am Schöpfwerk" , sagt Sack, der seit 20 Jahren in der Siedlung wohnt. "Dort mussten sich die Leute erst einmal kennenlernen und für gemeinsame Aktivitäten motiviert werden" , sagt Sack. Die Mieter in Alt Erlaa monierten unter anderem, dass die Hausbesorger im Winter Salz auf die Dachterrasse streuten - und der Schnee, in dem sie sich früher gern nach der Sauna wälzten, dadurch für den Zweck unbrauchbar wurde.

Im Jahr 1985 fertiggestellt, gilt die Wohnhausanlage mit den vier markanten Türmen heute als Vorzeigeprojekt in Sachen funktionierender Großsiedlung. Während die Stadtverwaltung seit kurzem eine ganze Reihe neuer Sicherheitskräfte - vom Ordnungsberater bis zum Wohnpartner - in stadteigene Wohnhäuser entsendet, ist Alt Erlaa durchwegs wickelfrei.

Haustechniker arbeiten im Schichtbetrieb, Hallenbad und Einfahrten werden - sehr zum Ärger vieler Datenschützer - bereits seit Jahrzehnten videoüberwacht. Die Menschen stört es nicht: Eine ganze Reihe von Umfragen unter Bewohnern bescheinigt der von Architekt Harry Glück geplanten Anlage Wohnzufriedenheitswerte jenseits der 90-Prozent-Marke.

Kirche, Sauna, Einkaufscenter

Auf jedem Dach ein Schwimmbecken, in jedem Keller ein Hallenbad, Saunen, Hobbyräume, Kindergärten, Schulen, ein Einkaufszentrum, eine Kirche - "größtmöglichstes Glück für eine größtmöglichste Zahl von Menschen" lautet der Leitspruch von Harry Glück. "Durchgrünung und Wassernähe sind von der Evolution so mitgegeben" , sagt der 84-Jährige.

Trotz erhöhtem Komfort sind die Wohnungspreise im Genossenschaftsprojekt Alt Erlaa nur zwischen fünf bis acht Prozent höher als im Gemeindebau, die Betriebskosten liegen sogar deutlich unter jenen eines gewöhnlichen Wohnhauses - dementsprechend lang ist die Warteliste für eine Wohnung. Dabei war die Siedlung, die ab 1973 im Auftrag des sozialen Wohnbauträgers Gesiba gebaut wurde, in den Achtzigern sehr umstritten. Sowohl Gratz-Nachfolger Helmut Zilk als auch prominente Architekten wie Gustav Peichl und Friedrich Achleitner waren erklärte Gegner der Glück'schen Kleinstadt am Wiener Rand. Der jetzige Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) ist hingegen bekennender Fan. "Ich bin sehr froh, dass wir in den letzten Jahren mit Harry Glück gemeinsam einige Bauten eröffnen konnten" , sagt er.

Wohnpark-TV-Macher Heinz Sack lebt mit seiner Frau, sieben Kindern und seiner Mutter auf 200 Quadratmetern. "Mit einer so großen Familie hätten wir schon aus logistischen Gründen nirgendwo anders wohnen können" , sagt er, "hier ist alles auf einem Fleck, woanders müssten wir die Kinder dauernd irgendwohin bringen."

Im Glück-Universum an der U6 finden selbst Rot und Blau zusammen. SP-Landesparteisekretär Christian Deutsch und FP-Gemeinderat Herbert Herbert Madejski laufen sich in Alt Erlaa regelmäßig über den Weg - schließlich wohnen beide seit Jahrzehnten dort. Deutsch leitet das SPÖ-Büro im Wohnpark und ist stolz darauf, dass die Wiener SPÖ dort seit 2001 die Absolute hält. Auch Madejski ist über das Abschneiden seiner Partei in der Siedlung bestens informiert: "In meiner Stiege liegen wir bei 37 Prozent, in ganz Alt Erlaa bei 24." Dabei halte er sich politisch bei seinen Nachbarn absichtlich zurück. "Da gehts schließlich nicht um Parteizugehörigkeit - wir sind alle Alt Erlaa." (Martina Stemmer/DER STANDARD - Printausgabe, 30.10.2009