Frankfurt/Martinsried - Die akute myeloische Leukämie - kurz AML - ist eine bösartige Erkrankung des Blutes. Sie ist die häufigste akute Leukämieform bei Erwachsenen. Die Heilungschancen der Betroffenen wurden in den letzten Jahren zwar verbessert, jedoch können trotz intensiver Behandlung nach wie vor nur weniger als ein Drittel der Betroffenen geheilt werden. Die derzeitige Standardtherapie ist zudem noch immer sehr belastend für die Patienten und mit einem langen Krankenhausaufenthalt verbunden. Wissenschaftler und Ärzte setzen häufig auf so genannte "Zielgerichtete Therapien". Im Rahmen eines multizentrischen Verbundes haben Wissenschaftler der Universitätsklinik Frankfurt am Main und des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München jetzt neue Angriffspunkte für eine solche gezielte Therapie gegen die AML gefunden.

Unkontrollierte Vermehrung

Bei der AML vermehren sich unreife Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen rasch und unkontrolliert. Dadurch verdrängen die bösartigen Zellen die gesunden Abwehrzellen des Körpers - das Immunsystem des Betroffenen wird lahm gelegt. "Unbehandelt verläuft diese Krebsart daher innerhalb kurzer Zeit tödlich", erklärt Hubert Serve. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik für Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main und Sprecher des AML-Verbundprojektes "Onkogene-Netzwerke in der Pathogenese der AML". Im Rahmen dieses Verbundes haben die Wissenschaftler der Universitätsklinik Frankfurt am Main und des Max-Planck-Instituts in Martinsried jetzt neue überraschende Erkenntnisse über die Signalwege in Leukämiezellen gewonnen.

Mutationen als Ursache

Ursache für eine AML sind verschiedene genetische Veränderungen (Mutationen) in den blutbildenden Zellen des Knochenmarks. Besonders häufig sind die Gene für Eiweißstoffe betroffen, die normalerweise auf der Zelloberfläche sitzen und die Signalübertragung in der Zelle steuern. In Leukämiezellen sind diese so genannten Rezeptoren derart verändert, dass sie ständig aktiv sind und so der Zelle befehlen, sich unaufhörlich zu teilen.

Die Rezeptoren werden von einem kleinen Zellorganell, dem Endoplasmatischen Retikulum, im Zellinnern gebildet. In gesunden Zellen wandern die Rezeptoren anschließend an ihren Bestimmungsort - die Zelloberfläche. "Wir haben entdeckt, dass dies in Leukämiezellen völlig anders ist", erklärt Serve. "Hier verbleibt der Rezeptor vornehmlich im Inneren der Zelle am Endoplasmatischen Retikulum. Er entfaltet seine bösartige Wirkung also nicht, wie bisher angenommen, von der Zelloberfläche aus, sondern vor allem aus dem Zellinneren." Diese Forschungsergebnisse, die mit modernsten Methoden der Max-Planck-Forscher ermittelt wurden, bilden eine vielversprechende Grundlage für neue Therapien, welche die veränderten Rezeptoren zukünftig gezielt blockieren und die fehlgesteuerten Abläufe in der Zelle verhindern können. (red, derStandard.at)