Die Taucherin Mandy Rae-Cruickshank sorgte bei "Die Bucht" für die Anbringung der Unterwasserkameras und -mikrofone.

Foto: OPS 2008

Standard: Mit Ihrem Film "Die Bucht" machen Sie die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam, dass in dem japanischen Küstenort Taiji regelmäßig Delfine gefangen und getötet werden. Wie kamen Sie zu diesem Thema?

Psihoyos: Ich war vor ein paar Jahren bei einer Fachtagung in San Diego, auf der es um nachhaltigen Fischfang gehen sollte. Einer der angekündigten Redner war Ric O'Barry, der als Betreuer von "Flipper" berühmt geworden ist. Kurz vor dem Termin wurde er allerdings ausgeladen. Dahinter steckte der Sponsor der Tagung, die Kette SeaWorld, die maritime Themenparks betreibt und die sich daran stieß, dass O'Barry inzwischen ein scharfer Kritiker der Delfinspektakel geworden ist. Ich habe ihn dann angerufen, und er erzählte mir, dass er gerade im Begriff sei, nach Taiji zu fahren. Und so schloss ich mich ihm an.

Standard: Was haben Sie dort gesehen?

Psihoyos: Ich kam mir vor wie in einem Horrorfilm. Oberflächlich sah in Taiji alles so aus, als würde man Delfine lieben: An jeder Ecke stehen Delfinfiguren herum, die Boote haben Delfinform. Zwischen dem Walfangmuseum und dem Rathaus gibt es aber ein abgesperrtes Gebiet, einen Nationalpark hinter hohen Zäunen - eine Bucht, in die man nicht hineinsehen konnte.

Standard: Ist Taiji der einzige Ort in Japan, wo Delfine gejagt werden?

Psihoyos: Es gibt vier Gemeinden, nicht alle nützen die Quote von 23.000 Delfinen, die sie insgesamt jährlich erlegen dürfen. Die meisten Tiere werden auf offener See harpuniert, das ist schwer zu filmen. Taiji hat eine Quote von 2300 pro Jahr, es ist zudem der einzige Ort, an dem die Delfine auch gefangen und an Meeresparks und Zoos verkauft werden.

Standard: Wie hoch ist im Vergleich der Gesamtbestand an Delfinen im Japanischen Meer?

Psihoyos: Das weiß niemand. Was wir wissen, ist, dass die Quoten jedes Jahr sinken und dass immer weniger Delfine auftauchen. Das deutet darauf hin, dass die Art stark gefährdet ist.

Standard: In Ihrem Film erscheinen die japanischen Fischer als dumpfe Verbrecher. Handeln sie nicht auch aufgrund einer Tradition?

Psihoyos: Die Menschen in Japan fangen seit vielen hundert Jahren Wale und manche Delfine. Aber das, was sie in Taiji machen, reicht nicht weiter zurück als bis 1933. Das ist also eine Tradition, die jünger ist als meine Großmutter. Es ist auch nicht so, dass sie das zeremoniell machen. Außerdem sollte man Traditionen nicht verewigen, zumal, wenn sie den Menschen schaden. Weil diese nämlich durch das Essen von Delfinfleisch mit Quecksilber vergiftet werden.

Standard: Warum halten die Fischer dennoch an dieser Lebensform fest?

Psihoyos: Sie tun es des Geldes wegen. Es gibt ja auch Menschen, die rauchen, obwohl sie wissen, dass es ihnen schadet. Diese Fischer in Taiji kleben falsche Etiketten auf das Fleisch, damit sie es verkaufen können. Sie haben es für die Schulausspeisung verwendet. Der Bürgermeister von Taiji hatte schon das ganze Schulsystem von Japan im Auge, das hat unser Film verhindert. Tausende Kinder wären sonst vergiftet worden.

Standard: In einer zentralen Szene geht es um die Intelligenz der Delfine. Was macht Sie in Ihren Augen so besonders? Schweine sind schließlich auch intelligent.

Psihoyos: Wir wissen nicht, was die Delfine sagen. Wir wissen, dass sie viel mehr kommunizieren, als wir begreifen können. Sie nützen Frequenzen, die wir gar nicht hören. Delfine haben größere Gehirne als wir. Und sie sind die einzigen wilden Tiere in der Geschichte, die Menschen das Leben gerettet haben. Dass das auch Schweine gemacht hätten, habe ich noch nicht gehört.

Standard: Wie reagiert man persönlich auf all diese Erfahrungen? Essen Sie noch Fleisch oder Fisch?

Psihoyos: Ich habe im September 1986 ein Schlachthaus gesehen und seither kein Fleisch mehr gegessen. Durch unseren Film habe ich nun herausgefunden, dass ich eine Quecksilbervergiftung hatte. Seither esse ich auch keine großen Fische mehr. Aber von Pasta wird man fett. Es ist also schwer, eine Alternative zu finden. Ich weiß nicht, wie Veganer das machen. (Bert Rebhandl/DER STANDARD, Printausgabe, 19. 11. 2009)