Sie würden Ute Bock (mi.) zur Präsidentin wählen: Filmemacher Houchang (li.) und Tom-Dariusch (re.) Allahyari

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Der Film "Bock for President" begleitet die Flüchtlingshelferin Ute Bock bei ihrer täglichen Arbeit. Neben Flüchtlingsschicksalen kommt dabei immer wieder der grantelnde Witz der 67-jährigen Wienerin durch. Im Gespräch mit Maria Sterkl erzählen die Filmemacher Houchang und Tom-Dariusch Allahyari sowie Ute Bock selbst, wie es ihnen dabei ergangen ist.

derStandard.at: Frau Bock, mussten Sie lange überlegen, ob Sie bei dem Film mitmachen?

Ute Bock: Sie haben mich gar nicht überlegen lassen (lacht). Aber natürlich ist es auch unangenehm, dass einen jetzt jeder Dackel kennt. Die gehen auf der Straße und schauen mich so an. Dann überleg' ich: Muss ich die kennen oder nicht? Das ist schon unangenehm.

Tom-Dariusch Allahyari: Die Ute ist kein Mensch, der sich gern in den Vordergrund drängt. Aber Öffentlichkeitsarbeit gehört nun einmal dazu. Da der Staat diese Verantwortung nicht übernehmen will, ist sie auf Spenden angewiesen. Und dafür muss man bekannt sein.

Ute Bock: Ich muss das machen, weil ich das Geld brauch'.

derStandard.at: Ehrt Sie das nicht auch ein bisschen, so gerühmt zu werden?

Ute Bock: Ja, wenn ich so wie gestern in der Praterstraße geh' und einer geht vorbei und spuckt aus, das ist schon leiwand (lacht).

derStandard.at: Spüren Sie auf der Straße mehr positive oder mehr negative Reaktionen?

Ute Bock: Viel mehr positive. Ganz selten, dass es eine negative ist.

derStandard.at: Haben Sie Angst, dass die Stimmung kippen und in Hetze umschlagen könnte, wie bei Arigona Zogaj?

Ute Bock: Das ist mir völlig wurscht.

derStandard.at: Waren Sie schon immer so unempflindlich gegenüber negativen Reaktionen?

Ute Bock: Nein. Wenn ich in der Schule eine Redeübung halten musste, war ich nach Möglichkeit krank. Aber jetzt hab ich das Gottseidank total abgelegt. Ich sag das, was ich mir denk, und wenn sie mich nachher ausrichten, ist mir das völlig egal. Ich sag', was mir einfällt. Oft bedenke ich dabei zu wenig, was das für Folgen hat.

derStandard.at: Wann haben Sie die Scheu abgelegt?

Ute Bock: Das hat nach der Operation Spring angefangen.

Houchang Allahyari: Damals hat man sie als Leiterin des Gesellenheimes rausgeschmissen. Zwei Wochen darauf hat man sie im Rathaus geehrt. Ich war dabei, Van der Bellen hat eine Rede gehalten – dass sie eine Heldin sei, weil sie den Afrikanern hilft, und so weiter. Die Ute hat gesagt: "So ein Blödsinn. Es war kalt und Nacht. Soll ich sagen: Stirb auf der Straße?" So ist sie.

Ute Bock: Das soll einmal jemand probieren, einem Menschen ins Gesicht zu sagen: "Schau, es regnet zwar, aber es ist eh nicht so kalt, hau dich da drüben mit deinen Gschroppn auf eine Parkbank."

derStandard.at: Die Tage vor dem Kinostart waren geprägt von Diskussionen über Asylpolitik. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Ute Bock: Wenn die Leute in Traiskirchen eingesperrt werden, dann wird dort das Bundesheer einrücken müssen. Die werden jeden Tag einen Aufstand dort haben, wegen jedem Schmarrn wird es eine Schlägerei geben. Man kann nicht Leute mit so einer Geschichte zusammen sperren, wo es zu wenig zum Fressen gibt und keine gescheite Dusche.

derStandard.at: Die Innenministerin beruft sich auf die Ängste der Bevölkerung.

Houchang Allahyari: Das ist ein parteipolitisches Problem. Die Bevölkerung ist nicht das Problem: Die schicken Kuverts an Ute Bock, mit fünf Euro, zehn Euro. Ohne die ÖsterreicherInnen könnte Ute Bock nicht leben.

derStandard.at: Sie standen mit allen InnenministerInnen der letzten Regierungen in Kontakt. Wie geht es Ihnen mit der jetzigen?

Ute Bock: Als alle geschrien haben, 'der Platter muss weg', hab ich immer gesagt: 'Seid vorsichtig, es kommt immer noch ein Plätter' – und so war es. Es gibt immer noch Steigerungen.

derStandard.at: Können Sie mit dem Begriff "Gutmensch" etwas anfangen?

Ute Bock: Nein. Dass ich versuche zu helfen, wenn einer was braucht, ist nicht gut, sondern normal. Dass Leute schimpfen und sagen, da bin ich nicht zuständig, das kann ich nicht nachvollziehen. Ich war halt Sozialarbeiterin. Wenn ein Sozialarbeiter nicht sozial ist, was ist er dann? Die Leute glauben ja, dass ich mich von jedem Trottel übern Tisch ziehen lasse: Einer erzählt mir sein Gschichterl, ich brech in Tränen aus, und dann schieb ich ihm mein ganzes Geld hinüber – so stellen die sich das vor. Aber so ist es nicht. Ich war 45 Jahre in dem Geschäft. Mich kann so leicht keiner über den Tisch ziehen.

derStandard.at: War es schwer, Geld für den Film aufzutreiben?

Houchang Allahyari: Leicht war es nicht. Ich wollte den Film schon lange machen, habe aber nie Finanzierung oder einen Produzenten gefunden. Jetzt habe ich ihn selber finanziert, mindestens ein Drittel der Kosten habe ich aus eigener Tasche bezahlt, der Rest ist Filmförderung. Ich habe es nicht notwendig, mit dem Film Geld zu verdienen. Mein Geld verdiene ich in der Medizin.

derStandard.at: Frau Bock, gibt es irgendwen, von dem Sie keine Spenden annehmen würden?

Ute Bock: Nein. Ich habe immer gesagt: Wenn mir der Jörg Haider im Bärental ein Haus schenkt, werde ich Danke sagen. Außerdem: Ich kenne Blaue, die sehr anständig sind. Ich kenne eine armenische Familie, die von einem Bekannten immer wieder finanziell unterstützt werden. Und dieser Bekannte sitzt für die Blauen im Parlament. Oder fürs BZÖ oder was weiß ich, ich kenn mich da ja nicht mehr aus. Und mir haben schon Politiker gespendet, da würden Sie sich wundern.

Tom-Dariusch Allahyari: Ich finde das interessant: Einerseits muss man Parteipolitik machen, und andererseits spendet man trotzdem. Die Leute, die von Ute Bock betreut werden, sind ja Opfer der österreichischen Innenpolitik. Wir haben eigentlich ganz andere, größere Probleme. Aber während die wirklichen Probleme auf weltwirschaftlichen Vorgängen basieren, auf die wir eh keinen Einfluss haben, kann man bei der Asylpolitik zeigen, dass man aktiv ist, und dass eine noch weiter rechts stehende Partei gar nicht erst gewählt werden muss, weil man eh hart genug ist. Und diese ganze Melange baden dann jene Leute aus, die sich sowieso nicht wehren können.

derStandard.at: Im Film kommt keineR Ihrer ehrenamtlichen HelferInnen zu Wort. Warum?

Tom-Dariusch Allahyari: Weil sie nicht wollten. Wir hatten auf jeden Fall die Absicht. Aber sie wollten nur ihre Arbeit machen, aber in der Öffentlichkeit nicht exponiert sein. Und wir wollten niemanden zwingen.

derStandard.at: Wie war denn die Zusammenarbeit mit Frau Bock? Sie kennen sich ja gut und seit Jahren.

Tom-Dariusch Allahyari: Der Film wäre nicht so gut geworden, wenn die Ute nicht der originelle, witzige Mensch wäre, der sie ist. Da ist es oft zu Szenen gekommen, die derart originell und lustig waren, weil die Ute einfach die Ute ist. Da möchte ich ihr ein großes Kompliment machen. Ich habe selten Laien gesehen, die vor der Kamera derart ungehemmt agieren.

Ute Bock: Ich bin ja öfter im Fernsehen gewesen. Fünf Kameras schauen dich an. Du darfst nicht hinschauen. Dann geht's.

derStandard.at: Wie viel Ironie steckt hinter dem Filmtitel "Bock for President"?

Ute Bock: Viel, hoffe ich. Ich trau mich ja gar nimmer zum Fischer gehen, weil der glaubt ich bin seine Konkurrentin (lacht).

Tom-Dariusch Allahyari: Vielleicht haben wir da unterschiedliche Ansichten. Es ist natürlich nicht ernst gemeint. Aber Ute zeigt, dass ein einzelner Mensch Unglaubliches erreichen kann. Und so einen Menschen hat man doch gerne als Präsidentin. (Maria Sterkl, derStandard.at, 13.1.2010)

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