Mikroskopisches Spiegelbild des Ballungsraums Tokio: Die Wissenschafter setzten der Ausbreitung von Physarum polycephalum Grenzen, die den geografischen entsprechen und platzierten an den Stellen, die regionalen Städten entsprechen, Futterplätze. Die idealen "Bahnverbindungen" schuf dann der Schleimpilz.

Foto: Science/AAAS/Atsushi Tero

Tokio/Washington - Schleimpilze sind einzellige Lebewesen, die ihren Merkmalen nach eine Art Mittelstellung zwischen Tieren und Pilzen einzunehmen scheinen. Forscher faszinieren sie seit langem damit, dass sie im Verlauf ihres Lebens Stadien durchlaufen, die sich in ihren biologischen Eigenschaften stark voneinander unterscheiden. Diese Faszination geht aber auch über die Biologie hinaus, wie ein aktuelles Beispiel aus Japan zeigt, bei dem Schleimpilze sogar für Verkehrsplaner interessant werden.

Die Spezies Physarum polycephalum organisiert sich bei der Nahrungssuche nach Erkenntnissen japanischer Forscher mit einer verblüffenden Ähnlichkeit zum Bahnnetz im Großraum Tokio. Und zwar auf eine so effiziente und stabile Weise, dass Ingenieure davon lernen können, technische Systeme wie Telefon- und Computernetze zu verbessern, wie Atsushi Tero von der Universität Hokkaido und seine Kollegen aus Japan und Großbritannien im US- Fachjournal "Science" (B. 327, S. 439) schreiben.

Die Forscher hatten Haferflocken auf einer feuchten Oberfläche an Stellen ausgelegt, die der Lage von Städten in der Umgebung der japanischen Hauptstadt Tokio entspricht. Dem Schleimpilz ermöglichten sie, wenn er sich in seinem amöbenähnlichen Stadium befand, vom Zentrum aus nach außen hin zu wachsen. Dabei beobachteten die Forscher, wie sich der Pilz selbst organisiert, sich ausbreitet und dabei ein Netzwerk bildet, das in punkto Effizienz, Zuverlässigkeit und Aufwand der Infrastruktur des Tokioter Bahnnetzes ähnelt. Den Kernmechanismus des Schleimpilzes bei der effizienten Verbindung seiner Nahrungsquellen nahmen die Forscher anschließend in eine mathematische Formel auf. (APA/red)