Kopf einer Hydra: Die entfernten Verwandten von Quallen und Korallen kommen auch in heimischen Gewässern - eventuell sogar in Ihrem eigenen Gartenteich, so Sie einen haben - vor.

Foto: Universität Wien

Eine Hydra kann sich in fünf Tagen aus wenigen Zellen komplett regenerieren.

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Innsbruck/Wien - Nimmt man bloß die Anzahl der Gene, dann besteht nicht allzu viel Unterschied zwischen einer Hydra - also einer speziellen Art von Süßwasserpolyp - und uns Menschen: Eine Hydra hat rund 20.000 Gene, wir Menschen bringen es gerade einmal auf ein paar tausend mehr. Dafür besitzen wir wie alle höheren Tiere ein Gehirn, das der Hydra fehlt - aber auch nicht wirklich abgeht.

Der Stamm der Nesseltiere, zu dem der Polyp gehört, existiert nämlich bereits seit 600 Millionen Jahren. Das Alter dieser Süßwasserbewohner ist ebenfalls eher biblisch: Die Hydra sind nämlich dem Prinzip nach unsterblich, und sie bekommt natürlich auch keinen Krebs.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen sind die Tiere seit langem ein in der biomedizinischen Forschung beliebter Modellorganismus. Welche anderen Versuchstiere kann man schon zerstückeln, und sie leben doch weiter? Die Hydra kann es - solange man nur ein paar Zellen unversehrt lässt, die wieder zueinanderfinden und eine neue Hydra bilden.

Wie aber macht sie das? Wie man bisher schon wusste, spielen frischgebildete Stammzellen dabei eine entscheidende Rolle, die auch dafür sorgen, dass sich selbst Nervenzellen permanent erneuern. Um noch mehr darüber zu erfahren, hat nun ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universitäten Innsbruck und Wien den genetischen Code der Hydra entschlüsselt und ihn in der britischen Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlicht.

Eines der überraschenden Ergebnisse: 57 Prozent der Erbsubstanz bestehen aus sich wiederholenden Abschnitten, die ursprünglich von Viren stammen. "Wir haben bisher oft im Trüben gefischt", sagt dazu Bert Hobmayer vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck: "Nun aber kennen wir die gesamte Erbinformation und können damit sehr gezielt die Funktion von bestimmten Genen untersuchen."

Durch genaue Vergleiche konnten sogar die Angriffe der Viren in der Vergangenheit nachvollzogen werden, die in drei Wellen erfolgten. Die effektiven Immunsysteme der Tiere konnten die Viren zwar unschädlich machen, doch die Reste sind immer noch im Erbgut. Auch auf der menschlichen DNA finden sich übrigens noch zahlreiche Relikte von Viren-Erbgut.

Lichtreaktion ohne Augen

Ein andere überraschende Entdeckung an der Hydra machten US-amerikanische Forscher bereits letzte Woche: Sie fanden heraus, wie es möglich ist, dass die Tiere auf Licht reagieren, obwohl sie keine Augen haben. Verantwortlich dafür seien zwei Proteine, die mit dem Protein Opsin in unseren Augen eng verwandt sei, so die Forscher in den Proceedings der Royal Society B.

Für die Gegner der Evolutionstheorie gelten Augen als beliebtes Beispiel dafür, dass es für so etwas Komplexes "intelligentes Design" braucht. Die Hydra zeige dagegen, wie sich auch Augen nach und nach weiterentwickelt haben. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 16. 3. 2010)