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Eines gelingt dem iPad aus der Schachtel heraus: sich in den täglichen Gebrauch sofort einzufügen. In den wenigen Tagen seit dem Einkauf auf der Fifth Avenue wurde mir Apples Tablet zum selbstverständlichen Begleiter durch den Tag, der morgens die Zeitung bereithält, wunderbar große Online-Karten hat, um den Weg downtown zu planen, und die Mail liefert. Mit dem man vor dem Schlafengehen noch schnell die letzte Episode von Grey's Anatomy nachschauen kann, im iTunes-Store gekauft, bei Netflix per Streaming und DVD geborgt oder von ABC mit Werbung serviert.

Kann weniger als ein Notebook

Diese Erfahrung erklärt am besten, womit sich Apple noch immer zu erklären schwer tut: Wozu ein Gerät gut ist, das weniger kann als ein Notebook, keine Tastatur hat und dabei viel größer als ein Handy ist. Man hält das iPad mit der Hand, auf den Beinen: Das Begreifen durch Hände und Finger, die Möglichkeit, sich zurückzulehnen, statt an einem Tisch zu sitzen, macht die Benutzung von Internet und vielen anderen Dingen schlagartig anders. Wie selbstverständlich auch das Design, das vor allem aus dem gläsernen 9,7-Zoll-Bildschirm im Alu-Gehäuse besteht, mit 680 Gramm nicht schwerer als ein Hardcover-Buch, dafür dünner (1,25 cm).

Internet am iPad im Browser zu verwenden kommt dem Lesen von Printmedien näher als je zuvor: Scrollen und Links anklicken mit den Fingern wirkt wie Umblättern, der Touchscreen des iPads reagiert exzellent und flüssig auf diese Bewegungen. Tippt man auf einen Button und hält den leichten Druck aufrecht, gibt es Kontextmenüs. Instapaper - eine App, um Internet-Seiten zum späteren Offlinelesen aufzuheben - zeigt eine weitere Art der Steuerung: Statt zu scrollen kann seitenweise geblättert werden.


Fehlendes Flash

Apples Entscheidung gegen Flash macht viele Webseiten unvollständig, da Adobes Multimedia-Technologie zum De-facto-Standard für Video wurde. Allerdings bedeutet das nicht, dass es kein Video gibt: Youtube und eine ganze Reihe von News-Seiten oder TV-Networks bieten iPad-konforme Formate (Apple setzt auf HTML5). Diese Sturheit Apples kann beim Surfen gelegentlich nerven, aber die großen Anbieter haben offenbar wenig Lust auf Formatkriege und passen sich an.

Durch die Apps, Software und Content für das iPad ändert sich die Art, wie wir Internet benutzen: Medienhäuser versuchen wieder in die geschlossene Welt ihrer Produkte zurückzukehren. Wie die iPad-Ausgabe von Time: eine exzellente, mit viel Fotografie und Videos erweiterte Umsetzung, aber ohne Querverbindungen zu anderen Online-Angeboten, mit Ausnahme des Newsfeeds, der immer in der Welt von Time bleibt. Das Wall Street Journal bietet zwar Tools wie Artikel per Mail versenden oder Seiten archivieren, hält aber Leser gleichfalls innerhalb der eigenen vier Wände. Internetverbindungen werden über Wifi hergestellt, oder auch 3G bei der Mobilfunkversion. Sehr positiv die Akku-Laufzeit, die auch bei vollem Gebrauch über den von Apple genannten zehn Stunden liegt.

Ausgezeichnet das LED-Display des iPads: scharfe Schrift in Druckqualität, starke Farben, tiefes Schwarz, womit Fotos und Filme ihre Wirkung erst so richtig entfalten können. Das Display ist auch im Freien gut zu lesen, die Spiegelung kann ein wenig irritieren. Bücher auf dem iPad gewinnen, im Vergleich zu den relativ nüchternen E-Book-Readern, an Attraktivität: vielfältige Typografie, die Möglichkeit farbige Grafiken oder Fotos zu integrieren.

Wie schreibt es sich auf dem iPad? Dazu gibt es, wie am iPhone, Bildschirmtastaturen im Hoch- wie Querformat; im Hochformat neigt man anfangs dazu, wie am Handy mit einem Finger zu tippen. Im Querformat lässt sich hingegen mit einiger Übung sehr viel schneller mehrfingrig schreiben. Ein von Apple selbst entworfenes Cover gibt dem iPad eine schräggestellte Schreibunterlage (und einen Ständer zum Bild- oder Videoschauen).

Apple hat seine Office vergleichbaren Programme auch für das iPad herausgebracht (Pages, Numbers, Keynote), und tatsächlich waren am ersten Wochenende diese Programme die meistgekaufte Software - offenbar planen iPad-Benutzer, ihre Geräte auch für diese Arbeiten zu verwenden. Ein Ersatz einer physischen Notebook-Tastatur ist das Keyboard am Bildschirm für umfangreichere Arbeiten nicht; eine Zusatztastatur wird in einigen Wochen auf den Markt kommen.

Alles.nach.einander

Die Verwendung von Mail entspricht, dank des großen Bildschirms, weitgehend dem, was man auf dem Notebook gewohnt ist. Es bleiben zwei gravierende Nachteile: Erstens sind bei Verwendung mehrerer Mailkonten die Postfächer getrennt, was zu ständigem Wechseln der Konten zwingt. Zweitens signalisiert ein Ton zwar neue Mail, wenn man gerade anderes tut - aber es gibt keinen einfachen Weg, schnell zu checken, ob die neue Mail wichtig ist, kein Benachrichtigungsfenster. Man muss unterbrechen, was man gerade tut, Mail öffnen, Mail beenden, zur Anwendung zurück.

Apples Einschränkung von Multitasking (nur einige eigene Programme wie Musik oder Mail können im Hintergrund laufen) ist auf dem großen iPad wesentlich irritierender als auf einem iPhone: Hier wären kleine Fenster, Widgets oder ähnliche Arrangements hilfreich, um z. B. einen Chat laufen zu lassen, während man etwas liest. So muss man alles nacheinander machen - okay für viele Dinge und viele Benutzer, mühsam für manches.

Österreich?

Die größte Stärke des iPads ist das, was noch kommen wird: die rasante Erweiterung der Funktionen mit Apps von Drittherstellern. Amazon hat bereits den Kindle auf das iPad gebracht, in Konkurrenz zu Apples iBook-Store. Comics erwachen hier zu farbenfrohem, prächtigem Leben, und die Spieleindustrie arbeitet an der neuen Plattform. In Deutschland wird das iPad ab Ende April verkauft, für Österreich gibt es noch keinen Termin. Erwartete Preise: ab rund 450 Euro.


Ein Cover als Schreibunterlage und große Bildschirmtasten machen Tippen akzeptabel. "Spiderman" und andere Comics erwachen auf dem brillanten Display des iPads zu neuem, bewegtem Leben. (Helmut Spudich aus New York, DER STANDARD Printausgabe 7. April 2010)