Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Otto Schmut forscht als Biochemiker in den Laboratorien der Universitäts-Augenklinik der Medizinischen Universität Graz und erhielt 2000 den Sicca-Forschungspreis des Berufsverbands Deutscher Augenärzte.

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Mag. Griesmayr war in seiner Jugend selbst mit trockenen Augen konfrontiert und möchte mit Tears4You "eine verlässliche Anlaufstelle für Menschen mit trockenen Augen im deutschsprachigen Raum" etablieren.

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Die Zunahme von Bildschirmarbeit und Klimaanlagen, verstärkte ultraviolette Strahlung, bodennahes Ozon oder Autoabgase führen zur Entstehung des "umweltindizierten" Trockenen Auges.

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"Tage mit zwölf Stunden am Monitor sind keine Seltenheit", berichtet Elektronikstudent Wolfgang H. Insbesondere wenn sich mehrere Tage intensiver Bildschirmarbeit aneinander reihen, bekommt er das deutlich zu spüren. Das Spektrum der Beschwerden, unter denen H. leidet, reicht von geröteten Augen über das Gefühl von Trockenheit und Kratzen bis zu erhöhter Kurzsichtigkeit. "Das Befeuchten der Augen mit Wasser oder intensives Blinzeln verbessern die Situation nicht. Nur einige Tage ohne Bildschirmarbeit tragen zur Regeneration bei."

Das Office-Eye-Syndrom

"Wenn bei langem, eintönigem und angestrengtem Schauen die Augen trocken werden, kann das sogenannte Office Eye-Syndrom dahinter stecken", erklärt Otto Schmut, Biochemiker an der Universitäts-Augenklinik der Medizinischen Universität Graz. Das Office Eye-Syndrom fällt in das Krankheitsbild "Trockenes Auge" oder "Sicca Syndrom" (lat. "trocken"). Grundsätzlich lassen sich mehrere Auslöser unterscheiden: eine zu geringe Produktion, eine veränderte Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit, oder aber ein verminderter Lidschlag. Die jeweiligen Ursachen sind vielfältig. Diabetes, Allergien oder Schilddrüsenerkrankungen könne ebenso trockene Augen verursachen, wie die Einnahme diverser Medikamente.

Reduzierte Blinzelfrequenz

Bei allen Tätigkeiten, die einen konzentrierten Blick auf eine Stelle erfordern, wie beim Lesen, Fernsehen oder bei der Arbeit am Monitor, reduziert sich die Blinzelfrequenz. "Dadurch ist die 'Scheibenwischerfunktion' der Lider zur Verteilung des Tränenfilms unzureichend", erklärt Schmut den Entstehungsprozess des Office Eye-Syndroms. Der verbrauchte Tränenfilm wird langsamer abtransportiert, neue, frische Tränen nur dürftig verteilt. Darüber hinaus spielt sich die Arbeit vor dem Bildschirm meist in trockenen und klimatisierten Büros ab, was zu einer rascheren Verdunstung des Tränenfilms beiträgt. Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren entstehen an der Augenoberfläche schlecht befeuchtete Stellen, die sich als Brennen, Trockenheit, Juckreiz, Rötung und einem Fremdkörpergefühl präsentieren.

Immer mehr Betroffene

Diese Symptome sind nicht nur unangenehm, sondern beeinträchtigen die Lebensqualität derer, die darunter leiden. Otto Schmut: "Die Anzahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und mittlerweile soll jeder zweite bis dritte Patient, der einen Augenarzt aufsucht, über Beschwerden im Bereich Trockenes Augen klagen." Der Experte macht eine Reihe von Gründen dafür verantwortlich: Die Zunahme von Bildschirmarbeit und die steigende Verwendung von Klimaanlagen und die verstärkte ultraviolette Strahlung. Bodennahes Ozon oder Autoabgase führen zur Entstehung des sogenannten "umweltinduzierten" Trockenen Auges.

Ob es sich nun um ein umweltinduziertes Trockenes Auge, ein Office Eye-Syndrom oder eine andere Form des Trockenen Auges handelt, die Diagnose erfolgt in der Augenarztpraxis oder in einer Klinik mit Spezialambulanz und angeschlossenem Speziallabor. Schmut über die gängigen Untersuchungsmethoden: "Der seit über hundert Jahren angewandte Schirmer-Test sagt etwas über die Menge der Tränenflüssigkeit aus, die das Auge produziert. Die Break up time (BUT) etwas über die Qualität des Tränenfilms und wie lange dieser die Augenoberfläche benetzen kann."

"Praktisch keine Heilung"

So komplex die Ursachen des Trockenen Auges, so verschieden die möglichen Therapieansätze: von künstlichen Tränenersatzstoffen oder Medikamenten, über eine Änderung des Lebensstils bis hin zu chirurgischen Sanierungen zur besseren Verteilung des Tränenfilms beziehungsweise  Wiederherstellung der Augenoberfläche. Eine Diplomarbeit an der Medizinischen Universität Graz widmet sich der Erfassung der Tränenersatzmittel, "doch bei ihrer Fertigstellung ist sie bereits überholt, da monatlich neue Präparate am Markt auftauchen", erzählt Schmut.

Auch die Korrektur von Fehlsichtigkeit habe einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entwicklung und die Beschwerden des Sicca-Syndroms, weiß Schmut, "aber wenn das Trockene Auge einmal chronisch geworden ist, gibt es praktisch keine Heilung mehr."

Selbsthilfe

Um ratlosen Patient zu helfen, hat A. J. Griesmayr die Initiative Tears4You ins Leben gerufen: "Wir wollen eine verlässliche und unabhängige Anlaufstelle für Menschen mit Trockenen Augen sein." Der Weg zum Ziel besteht in der gemeinsamen Produktion von Informationsvideos mit Augenärzten, oder im Erstellen einer Empfehlungsliste von Augenärzten, die sich auf das Trockene Auge spezialisiert haben. "Darüber hinaus versuchen wir Anstöße zu geben, die allgemeinen Rahmenbedingungen zu verbessern, indem wir etwa das Feedback von Betroffenen an die Augenärzte weitergeben, diese bei einer patientenfreundlichen Behandlung unterstützen und alle Akteure bei ihren Bemühungen rund um das trockene Auge in die Kommunikation einbinden.

Eigeninitiative

Damit das Trockene Auge nicht chronisch wird, empiehlt Griesmayr Betroffenen ihre Augen mit folgenden Maßnahmen konsequent zu entlasten und zu schützen:

  • Regelmäßige Pausen: bewusst vom Bildschirm wegschauen und die Augen entlasten, Spaziergänge etc.
  • Blinzelübungen und Augenpausen
  • Sitzen in Durchzugsräumen vermeiden
  • Gut lüften und für ausreichend Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit sorgen. Die Verwendung von Klimaanlagen und Heizungen reduzieren.
  • Zur Bildschirmeinstellung: Den Monitor so positionieren, so dass man leicht auf ihn herabblickt und die Monitorauflösung hoch genug einstellen. Ein Blenden des Bildschirms durch Lichtquellen vermeiden, dabei aber auf ausreichend Raumlicht achten.
  • Bei häufigen Symptomen helfen spezielle Brillen, die eine Art Feuchtigkeitskammer erzeugen, sogenannte "goggles".

Otto Schmut empfiehlt, nicht nur starr auf den Bildschirm zu blicken: "Wir haben an der Universität auch ein Computerprogramm entwickelt, das den Menschen optisch oder akustisch daran erinnert, zu blinzeln." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 4.5.2010)