Das Urteil gegen den Anti-Fremdenrechts-Demonstranten wurde als "politisches Urteil" kritisiert - nun wurde dagegen berufen

Foto:

Salzburg - Das hat Seltenheitswert: Die Staatsanwaltschaft beruft gegen ein Urteil, weil ihr die verhängte Strafe deutlich zu hoch erscheint. In Salzburg ist dieser seltene Fall eingetreten, noch dazu bei einem Verfahren mit politischem Hintergrund.

"Ministerin für Deportation"

Die Vorgeschichte: Am 14. Jänner dieses Jahres kommt es bei einer nicht angemeldeten Demonstration gegen die Politik von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) zu tumultartigen Szenen. Die Protestaktion am Beginn eines Vortrags von Fekter bei der Wirtschaftskammer war ursprünglich friedlich verlaufen: Am Eingang wurde Fekter von zwei Dutzend Demonstranten empfangen und als "Ministerin für Lager und Deportation" bezeichnet. Als die Polizei eintraf, explodierten Schweizerkracher, und es kam zu einem Gerangel zwischen Exekutive und Demonstranten.

Ergebnis: Jan J. (27) fasste ein Monat unbedingt, weitere acht Monate bedingt wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt aus; sein Bruder Bruder Nathanael J. (24) bekam sechs Monate bedingt. Ein "Skandalurteil gegen Asylpolitik-Kritiker" , kommentierte der Vater der beiden Brüder den Spruch von Richterin Karoline Edtstadler. Auch die Verteidigerin des Brüderpaars, die prominente Salzburger Anwältin Ingeborg Haller, bezeichnete das Urteil als "völlig unverhältnismäßig" und meldete Berufung an.

"Sahen uns genötigt"

Die teilbedingte Haftstrafe gegen den bis dato unbescholtenen Jan J. war dann auch der Staatsanwaltschaft zu viel. "Wir sahen uns fast genötigt" , Berufung zugunsten des Angeklagten anzumelden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft im Standard-Gespräch. Und man wolle nicht den Eindruck erwecken, "am politischen Gängelband" zu hängen. Die Chancen, dass Jan J. nicht ins Gefängnis muss, stehen jedenfalls gut. "Wir haben uns an der gängigen Spruchpraxis des Oberlandesgerichts orientiert" , heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 11.6.2010)