Bild nicht mehr verfügbar.

Hans Dichand ist tot. "Krone"-Titelseite vom Freitag, 18. Juni 2010.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Bild nicht mehr verfügbar.

Sohn und "Krone" -Chefredakteur Christoph (li.), seine Frau und "Heute"-Herausgeberin Eva. Sohn Michael engagierte sich wenig bei der "Krone".

Fotos: APA/Fischer/Newald

"Krone", Dichand, "Kurier" & Co: Verflechtungen von Österreichs Medienriesen

Grafik: STANDARD

Jahrzehnte hielten ein Mann und sein Blatt die Republik in Geiselhaft, jedenfalls ihre Spitzen, von Kreisky bis Faymann. Er streichelte lieber seinen Hund, als Macht auszuüben, entgegnete der "Berluskroni" stets kokett.

Doch was nannte Hans Dichand Tage vor seinem Tod "größte Fehlentscheidung meines Lebens"? Seine flugs installierte (und rasch abservierte) Societyreporterin hielt nicht, was seine und ihre Vertrauten versprochen hatten.

Die größte Fehlentscheidung? Entertainment war und ist einer der Erfolgsfaktoren der "Krone", sagte Dichand sein Gespür. Doch sein einst einzigartiger "Geruchssinn für Massenausdünstungen" (Langzeitfeind Gerd Bacher), der einen beispiellosen Reichweitenriesen schuf, schwand merklich mit Dichands Kräften.

Jörg Haider wurde mit Dichands Hilfe groß. Doch als er 2010 gar für die blaubraune Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz mobilisierte, lehnte sich gar seine stets dienstfertige, zumindest duldsame Redaktion auf. Zum Rückzieher bewegten Dichand erst abbestellte Abos und Annoncen.

Selbst das größte Kleinformat mühte sich, im Auftrag seines Herren mehr als ein paar tausend Demonstranten gegen den EU-Vertrag auf den Ballhausplatz zu bringen. Dabei lesen 2,85 Millionen "die Zeitung", mehr als dreimal so viele wie die Nummer zwei, die "Kleine Zeitung", gut viermal so viele wie Wolfgang Fellners Österreich. Dichand selbst stellte sich mit 88 noch vor sein überschaubares graues Regiment von EU-Gegnern vor dem Kanzleramt.

Dessen Hausherren brachte Dichand dorthin, seinen Langzeitwahlneffen Werner Faymann. Der schwenkte die SPÖ 2008 per Leserbrief auf den EU-skeptischen Kurs des Wahlonkels. Und schon war Faymann SP-Chef und Kanzler. Nicht zuletzt dank einer Krone-Kampagne, die jedes Parteiblatt erröten ließe.

Faymänner trösteten Dichand 2004, als die Mediaprintpartner Raiffeisen und WAZ sein Lieblingsspielzeug stoppten, eine kostenlose U-Bahn-Zeitung. Bei der hatte Dichands Witterung noch funktioniert: Ein eigenes Gratisblatt hält Angreifer in Schach - wie später Fellners Österreich. SP-nahe Kräfte, etwa ein roter Wirtschaftstreuhänder, starteten noch 2004 ein neues Gratisblatt nach Dichands Geschmack. "Krone" und "Heute" erreichen heute gemeinsam knapp 60 Prozent der Wiener. Längst führt Dichands Schwiegertochter das Gratisblatt, die Frau seines jüngeren Sohnes Christoph, des "Krone"-Chefredakteurs.

Sein Lebenswerk "in der Familie halten und weitergeben", das wünschte sich Dichand für die Zeit nach seinem Tod, vor dem er "nicht die geringste Angst" hatte, sagte er dem Autor 2004 - "weil ich habe gelebt". Nun liegt sein Werk in der Hand der Familie: Am Donnerstag starb Hans Dichand, der Medienkaiser von Österreich, mit 89.

Wer erbt die "Krone"?

Dichand gehörten 50 Prozent an der "Krone", die andere Hälfte der deutschen WAZ-Gruppe. Sie entscheidet mit seinem Tod erstmals gleichberechtigt mit, etwa das künftige Management des Massenblatts. Der "Krone" gehören 70 Prozent der Komanditanteile an der Mediaprint, dem gemeinsamen Verlag mit dem Kurier. Dichands Haupterbin ist seine Frau Helga, geboren 1937. Ihr steht eine Gewinngarantie zu. In guten Zeiten soviel wie ihrem Mann, mehr als 700.000 Euro im Monat. Doch die Zeiten sind schlecht, zuletzt musste schon Hans Dichand verzichten. Nach Helga stünde den Kindern Michael, Johanna und Christoph die halbe Garantiesumme zu. Der Trend schätzte das Familienvermögen auf 750 Millionen Euro. Abermillionenschwer die Kunstsammlung mit Gustav Klimts Danae.

Was tun Dichands Erben?

Hans Dichand verhandelte bis zuletzt über einen Kauf der WAZ-Anteile an der "Krone", bot den Deutschen aber aus deren Sicht viel zu wenig. Die WAZ erwartete mehr als 200 Millionen für ihre Hälfte, Dichand bot kolportierte 130 bis 160 Millionen Euro.

Das Spiel könnte sich nach Dichands Tod umdrehen - und die WAZ zum Käufer machen. Und sei es, um die Krone an den deutschen Verlagsriesen Springer weiterzureichen, der sich seit längerem für eine Krone-Mehrheit interessiert. Helga Dichand dürfte den Wunsch respektieren, die "Krone" in der Familie zu halten. Wie Kinder und Schwiegertochter das sehen, wird zur zentralen Frage. Johanna und Michael zeigten bisher eher wenig Interesse am Einsatz bei der Krone, Michael an krone.at. Länger kursieren angebliche Familienpakte, wonach die ambitionierte Eva nicht in die "Krone" dürfe. Mit Heute hat sie ein schmuckes Betätigungsfeld. Wenn dessen Eigentümer sie auch nach Dichands Tod dort sehen wollen.

Wer will die "Krone"?

Verkaufen die Dichands, so stünde neben der WAZ Raiffeisen-Boss Christian Konrad Gewehr bei Fuß. Will jemand "Krone"-Anteile loswerden, binnen Tagen zückten wohl Käufer beim Notar den Füller. WAZ und Dichands haben ein wechselseitiges Vorkaufsrecht.

Wohin mit der Mediaprint? Kommt auf die Eigentümer an. WAZ und Konrads Raiffeisen gehört auch der Kurier. Dichand versuchte, den kleineren, aus seiner Sicht siechen Mediaprint-Bruder mit seinen garantierten 30 Prozent vom gemeinsamen Gewinn loszuwerden. Zuletzt kursierte die Idee, die Krone möge den Kurier aus der Mediaprint auskaufen und der sein Glück etwa mit Styria ("Kleine Zeitung") oder Österreich suchen.

Die "Krone" ohne Dichand?

Eine Frage der Personen. Unentschlossen und orientierungslos wirkte sie längst, wenn man von Dichands späten Kampagnen absieht. Das Ende des Patriarchen verschärft das. Bei kluger Besetzung, vorsichtiger Neuordnung und Modernisierung (nebst einem Sparprogramm) könnte das Kleinformat noch lange Reichweitenriese bleiben; vorerst familiär flankiert von Heute. Vielleicht hilft der "Krone" ja auch ein etwas überlegterer Umgang mit ihrer Macht.

Die Societyfrage immerhin löste noch Hans Dichand selbst: Er machte glatt die gerade geschasste Vorgängerin zur Nachfolgerin. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2010)