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Georgi Baramidse ist georgischer Vizepremier und Minister für europäische und euroatlantische Beziehungen. Der studierte Chemiker war vergangene Woche zu Besuch in Wien. Sehnlichster Wunsch seiner Delegation: eine österreichische Botschaft in Tiflis.

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Der georgische Vizepremier Georgi Baramidse im Gespräch mit Stefan Binder über die Beziehungen zu Russland, georgische Mordkomplotte und Umsturzpläne der Mafia.

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STANDARD: Bombenanschläge in Balkarien vergangene Woche, instabile Verhältnisse in Abchasien: Georgien scheint von vielen Konfliktherden umgeben?

Baramidse: Ja, die Situation in der Region verschlimmert sich. Das alles wegen der unklugen Politik Russlands, die Probleme der Region nicht zu lösen. Stattdessen töten sie tausende Menschen: Journalisten, Politiker, Menschenrechtsaktivisten – und dadurch erhalten Fundamentalisten Zulauf. Georgien ist davon zwar nicht direkt betroffen, aber wir wollen kein muslimisches Kalifat als nördlichen Nachbarn. Daher sollte Russland mit uns kooperieren. Wir haben viele gemeinsame Interessen in Wirtschaft, Energie, Verkehr und Kultur. Wir wollen, dass Russland stabil ist, doch dazu müsste Russland eine zivilisierte Politik verfolgen.

STANDARD: Apropos zivilisierte Politik: Der georgische Oppositionspolitiker Schalwa Natelaschwili erhob im Standard vergangene Woche schwere Vorwürfe gegen Präsident Michail Saakaschwili. Er behauptete, dass Saakaschwili am Tod des georgischen Premierministers Surab Schwanija 2005 mitgewirkt habe.

Baramidse: Ich denke, es wäre weiser, mit Politikern zu sprechen, die mehr Reife an den Tag legen. Diese Person versucht nur Aufmerksamkeit zu bekommen. Er macht lustige Aussagen, doch dieses Mal ist es nicht sehr lustig. Premierminister Schwanija war mein bester Freund, mein politischer Mentor. Wir haben zwei Untersuchungen: eine georgische und eine vom FBI. Solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, kann keiner mit Sicherheit sagen, was passiert ist.

STANDARD: Im März dieses Jahres wurde in Wien eine georgische Mafia-Bande zerschlagen. Es gab auch Hinweise, dass von Wien aus ein Putsch gegen Präsident Saakaschwili geplant war.

Baramidse: Ich denke, das ist das beste Lob für Präsident Saakaschwili. Wegen seiner Handlungen ist die Mafia so ausgehungert, dass sie seinen Sturz will. Das beweist, dass wir von Beginn an den Kampf gegen Mafia, Korruption und organisiertes Verbrechen aufgenommen haben. Und wir sind froh, dass die österreichischen Behörden diese Mafia auch nicht tolerieren. Aber in Russland haben sie freie Fahrt.

STANDARD: Es gab jedoch auch Vorwürfe, dass Mitarbeiter der georgischen Botschaft in Wien an den Plänen beteiligt gewesen sein sollen.

Baramidse: Die internationalen Statistiken beweisen es: Wir haben keine mafiösen Strukturen mehr in der georgischen Regierung. Natürlich kann es immer Menschen geben, die eine radikale Gruppe unterstützen, um eine Regierung zu stürzen. So etwas kann man nie mit absoluter Sicherheit ausschließen. Aber können Sie so etwas irgendwo anders ausschließen? (Stefan Binder, DER STANDARD, Printausgabe, 28.7.2010)