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Meditation kann Nervenverbindungen wachsen lassen.

Foto: AP/Gurinder Osan

Washington - Es klingt ein wenig nach Science-Fiction: Wer eine bestimmte Meditationstechnik nur elf Stunden lang lernt, bewirkt damit positive Veränderungen in den Nervenverbindungen des Gehirns. Besonders stark verändert wird dadurch jene Gehirnregion, die hilft, das eigene Verhalten zu kontrollieren und Konflikte zu regulieren, wie Forscher aus China und den USA herausfanden.

Das Team um den renommierten US-Psychologen Michael Posner und Yi-Yuan Tang untersucht bereits seit Jahren, welche Auswirkungen östliche Entspannungs- und Meditationstechniken auf Geist und Körper haben. Insbesondere erforschen sie die Effekte des "integrative Körper-Geist-Trainings" (IBMT), einer Meditationsform, die aus der Traditionellen Chinesischen Medizin abgeleitet ist und im Westen noch kaum angeboten wird.

Dabei geht es weniger darum, die eigenen Gedanken "gewaltsam" zu kontrollieren, sondern einen Zustand entspannter Aufmerksamkeit zu erreichen. "Erzeugt" wird die vor allem durch die Anweisungen des Meditationslehrers, der die Atemtätigkeit der Meditierenden lenkt und auch die mentale Bilderwelt vorgibt, während im Hintergrund sanfte Musik ertönt.

Die so erreichte Kontrolle der Gedanken, die sich mithin durch eine Kombination aus bestimmten Körperhaltungen, Entspannung und Atemtechniken einstellt, hat vielfältige positive Auswirkungen: Im Jahr 2007 machten Posner und Tang ein Experiment mit chinesischen Studenten, die fünf Tage vor einer Mathematikprüfung IBMT praktizierten.

Das Ergebnis: In der Prüfungssituation wurde das Stresshormon Cortisol weniger stark ausgeschüttet, und die IBMT-Gruppe zeigte auch weniger Angst, Depression und Ermüdungen als die Kontrollgruppe, die nur "normale" Entspannungsübungen machte.

Im Vorjahr berichteten Tang und Kollegen dann von einer niedrigeren Herzfrequenz der IBMT-Truppe im Vergleich zur Kontrollgruppe, die sich wieder nur herkömmlich entspannte. Außerdem hatten die IBMT-Praktikanten eine verstärkte Bauch- und verringerte Brustatmung sowie erhöhte Aktivitäten im rechten vorderen Teil des Gyrus cinguli, des sogenannten Brodmann-Areals 24.

Mehr Nervenverbindungen

Auf Basis dieser Erkenntnisse verglich das chinesisch-US-amerikanische Psychologenteam nun abermals zwei Gruppen von Studenten - 22 mit elf Stunden IBMT-Schulung und 23 mit elf Stunden normalem Entspannungstraining -, diesmal im Magnetresonanztomografen. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass sich im Hirn der IBMT-Probanden bereits nach sechs Stunden Training tatsächlich etwas tat: Die Nervenverbindungen zum Brodmann-Areal 24 wurden zahlreicher, wie die Forscher im US-Fachblatt PNAS schreiben.

Als mögliche Gründe geben sie an, dass es zu einer Reorganisation der sogenannten weißen Substanz kommen könnte oder zu einer vermehrten Bildung von Myelin, das die Nervenverbindungen umhüllt. Bedeutsam sei dieses Ergebnis aus zweierlei Gründen, sagt Posner, der erst im Vorjahr die National Medal of Science erhielt: Zum einen, sagt Posner, "weil man annimmt, dass die betroffene Hirnregion unser Konfliktverhalten regelt", und zum anderen, weil erstmals gezeigt wurde, dass sich diese Region durch bestimmte Techniken beeinflussen lässt. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 17.08.2010)