Wiener Nachholbedarf: " In London schwirren im Gegensatz zu Wien viel mehr Kulturen herum, das finde ich toll."

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Vor ihren eigenen Kindern gelten für Wenckheim in punkto Alkohol besondere Regeln: "Ich putze mir immer die Zähne, bevor ich ihnen ein Bussi gebe."

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Über Heinz-Christian Strache sagt Wenckheim: "Das einzige, das mir an ihm sympathisch ist, ist, dass er Bier trinkt."

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Bier musste es sein. Deshalb hat derStandard.at Ottakringer-Chefin Christiane Wenckheim zum geplanten Heurigengespräch im Wiener Biergarten "Grünspan" getroffen. Den Besuch eines Wiener Heurigen hatte sie zuvor kategorisch verweigert. Beim "Biergarten"-Gespräch erzählte Wenckheim, warum das Ottakringer-Bier für immer in Ottakring bleiben wird, sie wegen Heinz Christian Strache eine Werbekampagne streichen musste und wie sie mit dem Thema Alkoholsucht umgeht.

derStandard.at: Wir sitzen jetzt hier im Biergarten, weil sie den Heurigen verweigert haben. Was ist Ihnen lieber: ein warmes Bier oder ein kühles Glaserl Wein?

Wenckheim: Ein warmes Bier. Ich trinke überhaupt keinen Wein. Ganz selten zuhause mit meinem Mann einen Schluck, dann wenn mich niemand sieht. Unlängst war ich bei einem Fest, wo sie mich gezwungen haben Wein zu trinken. Das war schon wirklich Hardcore für mich. Einen Schluck habe ich getrunken, um höflich zu sein und dann hab ich das Glas irgendwo verschwinden lassen.

derStandard.at: In welchem Alter haben Sie Ihr erstes Bier getrunken?

Wenckheim: Es war spät, ich war ungefähr 23. Zuhause haben meine Eltern immer viel Bier getrunken, aber mir hat total gegraust. Es war mir zu bitter, als Junger trinkt man eher süße Getränke. Ich habe es sehr spät entdeckt und musste mich erst daran gewöhnen, aber jetzt gibt es nichts Erfrischenderes.

derStandard.at: Man sagt ja, die Dosis macht das Gift – das gilt insbesondere für Alkoholika. Ein Achterl Rotwein jeden Tag soll gesund sein. Welche Maßstäbe würden Sie beim Bier anlegen?

Wenckheim: Ein Liter Bier am Tag, denke ich, ist okay. Mir reicht auch schon eine Halbe, gestehe ich.

derStandard.at: Frauen wird oft unterstellt, dass sie keine Biertrinker seien. Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem Klischee?

Wenckheim: Das ist ein Wahnsinn. Jedes Mal, wenn ich mich zu einer Männerrunde stelle und als erste ein Bier bestell', bestellen sich die Männer auch alle ein Bier. Wenn ich hingegen in einer Damenrunde Bier bestell, bestellen sich alle anderen Mineralwasser. Ich war einmal bei einem Frauenclub, da konnte ich keine einzige Frau überzeugen Bier zu trinken. Das war total frustrierend für mich, deshalb bin ich wieder ausgetreten.

derStandard.at: Versuchen Sie trotzdem vermehrt Frauen mit ihren Produkten anzusprechen?

Wenckheim: Wir haben das UO (Urban Ottakringer) auf den Markt gebracht, das erste österreichische Bier in einer durchsichtigen Flasche. Ich habe sogar einen Feng-Shui-Berater hinzugezogen, der mir die Flasche energetisiert hat, damit viele Frauen hingreifen. (lacht) Es ist gut geworden, aber ein Nischenprodukt geblieben. Biertrinken ist und bleibt eine Männerdomäne. Ich als Frau in einer Brauerei – das ist doch auch ein bisschen absurd.

derStandard.at: Sind Sie die einzige Frau in Österreich, die in höheren Etagen von Brauereien oder Brauereikonzernen tätig ist?

Wenckheim: Auf Vorstandsebene ja. Es gibt allerdings noch zwei Eigentümerinnen – und zwar bei der Brauerei Hirter. Die jetzt dieses tolle Damenplakat gemacht haben (lacht).

derStandard.at: Würde so ein Werbesujet für Sie in Frage kommen?

Wenckheim: Wir haben so etwas einmal vor langer Zeit probiert, dann aber einen Brief der Fraueministerin erhalten. Im Zuge dessen gab es auch eine E-Mail-Welle von Frauen, die sich solidarisiert haben. Daraufhin habe ich alles eingestellt.

derStandard.at: Verstehen Sie den Aufruhr, den es um das Hirter-Plakat gibt?

Wenckheim: Jetzt schon, weil ich es selber erlebt hab. Ich verstehe, dass Frauen sich darüber ärgern. Ich weiß nicht, ob ich selbst ein E-Mail schreiben würde. Grundsätzlich finde ich, dass diese Werbung nicht zur Marke Hirter passt. Für mich ist Hirter eher eine traditionelle und keine auf Sex aufgebaute Marke.

derStandard.at: Sie haben früher am Würstelstand gearbeitet. Lernt man dort den echten Wiener kennen?

Wenckheim: Ja, in jedem Fall. Für mich war das eine tolle Lehrzeit. Ich bin aus Amerika zurückgekommen, habe in Wien einen Job gesucht und zu meinem Erschrecken keinen gefunden. Dann habe ich mich selbstständig gemacht und Würstelstände am Rathausplatz und in Schönbrunn eröffnet. Im Kleinen habe ich da gelernt, wie man ein Unternehmen führt.

Es war sehr faszinierend "den Wiener" am Würstelstand kennenzulernen. Ich habe dort meine Scheu verloren; früher war ich sehr introviertiert und still. Auf der Straße musst du den Leuten antworten, sonst bleibst du über.

derStandard.at: Sie verdienen mit Bier ihr Geld. Österreich ist ein Land der Alkoholsüchtigen. Haben Sie deswegen manchmal ein schlechtes Gewissen? Fühlen Sie sich in irgendeiner Weise verantwortlich dafür?

Wenckheim: Wenn es etwas gibt in meinem Job, das mich dauernd beschäftigt, dann ist es dieses Thema. Ich habe für mich da noch keine befriedigende Antwort gefunden. Grundsätzlich schaue ich sehr stark auf den Umgang meiner Mitarbeiter mit Alkohol. Die haben schließlich jeden Tag mit dem Produkt zu tun.

derStandard.at: Was heißt das konkret?

Wenckheim: Wenn ich sehe, dass jemand einen Hang zum Alkoholismus hat, nehme ich ihn aus der Position heraus und versetze ihn woanders hin. Verkäufer sind natürlich sehr viel mit Bier und Wirten unterwegs. Dort soll dann natürlich niemand arbeiten, der ein Problem im Umgang mit Alkohol hat.

derStandard.at: Das derzeitige Jugendschutzgesetz in Österreich finden Sie in Ordnung? In den USA darf man Alkohol erst ab 21 Jahren trinken.

Wenckheim: Ich habe lange dort gelebt, der Umgang ist sehr viel strenger. In den Bars musste man mit Ausweisen arbeiten, das funktioniert hier überhaupt nicht. Man muss sich auch eine Alkohollizenz erarbeiten, um überhaupt in einem Lokal Alkohol ausschenken zu dürfen. Jeder musste dafür eine Ausbildung machen über den Umgang mit Alkohol. Das wären Themen, die man sich in Österreich von dort abschauen und aufgreifen könnte.

Ich glaube, dass wir generell in Österreich mehr darauf schauen sollten, wie Familien funktionieren. Das Kern-Problem ist ja meistens, dass die Jungen, die wirklich viel trinken, oft aus schwierigen Familienverhältnissen kommen. Man muss das Problem an der Wurzel packen.

derStandard.at: Sie sind auch Mutter von zwei Kindern. Wie werden Sie die Erziehung in diesen Dingen angehen?

Wenckheim: Wichtig ist das, was man den Kindern vorlebt. Das heißt, nicht selber besoffen nachhause kommen. Ich tu mir zum Beispiel immer, wenn ich untertags Bier getrunken habe, bevor ich meinen Kindern ein Bussi gebe, die Zähne putzen. An die Fahne gewöhnt man sich schon als Kind, das ist dann normal. Wir haben auch eine Zapfsäule zuhause. Da habe ich schon lange nachgedacht, ob wir das einrichten sollen.

derStandard.at: Letzte Woche ist die neue Plakatserie der FPÖ Wien aufgetaucht mit dem Slogan "Mehr Mut für unser Wiener Blut". Was sagen Sie dazu?

Wenckheim: Ich bin froh, weil wir auch mit "Wiener Blut" werben wollten. Wir wollten ein neues Produkt launchen und das ganze unter diesem Motto präsentieren, bis wir spitz bekommen haben, dass da auch jemand anderer mit dem Thema unterwegs ist. Daraufhin haben wir alles eingestampft.

derStandard.at: Sind Sie der FPÖ dankbar, dass sie Ihnen den Slogan weggeschnappt hat?

Wenckheim: Ich möchte mich wahltechnisch bei niemandem herzig machen oder nicht herzig machen. Der Herr Strache macht, was er will – man mag es schätzen oder nicht. Das einzige was mir an ihm sympathisch ist, ist, dass er Bier trinkt. Den Rest sollen andere beurteilen, oder ich in der Wahlkabine, wenn Sie erlauben.

derStandard.at: Diese Kampagne der FPÖ spielt ja auf das Zusammenleben mit Migranten und Zuwanderern an. Die Brauerei ist im 16. Bezirk angesiedelt, in dem der MigrantInnenanteil relativ hoch ist. Viele davon, etwa gläubige Muslime, trinken kein Bier. Haben Sie sich im falschen Bezirk angesiedelt?

Wenckheim: Das ist richtig, sie trinken kein Bier. Es ist etwas eigenes ein Ausländer in einem Land zu sein – deshalb habe ich vielleicht einen anderen Zugang, weil ich es selber erlebt habe, wie es ist. Man kann eben schwer Inländerin werden als Ausländerin, auch wenn man die Regeln respektiert – wovon ich einfach ausgehe, dass man das tun sollte. Ottakring ist ein Multi-Kulti-Bezirk und hat als solcher aber auch einen Kult-Status. Man sieht, dass genau in solchen Bezirken die neuen Dinge entstehen.

derStandard.at: Sie sind viel in der Welt herumgekommen. Warum sind Sie dann wieder nach Wien zurück? Was macht diese Stadt so besonders?

Wenckheim: Ich bin wegen dem Golfkrieg zurückgekommen. Ich war zu dieser Zeit in Hawaii, dort ging es mit der Wirtschaft bergab, weil normalerweise immer die Japaner hierhin gereist sind. Der komplette Tourismus ist zusammengebrochen, dann haben sie alle Leute gekündigt, bis auf mich. Warum? Weil ich fünf Sprachen spreche und dort damals 1000 Dollar verdient habe. Ich habe den Job von drei Leuten machen müssen und irgendwann ist es mir deshalb gesundheitlich nicht mehr gut gegangen.

Daraufhin habe ich beschlossen zurückzugehen. Mir hat es hier dann schon sehr gut gefallen. Als ich jung war, war irgendwie alles grau in grau. Es ist irsinnig viel passiert in der Stadt inzwischen. Zilk ist herumgefahren und hat gesagt: Färbelts die Häuser alle neu an, das allein hat der Stadt einen Wind gegeben.

derStandard.at: Wenn Sie das Wien der Kindheit mit dem heutigen vergleichen?

Wenckheim: Das war für mich eine trostlose Stadt. Ich war als Kind immer so halb-depressiv, kann ich mich erinnern. Alles war schwarz, alle Häuser dreckig. Plötzlich ist es aufgeblüht und internationaler geworden. Das Museumsquartier und diese ganzen Dinge sind aufgepoppt. Wien hat eine sehr hohe Lebensqualität bekommen über die Jahre. Als Nummer 1 brauchen wir darüber nicht diskutieren.

derStandard.at: Wo hat Wien trotzdem noch Aufholbedarf?

Wenckheim: Schon beim Umgang mit verschiedenen Kulturen. In London schwirren im Gegensatz zu Wien viel mehr Kulturen herum, das finde ich toll. Das bringt eine unheimliche Vielfalt. Das Schulsystem ist für mich auch ein Problem. Die Leute werden viel zu wenig unternehmerisch herangezogen.

derStandard.at: Wird einem das in der Schule ausgetrieben?

Wenckheim: Ich bin davon überzeugt, dass es das Schulsystem ist. In Amerika fragt man: was willst du werden, dann wird einem geholfen das Ziel zu erreichen. Hierzulande wird dir immer erklärt, warum etwas nicht geht. Das finde ich sehr schade.

In den USA war ich stellvertretende Restaurantleiterin des Dining Rooms im Ritz-Carlton Hotel. Ich habe einmal einen jungen Burschen gefragt, warum er hier arbeitet. Er hat gesagt: er ist sich sicher, dass er Hollywood-Star wird und deshalb übt er hier. Er versucht die Leute mit seinem Charme und Schmäh zu unterhalten und hier probiert er aus, was er dann auf der Bühne machen kann. In Österreich hätten den alle ausgelacht: "Oida, bist deppat oder angrennt". In den USA glaubt man an sich, das fehlt mir bei den Jungen in Österreich.

derStandard.at: Sie werben mit dem Spruch "Mei Bier hot ka Krise". Wie ist das jetzt mit der Wirtschaftskrise – kurbelt die den Bierkonsum an?

Wenckheim: Wir haben letztes Jahr ein tolles Jahr gehabt, aber das hat auch andere Ursachen gehabt. Prinzipiell glaube ich nicht, dass die Wirtschaftskrise so heftig ist, dass der Mensch vermehrt zum Alkohol greift. Die Arbeitslosenraten sind nicht so dramatisch hochgegangen, wie alle befürchtet haben.

derStandard.at: Sie haben Ihr Unternehmen mitten in der Stadt, was doch eher Seltenheitswert hat. Anderswo wäre die Produktion vielleicht billiger. Haben Sie schon einmal überlegt das Unternehmen anderswo anzusiedeln?

Wenckheim: Nein, haben wir nicht. Erstens sind wir Wiener und werden immer Wiener bleiben. Wir bekennen uns zu 100 Prozent zu unserem Ursprung. Zweitens: wenn man die Marke Ottakringer trägt, gibt es ein EU-Gesetz unter den Brauern, das besagt, dass das Wasser aus Ottakring kommen muss.Wir können also gar nicht weg, sonst könnten wir nicht mehr Ottakringer heißen. (Teresa Eder,Rosa Winkler-Hermaden/derStandard.at, 23.8.2010)