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Produkte die aus Rohmilch hergestellt werden, sind besonders häufig mit Listerien kontaminiert.

Foto: APA/Thomas Haentzschel

Sie sind allgegenwärtig, tummeln sich in der Erde, auf Wiesen, im Meerwasser und vielleicht auch im heimischen Kühlschrank. Die Rede ist von Bakterien der Gattung Listeria. Unter ihnen kann die Art L. monocytogenes bei Menschen schwere Krankheiten auslösen. Listeriose ist zwar eine seltene Diagnose, ihre Häufigkeit nimmt aber zu. In Österreich wurden 1998 nur vier Listeriose-Fälle registriert, 2008 waren es 31 und im vergangenen Jahr 46. Die Infektionsquellen sind meist kontaminierte Lebensmittel, vor allem Rohmilch, Käse, Räucherfisch, Meeresfrüchte und Fleischprodukte. Von einem einzelnen Keim geht keine Bedrohung aus, bedenklich wird die Situation ab einer Bakteriendichte von 100.000 Zellen pro Gramm.

Die Liste der möglichen Auswirkungen einer Listeria-Infektion liest sich wie ein Horrorkatalog - beginnend mit starker Übelkeit und hohem Fieber bis hin zu Hirnhautentzündung und Blutvergiftung (Sepsis). Die Keime können sich sogar im Gewebe verschiedener Organe einkapseln und von dort aus stetig Giftstoffe abgeben. Etwa ein Viertel der schwer verlaufenden Listeriose-Erkrankungen endet tödlich. In den meisten Fällen bemerken Infizierten aber praktisch nichts. Ein gesundes Immunsystem wird leicht mit Listerien fertig. Etwas Kopfschmerzen und eine Diarrhö, danach ist alles schon überstanden.

Leichtes Spiel

Viel gefährlicher sind die Bakterien für Personen mit angeschlagener Gesundheit. Fachleuten zufolge dürfte die zunehmende Häufigkeit von Listeriose zum Teil auf die stetig fortschreitende Überalterung der Bevölkerung zurückzuführen sein. Zudem bekämen relativ viele Patienten magensäurereduzierende Medikamente verschrieben. So könnten mit der Nahrung aufgenommene Bakterien leichter überleben.

Der Vormarsch der Listerien wird aber vor allem auch durch Kühlschränke gefördert. Die Keime sind nämlich, im Gegensatz zu den meisten anderen krankheitserregenden Bakterien, in der Lage, sich bei niedrigen Temperaturen zu vermehren. Während die einzellige Konkurrenz bei wenigen Grad über null praktisch gelähmt ist, teilen sich Listerien und bilden sogar Kolonien. "Der Mensch hat für sie eine ökologische Nische geschaffen", meint Franz Allerberger von der Ages, der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Natürlich wachsen auch Listerien-Populationen bei höheren Temperaturen grundsätzlich schneller als in der Kälte, doch dann vermehren sich gleichzeitig auch viele andere Mikroorganismen, die Listerien das Leben schwer machen. "Ein klassischer Verdrängungskampf", so Allerberger. Die betroffenen Lebensmittel verderben, und die Menschen bleiben von Listeriose verschont.

Neben älteren und/oder immungeschwächten Personen sind schwangere Frauen eine weitere Risikogruppe für Listerien. Auch bei ihnen ist das Immunsystem nur eingeschränkt einsatzfähig, zum Schutz des Fötus, der sonst als Fremdkörper angegriffen würde. Listerien nützen das aus. Zwar bleibt die Mutter selbst meist von schwereren Schäden verschont, doch für das Kind kann eine Listerien-Invasion zum Verhängnis werden. Die Bakterien sind in der Lage, die Plazenta zu überwinden und den Embryo zu befallen. Tot- oder Frühgeburten sind oft die Folgen. In den meisten Fällen infizieren sich die Mütter in den letzten Wochen vor der Entbindung, der Nachwuchs erkrankt anschließend an einer Neugeborenenlisteriose. Glücklicherweise ist sie selten, 2010 wurden in Österreich erst zwei Fälle diagnostiziert.

Therapie-Optionen

Die Behandlung von schwerer Listeriose stellt Ärzte immer wieder vor Probleme. Die Bakterien sind empfindlich gegenüber Antibiotika (ausgenommen solchen der Cephalosporin-Gruppe), und Stämme mit erworbener Resistenz wurden bislang nur sehr vereinzelt gefunden. Aber oft erreicht eine Therapie mit Mitteln wie zum Beispiel dem Antibiotikum Amoxicillin trotzdem nicht die gewünschte Wirkung. Der Hintergrund: Listerien können sich in Körper- und Blutzellen des Patienten einnisten und sich in deren Innerem vermehren. Dort können ihnen Antibiotika nichts anhaben. Umso wichtiger ist die Früherkennung einer Listerieninfektion, um die Ansteckung anderer Personen durch ein befallenes Lebensmittel zu verhindern. Die Inkubationsdauer kann wenige Tage bis mehr als zwei Monaten betragen, in der Regel liegt sie bei drei Wochen.

Interessanterweise ist den Experten der Ages vor kurzem die Entdeckung einer neuen Listerien-Spezies gelungen. Kommerzielle Testsysteme hatten bei Salat von einem Landwirt aus der Nähe von Salzburg eine Listerien-Kontamination festgestellt. Doch es gab keine Krankheitsfälle. Handelte es sich etwa um einen Fehlalarm? Franz Allerberger und sein Team gingen der Sache auf den Grund. Sie isolierten die rätselhaften Bakterien und untersuchten anschließend unter anderem deren Erbgut. Die Ergebnisse zeigten: Es handelte sich um eine bis dahin unbekannte Art, die für den Menschen erfreulicherweise harmlos ist. Die Forscher tauften sie auf den Namen Listeria rocourtiae und gaben Entwarnung. "Es wäre unverantwortlich gewesen, dem Gemüsebauer einen größeren finanziellen Schaden zuzufügen", so Allerberger. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD Printausgabe, 30.08.2010)