Die Youngsters von der Groupe Grenade ...

Foto: Leo Ballani

... und die Tänzer aus der Erdbebenregion Sichuan mit demselben Thema: "Sacre du Printemps".

Foto: Festspielhaus

Zuerst mit der chinesischen Sichuan Modern Dance Company unter Heddy Maalem und danach in der Interpretation der französischen Compagnie Grenade.

Es ist eines der großen Tanzthemen der frühen Moderne: Le Sacre du Printemps, 1913 mit großem Skandal uraufgeführt von den Ballets Russes. Diese waren erst vier Jahre davor von dem alerten Impresario Serge Diaghilev gegründet worden und kamen in Paris groß heraus. Schon 1912 hatte die in St. Petersburg beheimatete Truppe mit L'après-midi d'un faune in der Choreografie von Vaclav Nijinsky für Aufregung gesorgt.

Im Vorjahr wurde das Hundert-Jahr-Gedenken an die Ballets Russes mit Ausstellungen und Aufführungen zelebriert. Diaghilev hatte es verstanden, seine Compagnie im kulturellen Gedächtnis dauerhaft zu verankern. Immer wieder wurden der Nachmittag eines Fauns und vor allem das Frühlingsopfer neu interpretiert, unter vielen anderen von Mary Wigman, Maurice Béjart und Pina Bausch bis hin zu Raimund Hoghe, Xavier Le Roy, Carlotta Ikeda und zuletzt in Österreich von Chris Haring mit dem Ballett von Monte Carlo.

Das Thema ist archaisch: Eine junge Frau wird zugunsten der Gemeinschaft geopfert – sie tanzt, bis sie aus Erschöpfung stirbt. Die berühmte Musik von Igor Strawinsky erscheint wie ein musikalisches Protokoll dieses Ablaufs.

Wer sich heute des Themas annimmt, arbeitet sozusagen zwischen dem berühmten Original von 1913 und der in den 1970er-Jahren entstandenen Version von Pina Bausch, zwischen der japanischen Sichtweise von Ikeda, die Sacre mit einer rein weiblich besetzten Tanzgruppe umsetzte, und dem zarten Männerduett von Hoghe, dessen Bezüge zu Bausch und zur japanischen Kultur bekannt sind. Die radikalste Fassung stammt von Xavier Le Roy, der sich auf die Choreografie des Dirigats der Strawinsky-Musik von Sir Simon Rattle beschränkt.

À la Grenade et Maalem

Das Festspielhaus St. Pölten zeigt zwei Interpretationen, die ebenfalls in Frankreich verankert sind: die der Choreografin Josette Baïz und ihrer Compagnie Grenade von 2007 und jene ihres Landsmanns Heddy Maalem aus dem Jubliäumsjahr 2009 mit Tänzern der chinesischen Sichuan Modern Dance Company. Baïz' sehr energetischer Sacre – zu sehen am 3. (19.30 Uhr) und 4. 12. (18.00 Uhr) – ist für sehr junge Tänzer zwischen 13 und 17 Jahren geschaffen und besteht aus drei Teilen, einer Hommage an William Forsythe, einem humorvollen Duett und dem Gruppenteil, in dem das Sacre-Thema aufgegriffen wird.

Und Heddy Maalem erarbeitete sein ursprünglich mit 14 afrikanischen Tänzern besetztes Le Sacre du Printemps (16. Oktober, 19.30 Uhr) mit den chinesischen Tänzern noch einmal neu: unter dem Eindruck des katastrophalen Erdbebens in der chinesischen Provinz Sichuan. Eine bewegende und kraftvolle Arbeit. (Helmut Ploebst, SPEZIAL/DER STANDARD – Printausgabe, 16. September 2010)