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Die künstlichen Zahnwurzeln aus Titan oder Zirkonoxid werden fest im Kieferknochen verwurzelt.

Foto:APA/Frank Leonhardt

Auch eine Variante: In der Generation unserer Großmütter wurden Zähne noch reihenweise gerissen. Ob gesund oder krank spielte dabei wenig Rolle. Eine herausnehmbare Totalprothese schien damals ein probater Ersatz für die eigenen Beisserchen. Der Gedanke dahinter: Betroffene könnten sich hinkünftig jegliche Zahnprobleme ersparen. Mitnichten, denn ein zahnloses Kiefer tendiert zu schrumpfen, was das Tragen einer Vollprothese langfristig erheblich erschwert. 

„Heute agiert man wesentlich zurückhaltender, die Zahnextraktion ist immer die letzte Option", erzählt Josef Piribauer, ärztlicher Leiter der Dentalklinik Margareten in Wien und ergänzt, dass das Produzieren vollkommen zahnloser Münder in der Vergangenheit vornehmlich das Werk von Dentisten war. Eine Berufsgruppe, die auch heute noch oft synonym mit der Bezeichnung Zahnarzt verwendet wird, in Österreich jedoch schon seit 1975 nicht mehr existiert. Das Können der Dentisten bewegte sich vornehmlich im Bereich der Zahntechnik, zahnmedizinisch ausgebildet waren sie nicht.

Fortschritt der Zahnmedizin

Zum Teil ist dieses rigorose Vorgehen in der Vergangenheit aber nachvollziehbar, denn die Voraussetzungen für den Erhalt der eigenen Zähne damals, sind mit heute nicht mehr vergleichbar. Moderne diagnostische Maßnahmen helfen Zahn- und Kiefererkrankungen früher zu erkennen und die Möglichkeiten in krankhafte Prozesse einzugreifen sind um vieles besser geworden. Diverse Füllungsmaterialien, Inlays und Kronen bieten sich nunmehr als zahnerhaltende Maßnahmen an. Die Zahnprävention ist zum fixen Bestandteil der Zahnmedizin geworden. Ein funktionstüchtiges und ästhetisches Gebiss ist in den westlichen Industrienationen ein gesellschaftliches Muss. 

Vermeidbar ist Zahnverlust allerdings auch heute nicht immer. Traumatische Ereignisse, entzündliche Prozesse oder Karies zeigen sich nach wie vor für zahlreiche Zahnlücken verantwortlich. Das Zahnimplantat beim kariesfreien Gebiss ist in der Einzelzahnversorgung für Piribauer heute die erste Wahl. „Auch als Halte-Fixierelement für Prothesen, Brücken oder Einzelzahnkronen ist der Vorteil unumstritten", weiß der Experte. Das Implantat steht dabei dem eigenen Zahn funktionell und ästhetisch um fast nichts mehr nach. Die künstlichen Zahnwurzeln aus Titan oder Zirkonoxid sind fest im Kieferknochen verwurzelt. Kauverlust und Probleme bei Sprach- und Lautbildung sind kein großes Thema mehr.

Die billige Lösung

Eine rasante Entwicklung und dennoch ist die konventionelle Zahnprothese nicht obsolet. Zum einen, weil für viele Menschen der mobile Zahnersatz der einzig leistbare ist, zum anderen ist die Prothese auch als Zwischenlösung nach dem Verlust von Zähnen eine sinnvolle Alternative. „Vor Implantationen ist meist ein Knochenaufbau erforderlich. Hier braucht man die Total- bzw. Teilprothese um den Patienten auch zwischenzeitlich Kaufunktion und Ästhetik zu geben", so Piribauer.

Ist die Compliance schlecht, ist die Zahnprothese immer die alleinige Option. „Zahnimplantate brauchen eine Wartung", betont der Wiener Zahnmediziner. Damit die High-Tech-Produkte auch langfristig halten was sie versprechen, bedarf es nicht weniger Pflege und Sorgfalt als es die eigenen Zähne erfordern. Konsequente Mundhygiene und regelmäßige Begutachtung durch den Zahnarzt sind deshalb zwingend. Ansonsten ist der Patient vor einer Periimplantitis (entzündlicher Prozess um das Implantat, Anm.Red.) und dem frühzeitigen Verlust der teuren Implantate nicht gefeit.

Mitarbeit ist jedoch auch bei den herausnehmbaren Dritten gefragt. Viele Patienten kämpfen mit Druckstellen und schlecht sitzenden Prothesen. Nachbearbeitungen und Anpassungen sind häufig erforderlich.

Rauchen erhöht das Verlustrisiko

Die Vorteile des fixen Zahnersatzes als Dauerlösung liegen also auf der Hand. Im Unterkiefer ganz besonders, denn hier bietet sich der Totalprothese im Vergleich zum Oberkiefer eine relativ kleine Auflagefläche. Saug- und Haftkraft sind reduziert - ein Problem, das sich in aller Regel auch mit einer Haftcreme nicht befriedigend lösen lässt. 

Die Implantologie, ein Teilgebiet der Zahlheilkunde mit unbegrenzten Möglichkeiten? Nahezu. In Amerika wird mancherorts Rauchern der künstliche Zahnersatz generell verweigert. Piribauer agiert hier weniger kategorisch, bestätigt aber, dass das Verlustrisiko der Implantate unter Rauchern höher ist.

„Bestimmte Medikamente, wie die Einnahme von Bisphosphonaten sind eine relative Kontraindikation für die Implantation", weiß der Zahnexperte. Die Einheilung der Implantate wird durch diese Osteoporosepräparate verzögert, das Risiko eine Kieferknochennekrose zu entwickeln ist deutlich erhöht.

Doch nicht nur Bisphosphonate sind problematisch, auch Knochenerkrankungen und Wundheilungsstörungen können zum Verlust von Implantaten führen. Eine ausführliche Anamnese ist daher neben der Sanierung und professionellen Reinigung des Gebisses die Voraussetzung, um optimale Bedingungen für das zukünftige Implantat zu schaffen. (derStandard.at, 28.09.2010)