Fable III (Lionhead/Microsoft) ist für Xbox 360 erschienen, eine Version für PC folgt 2011

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Fallout: New Vegas (Bethesda Softworks) ist für PC, PS3, Xbox 360 erschienen

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Arcania: Gothic 4 (JoWood/Spellbound) ist für PC, Xbox 360 erschienen

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Die Nächte werden wieder länger und draußen wird es kälter: Es ist die beste Zeit des Jahres, sich in fantasievolle Welten und epische Geschichten zu flüchten. Nach "Final Fantasy XIII" (März 2010; PS3, Xbox 360) sind rechtzeitig zum Beginn des Winters mit "Arcania: Gothic 4", "Fable III" und "Fallout: New Vegas" die drei letzten großen Rollenspiel-Hits des laufenden Jahres für PC und Konsole eingetroffen.

Fable III (Xbox 360, Anfang 2011 für PC)

Der Gram über nicht gehaltene Versprechen und zu hoch gesteckte Erwartungen bei Seite geschoben: Entwickler-Legende Peter Molyneux mag mit seinen hochtrabenden Ankündigungen der kleine Pinocchio der Videospielbranche sein, seine nicht ganz so brillanten wie erhofften Werke hatten dennoch allesamt etwas Besonderes. All dies gilt auch für die Rollenspielserie "Fable", die Genre-verschmelzend Designelemente aus MMO und Action-Adventure in einem fabelhaften, lebenden Mikrokosmos namens "Albion" zusammenträgt und Spieler als aufstrebende Helden die Konsequenzen von guten und bösen Taten vor Augen führt.

Fünf Jahrzehnte nach den Ereignissen des vorangegangenen Abenteuers wird man in "Fable III" anfangs vor die Wahl gestellt, ob man Prinz oder Prinzessin von Albion sein möchte. Die Industrialisierung hat das Volk erfasst und der ältere Bruder Logan herrscht mit eiserner Hand über die unterdrückten Bürger. Damit liegt es am Protagonisten, die Menschen für sich zu gewinnen, eine Revolution zu starten, schlussendlich selbst zu regieren und das vermeintliche Unheil abzuwenden. Folgt man streng dem Handlungsstrang, lässt sich diese Mammutaufgabe recht zügig in rund zehn Stunden erledigen, doch wer es eilig hat, verpasst viel von dem, was den eigentlichen Werdegang ausmacht. Abseits der Karrierelaufbahn lädt nicht nur die bunte Welt zum Abdriften ein, auch fast jeder Mitmensch hält die eine oder andere Bitte und Herausforderung bereit. In hunderten Quests vertreibt man Bösewichte, findet Schätze und schließt für die Zukunft wichtige Bündnisse. Man baut seine Fähigkeiten aus und füllt die eigene Schatzkammer auf, in dem man etwa in Immobilien investiert und bereitet sich für den finalen Akt vor: Die Thronfolge. Was in den bisherigen Teilen der Alterungsprozess war, ist diesmal der stetige Zugewinn von Macht. Hat man einmal selbst das Zepter in der Hand, gilt es Entscheidungen zu treffen, die das Leben der Bürger gravierend beeinflussen. Einst geknüpfte Freundschaften oder verärgerte Feinde melden sich zurück und um seine Ziele zu erfüllen, gilt es abzuwägen, welche guten Versprechen man einlösen sollte und in welchen Fällen man die Peitsche sprechen lassen will. Das schöne daran: Man muss derartige Entscheidungen nicht zwangsläufig alleine treffen. Nach einem belanglosen kooperativen Modus in "Fable II", darf man in "Fable III" nun endlich auch zu zweit erobern regieren, als wäre der menschliche Komplize ein Teil der Story. Dies schließt familiäre Ereignisse wie die Hochzeit, Kinder und natürlich Geschäftsvereinbarungen mit ein.

Das Aufgabenfeld ist abwechslungsreich und die Inszenierung dank Bilderbuch-Kulissen, astreiner Vertonung und trotz hölzerner Animationen stimmungsvoll. Geübten Spielern werden die Kämpfe (kein verstellbarer Schwierigkeitsgrad) viel zu leicht sein und der Haupthandlungsstrang hätte länger sein können. Moralisch ist das Spiel mit der Macht durchaus zweifelhaft. Denn wer keine Gnade walten lässt, hat es bei "Fable III" als Herrscher weitaus einfacher.

Fallout: New Vegas (PC, PS3, Xbox 360)

2281, die Stadt der Sünden ist wie der Rest der USA vom Atomkrieg im Jahr 2077 gezeichnet. Anders als das Washington aus "Fallout 3" wurde Las Vegas aber nur verseucht und nicht zerstört. Wer überleben wollte, musste wohl dennoch einige Zeit in einem Bunker ausharren. New Vegas ist die nukleare Interpretation Nevadas Glücksspielstadt. Der Dollar rollt, Prostituierte zieren die Bordsteine und rivalisierende Banden liefern sich das übliche bleihaltige Techtelmechtel. Die Armee des ominösen Mr. House, eine Bande namens Caesars Legion und die New California Republic (bekannt aus "Fallout 2"= kämpfen vor allem um die Kontrolle des energiebringenden Hoover Dam.

Der Spieler schlüpft in die Rolle eines glücklosen Kuriers, der zu Beginn gleich eine Kugel in den Kopf gejagt bekommt. Wiederbelebt und (nach Belieben des Spielers) charakterisiert von einem freundlichen Doktor und macht man sich in Mitten der Mojave Wüste mit Mutantenfähigkeiten und ausbaubarer Bewaffnung auf die Spur seines Mörders und gerät dabei in den heillosen Konflikt der kleinen und größeren Fraktionen. Wer "Fallout 3" kennt, wird sich sofort zuhause fühlen. Das liegt nicht nur an der Ähnlichkeit der beiden Ödlander außerhalb der Städte, sondern auch am bekannt tiefgehenden Spieldesign. Wie man mit welchem schrägen Charakter interagiert, steht einem offen, nur muss man damit rechnen, dass geschlossene Bündnisse oder provozierte Fehden eines Tages den roten Faden durchkreuzen. Und in den meisten Fällen ist die Interaktion alles andere als jugendfrei: Brutalität und Prostitution lassen grüßen. Dank etlicher Entwicklungszweige darf man stunden an seiner Reputation oder seinem Karma schmieden. Wer mehr Herausforderung bei den Duellen sucht, darf wie zuvor schon in den Hardcore-Modus wechseln und sollte sich dann aber für jeden Kampf eine ausgefeilte Strategie zurechtlegen.

Die Illusion des postapokalyptischen Las Vegas gefällt mit der Grenzenlosigkeit einer mutierten Welt. Wer bereit ist, viel Zeit zu investieren, wird mit einer vereinnahmenden Fiktion belohnt - so wie es bei einem guten Rollenspiel sein sollte. Dabei ist "Fallout: New Vegas" leider das Alter und die Schwächen der dahinterstehenden Technologie schon deutlich anzusehen. Würde sich die Kritik bloß auf verwaschene Texturen und kantige Gesichter beziehen, wäre dies noch unter den Teppich zu kehren. Unübersehbar sind die zahlreichen und massiven Bugs, die den Spielfluss des öfter zum Stocken bringen. Patches sind in Sicht.

Arcania: Gothic 4 (PC, Xbox 360)

Ein namenloser Schafshirte wird zum Rächer seiner ermordeten Verlobten und seines niedergebrannten Dorfes, als die Truppen von König Rhobar III bei ihrem Feldzug zur Unterjochung der Insel Argaan Angst und Schrecken über das Land bringen. Die Geschichte des vierten Teils der Gothic-Serie verschränkt sich auf durchaus interessante Weise mit der Erzählung der Vorgänger, ist der diesjährige Bösewicht doch der einstige Held gewesen. Ein göttlicher Amboss in einem verschollenen Tempel wird für Opfer und Täter gleichermaßen zur Waffe der Begierde.

Mit "Arcania: Gothic 4" hat das neue Entwicklerstudio Spellbound nach den ersten drei Werken von Pirhana Bytes sichtlich versucht, frischen Wind in die Rollenspielserie zu bringen. Die Fantasiewelt trägt die Handschrift detailverliebter Grafikzauberer. Licht und Schatten durchdringen märchenhafte Wälder mit greifbarer Atmosphäre. Die großen technischen Mängel, die der Serie ein ums andere Mal einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, wurden jedenfalls nicht wiederholt. Aber auch spielerisch hat sich einiges getan. Anstatt die alten Stärken genauer zu definieren und zu polieren, haben sich die Entwickler dazu entschlossen, das Universum von Gothic zugänglicher zu machen. Das Ergebnis kann als ein etwas tiefer gehenderes Hack&Slay bezeichnet werden - klassische Rollenspielfans dürften enttäuscht werden.

Wenngleich die Vereinfachung des Gameplays als marktorientierte Entscheidung akzeptiert werden kann, ist die Eintönigkeit der Aufgaben nicht zu verzeihen. Unzählige Male wird man vom eigentlichen Pfad abgelenkt, um irgendeinem Wegkreuzenden einen Gefallen zu tun. Finde dies, finde das und besorge mir bitte meinen verlorenen Hut aus dem Wald. Die Story wird mit immer den gleichen öden Quests künstlich in die Länge gezogen und oft fragt man sich, weshalb man überhaupt seine Künste als Schwertkämpfer, Bogenschütze oder Magier zur Übermenschlichkeit ausbaut, wenn es am Ende des Tages nur darum geht, einen weiteren belanglosen Gegenstand zu sammeln. "Arcania: Gothic 4" hätte der Neubeginn einer von Fans geliebten Serie werden können, das Ergebnis sorgt jedoch mehr für Ärgernis als Versöhnung. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 1.11.2010)