Nicht im geringsten variiert, sondern kopiert sind Mel Ramos Bunnies: "Valvoleena" ...

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 ... und "Miss January 1965" aus dem Playboy, Sally Duberson.

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Mel Ramos in der Albertina vor "Pha - White Goddess", welche wohl nicht zufällig  an Hollywoodstar Jane Russell erinnert

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Sigrid Ruby ist Kunsthistorikerin an der Universität Gießen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. amerikanische Kunst nach 1945 und Gender Studies.

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Mit Sigrid Ruby sprachen Anne Katrin Feßler und Andrea Heinz.

Wien - Mel Ramos ebenso glatte wie berühmte Pin-Up Bilder sind ironisierend, sagen die einen und vermarkten damit das wenig variierende Oeuvre des letzten lebenden Pop-Art-Künstlers sehr gut. Andere halten die Arbeiten für flach und sexistisch. Die Albertina widmet Ramos zwar eine Ausstellung, lud aber Sigrid Ruby ein, eine kritische, feministische Perspektive einzunehmen.

Standard: Worin bestand für eine Kunsthistorikerin mit feministischem Schwerpunkt der Reiz, sich mit Mel Ramos zu beschäftigen?

Ruby: Es sind solch' offensichtliche Sexualisierungen von Frauen, so banal, dass Männer sagen: Habt euch doch nicht so. Es war eine Herausforderung, mich mit dieser schwierigen Banalität, diesen nicht explizit brutalen oder pornografischen Bildern zu beschäftigen. Und so blöd es sich anhört, hat es mich gereizt, die wenig untersuchte Pin-Up-Kultur zu betrachten, die viel über das Frauenideal der jeweiligen Zeit aussagt.

Standard: Sie haben in den "Playboy"-Magazinen direkte Vorlagen für die Ramos-Damen gefunden. Wieso hat diese Vergleiche bisher niemand getroffen?

Ruby: Zum Teil vermutlich aus Faulheit. Man war sich wohl auch zu fein, in die entsprechenden Quellen zu schauen. Es gibt keine gute Forschung ... Es gibt eigentlich gar keine Forschung zu Mel Ramos, keine Werkanalyse. Es heißt immer nur Persiflage, Persiflage. Aber ich frage mich, was bedeutet das? Und wie sieht die feministische Perspektive aus?

Standard: Der männliche Blickwinkel ist ja offensichtlich...

Ruby: Genau. Es gibt da ein gewisses Blickkartell: Der Playboy richtet sich an eine exklusiv männliche Klientel. Die Playmates waren für eine gewisse Zeit Celebrities, man hat sie sicherlich wiedererkannt. Es war bestimmt eine, nicht unbedingt bewusste Genugtuung sie in der Hochkunst wiederzusehen. Die Betrachter genossen diese Sublimierung und bildeten eine augenzwinkernde Gemeinschaft mit dem Künstler.

Standard: Sind die Frauen bei Ramos eigentlich noch Individuen oder nur mehr Projektionsflächen?

Ruby: Im Playboy sind sie noch Individuen mit einem Namen und einer Biografie. Ramos nimmt ihnen die Individualität wieder. Faktisch sind es bei ihm nur Oberflächen, die reproduziert werden. Begehren wird häufig definiert als Kluft zwischen dem Bild und dem worauf es verweist, in diesem Fall also die Diskrepanz zwischen dem Bild der Frau und ihr selbst. Das heißt diese idealisierten, glatten Körper, die Lebendig- und Natürlichkeit verloren haben, heizen das Begehren zusätzlich an.

Standard: Ramos' Frauen sind so makellos wie die Produkte der Werbung. Er selbst sagt ja, nur die mit Makeln behafteten Frauen, hätten Probleme mit seiner Arbeit. Machen solche Aussagen seine angeblichen "Persiflagen der Werbung" nicht völlig unglaubwürdig?

Ruby: Ach, die Künstler geben meist nur Plattitüden von sich. Ramos behauptet gerne, seine Frau wäre Modell gewesen. Dieser Topos wird seit der frühen Neuzeit von Künstlern kolportiert: Die Liebe zur Frau führe dazu, dass man einen idealschönen Körper auf die Leinwand bannt. Das ist eine Form von Beschwichtigungsdiskurs.

Standard: Wie sieht Ramos' Frauenbild aus?

Ruby: Es gibt keinerlei Brechung des Stereotypen und Makellosen, keinerlei Ambivalenz, keine Zuwiderhandlung, dadurch verschwindet der Subjektstatus der Frau. Es sind schablonenhafte Fertigprodukte, mehr oder minder genaue Kopien fotografierter Pin-Ups, die er seit den 1960er-Jahren nicht variiert. Die Produkte und der Frauentyp ändern sich, aber die Masche ist die Gleiche. Besonders perfide finde ich, dass Ramos im Galeriebereich weit erfolgreicher ist als im musealen oder im kunsthistorischen Bereich, weil er unter dem Deckmäntelchen der Persiflage wieder so eine Sex-Sells-Marke etabliert hat. Man kauft das, es ist ein Original Mel Ramos und damit irgendwie etabliert, aber man könnte ebenso gut eine beliebige Reproduktion kaufen. Für die männliche Klientel würde das genauso gut funktionieren.

Standard: Ist der Blick auf jüngere Werke von Ramos für die Bewertung von Mel Ramos aufschlussreich? Wie sehen sie seine Kampagne für den Schweizer Bekleidungshersteller Strellson (Anm.: Sponsor der Albertina Ausstellung)?

Ruby: Ich glaube, dass hier beide Seiten voneinander profitieren. Strellson macht eine Werbekampagne, Ramos macht zwei Bilder dafür. Auf dem einen Bild sieht man das Logo von Strellson, ein schwarzes Kreuz auf weißem, kreisförmigen Grund: Cameron Diaz legt sich in diese Kurve. Das zweite Motiv, "Steffi Strellson", zeigt eine Pose, die man aus dem Playboy kennt. Es sieht so aus, als würde die Frau etwas in ein Regal legen. Im Hinblick auf das Verkaufspersonal bei Strellson bekommt diese Werbung für mich eine eher problematische und sexistische Note. Strellson rühmt sich damit, dass sie den letzten lebenden Pop-Art-Künstler für diese Kampagne gewinnen konnten, also muss Mel Ramos natürlich das machen, was er immer macht. Aber auch er profitiert davon - ich will nicht wissen, was er dafür gekriegt hat. Da heißt es sonst immer, er würde Werbung persiflieren, die mit Sex Sells-Strategien arbeitet und letzten Endes macht er genau dasselbe.

Standard: Glaubt man Ramos, so haben seine Werke keinerlei kritisches Potential, sind lediglich Abbildungen des Status Quo. Ist es am Ende der Kunstbetrieb, der Ramos' Arbeiten kritische Inhalte attestiert, um den Verwertungskreislauf am Laufen zu halten?

Ruby: Die Frage müsste man sich eigentlich für die gesamte Pop-Art stellen. Eigentlich sind sie ja alle affirmativ, neutral, unkritisch. Wir aber haben das Bedürfnis, sie als kritisch anzusehen. Natürlich ist das auch eine Strategie, um die Werke ins Museum zu bringen und ihren Marktwert zu halten. Gleichzeitig ist das die Stärke dieser Kunst schnelle Vereinnahmungen zu verhindern und sich nicht der politischen Linken oder der Konsumkritik zuordnen zu lassen. Es ist eine gewisse Rechtfertigungsstrategie, ihnen kritische Inhalte zu unterstellen. Wahrscheinlich hat Ramos völlig Recht wenn er sagt, dass er niemals auch nur einen Funken Kritik beabsichtigt hat.

Standard: Ramos Arbeiten haben sich kaum verändert seit den 1960er-Jahren. Was rechtfertigt, dass man sie sich heute noch anschaut?

Ruby: Ich glaub schon, dass sie für die 60er Jahre einen wichtigen Beitrag zur Emporhebung dieses profanen Bildmaterials zur Hochkunst leisten. Sie gehören einfach zur PopArt, bereichern ihr Spektrums. Aber es läuft sich dann einfach tot, es ist nicht mehr interessant.

Standard: Es wurde gesagt, die Darstellungen von Frauen mit Affen, Löwen würden eindeutig die Männer karikieren. Sind Frauen und gefährliche Tiere nicht auch ein sehr sexistisches Motiv?

Ruby: Es ist naiv zu glauben, das wäre ironisch. Es ist nicht abwegig, hier weniger ein Identifikationsangebot als vielmehr ein voyeuristisches pornografisches Motiv zu sehen. Es geht mir grundsätzlich nicht darum, Ramos' Werk als moralisch verwerflich zu disqualifizieren. Seine Arbeit bedient jedoch eine konventionelle hetero-männliche Schaulust. Mir liegt daran, dass Frauen ihr Unbehagen damit äußern dürfen oder auch ihr Desinteresse, ohne gleich die lila Latzhose verpasst zu bekommen.  (DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2011, Langfassung)