Bild nicht mehr verfügbar.

Einweg oder Mehrweg, Glas oder Kunststoff - wie Getränke am besten verpackt werden, darüber wird hitzig gestritten.

Foto: Reuters

Einweg- oder Mehrwegsysteme, Glas oder Kunststoff? Diese Fragen werden in Österreich, wie vergangene Woche berichtet, seit längerer Zeit ausschließlich dem Handel überantwortet. Die Diskussion darüber wird einigermaßen hitzig geführt, eine Studie soll nun mit wissenschaftlich abgesichertem Datenmaterial zur Versachlichung beitragen.

Im Auftrag der Altstoff Recycling Austria (ARA), des Umweltministeriums und des Fachverbands der Nahrungs- und Genussmittelindustrie verglich das renommierte deutsche IFEU-Institut mit Sitz in Heidelberg nun die Vor- und Nachteile von PET-Einweg-, PET-Mehrweg- und Glas-Mehrwegflaschen unter besonderer Berücksichtigung der Gegebenheiten auf dem österreichischen Markt.

PET-Mehrweg "hypothetisch" bestes System

Die wichtigsten Ergebnisse: Das beste ökobilanzielle Profil weist die 1,5-Liter-PET-Mehrwegflasche auf. Diese Verpackung vereine den Vorteil des geringen Gewichts der PET-Einwegflasche mit dem Vorteil der Glas-Mehrwegflasche: die mehrfache Nutzung und damit geringen Herstellungs- und Entsorgungslasten. Dicker Wermutstropfen: Die PET-Mehrwegflasche gibt es im österreichischen Handel gar nicht mehr, sie wurde für die Studie daher als "hypothetisches" Verpackungssystem bilanziert.

Der Vergleich zwischen PET-Einweg und Glas-Mehrweg zeige vor dem Hintergrund der österreichischen Marktgegebenheiten derzeit praktisch keine Unterschiede, was die Experten des IFEU-Instituts vor allem mit dem hohen Recyclingniveau einschließlich der Bottle-to-bottle-Verwertung der Kunststoffflaschen begründen. Laut Studie werden 82 Prozent der in Österreich verkauften 1,5- und 2,0-Liter-PET-Einwegflaschen zur Verwertung erfasst, mehr als 75 Prozent einer stofflichen Verwertung zugeführt. Optimierungspotenzial zeige sich beim Flaschengewicht sowie beim verwendeten Anteil von PET-Recyclat für die Wiederherstellung der PET-Einwegflaschen (derzeit max. 35-40 Prozent, Anm.).

Glas-Mehrweg im regionalen Vertrieb besser als PET-Einweg

Im regionalen Vertrieb (bis zu 60 km) und mit einer angenommenen Zahl von 30 Umläufen schneidet die Glas-Mehrwegflasche allerdings immer noch besser ab als PET-Einweg, geht aus der Studie weiter hervor. Dieser ökobilanzielle Vergleich wurde nur für Mineralwässer eigens erhoben, lasse sich aber auch auf Limonaden übertragen, so die Studienautoren.

Nachteilig für die Ökobilanz von Glas-Mehrwegflaschen ist wiederum die Distribution, "weil sich durch die Notwendigkeit einer Hin- und Rückfahrtlogistik im Vergleich mit den PET-Einwegsystemen längere Fahrtstrecken ergeben." Außerdem führe die Reinigung der Flaschen und Kisten beim Glas-Mehrwegsystem im Vergleich mit PET-Einweg zu einer höheren Umweltbelastung bei der Abfüllung.

"Ausgeglichenes Bild"

ARA-Vorstand Werner Knausz hebt in einer Aussendung das "ausgeglichene Bild" hervor, das zwischen Einweg-Kunststoffflasche und Glas-Mehrwegflasche heute bestehe, "während es in den 90er-Jahren noch markante Unterschiede gab". Getrennte Sammlung und Recycling hätten die Ökobilanz von PET-Getränkeflaschen mittlerweile entscheidend verbessert.

Für Alfred Hudler, Obmann des österreichischen Getränkeverbands, untermauert die Studie, "dass Ökobilanzen sehr differenziert zu betrachten sind und Mehrweggebinde nicht unbedingt vorteilhafter sein müssen als Einweggebinde".

Für die Studie wurden folgende Verpackungssysteme untersucht: 1-Liter-GlasMehrwegflaschen für Mineralwasser und Limonade; 1,5-Liter-PET-Einwegflasche für Mineralwasser; 1,5-Liter- und 2,0-Liter-PET-Einwegflaschen für Limonade; 1,5-Liter-PET-Mehrwegflasche für Mineralwasser und Limonade. Seitens des IFEU-Instituts weist man darauf hin, dass die Studienergebnisse nur für die untersuchten Verpackungssysteme gelten und nicht ohne weiteres für den Vergleich Einweg/Mehrweg im Allgemeinen herangezogen werden sollten. Nicht berücksichtigt wurden ferner "Aspekte des Nachfrageverhaltens, der Akzeptanz einzelner Verpackungssysteme durch KonsumentInnen oder betriebswirtschaftliche Effekte".

AK-Experte Hochreiter: "Faire Chance für Mehrweg"

Der Umweltexperte der Arbeiterkammer (AK), Werner Hochreiter, hält in einer Aussendung fest: "Die Studie weist die Plastik-Mehrwegflasche als die eindeutig beste Variante aus. Die Wirtschaft nimmt aber derzeit nur Optimierungen für die Einwegflaschen vor." Die Mehrweg-Flasche müsse in Österreich wieder eine faire Chance bekommen, "die Konsumenten haben heute oft kaum eine Wahl, sich für die Umweltfreundliche Mehrweg-Verpackung zu entscheiden". Für ihn ist das vom Handel heftig bekämpfte "Ökobonus-Modell" nach wie vor nicht vom Tisch: "Wir wünschen uns vom Handel, dass er Mehrweggetränkeverpackungen endlich eine faire Chance einräumt und damit seinen Beitrag zum Abbau von Plastik-Müllbergen leistet."

Die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner zieht Vergleiche zum gerade ebenfalls heiß diskutierten "Plastiksackerl-Verbot". Dort rede sich der Handel auf die Konsumenten und deren Wahlfreiheit
hinaus, in der Frage von Mehrwegflaschen verhindere der Handel aber genau diese Wahlfreiheit und biete fast nur noch Einwegflaschen an. "Wenn es um Wahlfreiheit geht, ist es Zeit, dass der gesetzeswidrige Zustand in Österreich beendet wird und es wieder verbindliche Mehrwegquoten gibt. Da muss auch Landwirtschaftsminister Berlakovich endlich handeln", fordert Brunner.

Scharfe Kritik von SPÖ und Greenpeace

Kritik an der Studie kommt von SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr. "Nach einem ersten Blick auf die Zusammenfassung sticht ins Auge, dass darauf verzichtet wurde, für Vergleichbarkeit zu sorgen", so die Abgeordnete am Freitag via SPÖ-Pressedienst. Bei der Bewertung von Verpackungen seien eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen: "Rohstoffeinsatz und Energie in der Produktion ebenso wie Säuberung und Transportwege. Auch der Arbeitsplatzeffekt, der durch kleine, regionale Getränkeerzeuger und -abfüller entsteht, ist von großer Bedeutung." Laut Experten-Schätzungen werden durch Mehrwegabfüller etwa 6.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert, so Bayr, die auch die Nichtberücksichtigung von Dosen in der Studie kritisiert: "Diese stellen jedoch nach wie vor ein großes Problem beim Littering, also dem Verschmutzen der Umwelt mit Getränken- und sonstigen Verpackungen dar", so Bayr. Das Ausklammern von Dosen spreche nicht für die umfassende Sicht der Studie auf das Getränkeverpackungsproblem und lasse auch Zweifel an den Interessen der Aufraggeber aufkommen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace übt ebenfalls scharfe Kritik an der Studie. Greenpeace bemängelt sowohl Umfang als auch die gewählten Parameter. So wurden ausschließlich kohlensäurehältige Erfrischungsgetränke und Mineralwasser untersucht, gängige Verpackungsarten nicht berücksichtigt und unnachvollziehbare Vergleiche angestellt. "Es ist wenig überraschend, um nicht zu sagen kafkaesk, dass eine Studie, die von der Getränke-Industrie bezahlt wurde, deren einzementierte politische Positionen bestätigt", so Konsumentensprecherin Claudia Sprinz. Sie weist darauf hin, dass es im Lebensmitteleinzelhandel eine "deutlich größere Vielfalt" an Verpackungen gebe, als die für die Studie herangezogenen, und kritisiert konkret, dass etwa Bierflaschen gar keine Berücksichtigung fanden. "Gängige Verpackungen wie die 0,7-Liter-Glas-Mehrwegflasche, die 1-Liter-PET-Mehrwegflasche, die 1-Liter-Zweiwegflasche sowie die 0,75-Liter-Glas-Einwegflasche werden in der Studie komplett ignoriert." Außen vor gelassen wurden außerdem die bei Erfrischungsgetränken üblichen 0,5-Liter-PET-Einwegflaschen sowie 0,5-Liter-Dosen.

"umweltberatung": Bahn-Transport "vergessen"

Auch für "die umweltberatung" beruhen die Studienergebnisse zum Teil auf "äußerst fragwürdigen Annahmen". "So wurde beispielsweise bei der Berechnung der Umweltbelastungen aus dem Transport offenbar einfach vergessen, dass dieser bereits zu einem beachtlichen Teil über die Schiene erfolgt", erklärt Elmar Schwarzlmüller, Experte für Ressourcenschonung. "Marktführer Vöslauer beispielsweise gibt an, bereits 28 Prozent der Transporte mit der Bahn durchzuführen, Römerquelle und Coca Cola beliefern Westösterreich nach eigenen Angaben ausschließlich mit der Bahn. Trotzdem wurden in der aktuellen Ökobilanz alle Transporte als LKW-Fahrten gerechnet." Dadurch würden die Umweltbelastungen aus dem Transportbereich klar überschätzt. "Gerade dieser Bereich ist es jedoch, der für die Ergebnisse der Studie bei den Glas-Mehrwegflaschen ausschlaggebend ist", so Schwarzlmüller.

Auch andere Annahmen der Studie kritisiert der Experte, etwa jene, dass Glasflaschen nur 30 mal wiederverwendet werden könnten. "Zum Vergleich: Glas-Mehrwegflaschen der Gesellschaft Deutscher Brunnen werden im Schnitt 40 mal wiederbefüllt." Grundsätzlich lasse die Studie keinesfalls auf eine allgemeine ökologische Gleichwertigkeit von Mehrweg und Einweg schließen. 'Die Ergebnisse sind wesentlich dadurch bestimmt, dass man Flaschen unterschiedlicher Größe verglichen hat." Ein großes Manko wurde durch die Studie aber jedenfalls sichtbar, so Schwarzlmüller: "PET-Mehrwegflaschen schneiden mit Abstand am besten ab - eine Verpackung die derzeit in Österreich leider nicht am Markt ist. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf."

Handel lehnt Quoten-Regelung ab

Das "Ökobonusmodell" wurde, wie berichtet, im vergangenen Jahr im Auftrag des Umweltministeriums entwickelt. Es sollte den Anteil der Mehrwegflaschen wieder in die Nähe des Niveaus der 90er-Jahre heben. Ein wichtiger Partner dabei, der Handel, lehnt das Modell aber vollkommen ab. Das diskutierte Modell "wäre gegen jegliches Kundenverhalten. Der Konsument lässt sich nicht zwingen", sagte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann vergangene Woche zur APA. Auch das Dosenpfand in Deutschland habe nichts gebracht. Vor allem bei Mineralwasser und anderen alkoholfreien Getränken bevorzugten die Kunden aus Bequemlichkeitsgründen Einweggebinde, meinte auch Rewe-Sprecherin Corinna Tinkler.

Wenig gesprächsbereit zeigen sich auch die Diskonter. Das Management von Lidl Austria wolle derzeit zu der Causa nicht Stellung nehmen, hieß es auf Anfrage von derStandard.at. Eine entsprechende Anfrage an Hofer blieb bisher unbeantwortet. (Martin Putschögl, derStandard.at, 18.2.2011)