Verblüffend finden so manche Touristen Österreichs Ladenöffnung. Der freie Sonntag entzweit den Handel.

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Kleine Händler sehen sich mit einer Sieben-Tage-Woche überfordert, Angestellte pfeifen auf die Zuschläge.

Wien – Drei junge Briten suchen in Wien das Einkaufsglück. Von einem Richard Lugner habe er noch nie was gehört, meint der eine und legt den Stadtplan beiseite. Dass es Debatten rund ums Shoppen an Sonntagen gebe, habe er sich aber fast gedacht. Erstaunlich sei das in Österreich an den Feiertagen: Man habe gewusst, dass Religion hochgehalten werde, fügen die beiden anderen nachsichtig lächelnd hinzu. Aber mit einer derart toten Hose in den Geschäftsstraßen hätten sie dann doch nicht gerechnet. "Verblüffend, wirklich verblüffend."

"Souvenirs gibt es an jeder Ecke"

Eine Gasse weiter diktiert eine Fremdenführerin polnische Touristen durch das Gewühl des Wiener Grabens. Stress ins Gesicht geschrieben, hält sie kurz inne. Von sonntäglichem Shoppen halte sie gar nichts, stellt sie gleich einmal klar. Auch wenn in Polen die Geschäfte sieben Tage die Woche offen hielten. Dort sei die Euphorie mittlerweile der Ernüchterung gewichen. In Wien habe sich noch keiner ihrer Gäste über geschlossene Läden beklagt. "Die wollen vor allem Souvenirs, und die gibt es sowieso täglich an jeder Ecke."

Wiens Innenstadt geht am Freitag Vormittag vor Touristen förmlich über – glaubt man kleinen Geschäftstreibenden, sitzt ihnen das Geld aber nicht wirklich locker, und daran ändere auch Shoppen am Sonntag wenig. Möge der Einkaufscenterbetreiber Lugner noch so an der Ladenöffnung rütteln.

"Lugner glaubt, er findet Dumme"

Der Herr möge sich doch bitteschön selbst sonntags ins Geschäft stellen, rät Christine Steiner, Floristin in der Herrengasse. Seit gut dreißig Jahren schon arbeite sie im Verkauf und scheue keine Überstunden. Der reine Menschenverstand aber sage ihr, dass sich das Aufsperren am Feiertage für kleine Händler nicht rechne. Nicht, dass sie es nicht probiert habe mit längeren Öffnungszeiten. Unterm Strich seien die Kosten aber höher als die Umsätze. Vom Familienleben nicht zu reden, wo mit Arbeit am Sonntag eine jahrzehntelange Ehe in Brüche gehen könne.

Bei ihrer Nachbarin Inge Eisenhut stößt sie damit auf offene Ohren. Sie sei seit 35 Jahren Modistin. Angestellte könne sie sich keine leisten und vor acht Uhr abends komme sie nie heim. Es übersteige ihre Kräfte, auch noch sonntags arbeiten zu müssen. Zumal keiner deswegen mehr ausgebe. "Ein Angorahäubchen nur habe ich einstens an einem Feiertag verkauft." Dass Lugner um jeden Cent kämpfe, liegt für sie auf der Hand. "Er glaubt aber, er findet Dumme, die praktisch für nichts arbeiten."

Es gebe immer ein paar Kluge, die glaubten, sie hätten das Rezept zum Reichwerden gefunden, sagt Gerd John. Der alljährliche Sonntagsdiskurs löst beim Inhaber von Loden Plankl nur noch Kopfschütteln aus. Völlig sinnlos seien offene Geschäfte an Feiertagen, an der bestehenden Regelung werde sich daher auch künftig nichts ändern.

"Lebensnotwendig ist das nicht"

Franz Fischmeister, Juniorchef der Gold- und Silberschmiede am Kohlmarkt, sieht die Wiener nicht im Hintertreffen. Auch international hielten sich Juweliere und Luxuslabels zumeist an Sechs-Tage-Wochen. "Wer Geld hat, verbringt Wochenenden mit der Familie."

Sie als Trafikantin dürfe sonntags offenhalten, aber sie habe davor Angst und wehre sich dagegen mit Händen und Füßen, sagt Maria Mohilla, die am Kohlmarkt Tabakspezialitäten verkauft – "dann stehe ich täglich im Geschäft." Angestellte kosteten aufgrund der Zuschläge zu viel, letztlich bedeute es den Tod der Fachhändler.

Der Verkäufer eines Souvenirladens hat sich mit der Arbeit am Sonntag nicht wirklich angefreundet. "Sind's mir nicht bös, aber lebensnotwendig für den Shop ist das nicht", meint er versteckt hinter Postkarten und Häferln. Dass Urlauber wegen geschlossener Läden früher abreisten, glaubt auch Brigitte Huber, Geschäftsführerin einer Boutique am Graben, nicht.

Angestellte großer internationaler Textilketten in der Innenstadt halten ihre Namen, nicht aber ihre Meinung hinterm Berg. "Das zusätzliche Geld ist mir egal", sagt eine der Verkäuferinnen unter zustimmendem Nicken der Kollegen. "Ich habe Familie und brauch den freien Tag. Selbst wenn sie mir das Doppelte dafür zahlen." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.6.2011)