München - Forschern ist es erstmals gelungen, mit Labormessungen die Schwankungen der Erdachse zu bestimmen, wie die Technische Universität München berichtet. Bislang musste im Umweg über die Ausrichtung zu Fixpunkten im All indirekt auf die "Wanderungen" der Achse geschlossen werden. Die Forscher der TU München verwendeten hingegen einen in einem Untergrundlabor konstruierten Ringlaser.

Weil die Gravitation von Sonne und Mond auf sie wirkt, schwankt die Lage der Rotationsachse der Erde im Raum. Gleichzeitig ändert sich auch die Position der Rotationsachse in Bezug auf die Oberfläche permanent: Zum einen verursachen Ozeanbewegungen, Wind und Luftdruck eine Bewegung der Achsenpole, die rund 435 Tage dauert - ein nach seinem Entdecker "Chandler Wobble" getauftes Phänomen. Zum anderen ändert sich die Position im Laufe eines Jahres, weil die Erde auf einer elliptischen Bahn um die Sonne rast - der "Annual Wobble". Die beiden Effekte ergeben eine unregelmäßige Wanderung der Erdachse auf einer kreisähnlichen Linie mit einem Radius von maximal sechs Metern.

Diese Schwankungen zu erfassen, ist entscheidend für ein zuverlässiges Koordinatensystem und damit für den Betrieb von Navigationssystemen oder die Vorhersage von Bahnen in der Raumfahrt. Bislang sind weltweit 30 Radioteleskope im Einsatz, um die Lage der Achse im Raum und die Drehgeschwindigkeit der Erde in einem aufwendigen Prozess zu berechnen. Abwechselnd messen acht bis zwölf von ihnen jeden Montag und Donnerstag die Richtung zu bestimmten Quasaren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Position dieser Galaxiekerne nicht ändert und sie deshalb als Fixpunkte dienen können.

Die Funktionsweise

Ende der 90er Jahre ging auf dem Gelände des Wettzeller Observatoriums in Bayern der heute weltweit stabilste Ringlaser in Bau. Zwei Lichtstrahlen durchlaufen in entgegengesetzten Richtungen eine quadratisch angeordnete Bahn mit Spiegeln in den Ecken, die in sich geschlossen ist. Dreht sich eine solche Apparatur, hat der Laserstrahl in der Drehrichtung einen längeren Weg als der gegenläufige. Die Strahlen passen daraufhin ihre Wellenlänge an, die optische Frequenz ändert sich. Aus dieser Differenz kann man auf die Drehgeschwindigkeit schließen. In Wettzell dreht sich nicht der Ringlaser selbst, sondern nur die Erde. Die vier mal vier Meter lange Konstruktion ist in einem massiven Betonpfeiler verankert, der wiederum in rund sechs Metern Tiefe auf massiven Fels der Erdkruste gegründet ist, damit ausschließlich die Erdrotation auf die Laserstrahlen wirkt.

Wie die Drehung der Erde das Licht beeinflusst, ist abhängig vom Standort des Lasers: "Stünden wir am Pol, wären Drehachse der Erde und Drehachse des Lasers identisch und wir würden die Drehgeschwindigkeit eins zu eins sehen", erklärt Karl Ulrich Schreiber, der in der Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie der TU München das Projekt geleitet hat. "Am Äquator dagegen würde der Lichtstrahl gar nicht merken, dass sich die Erde dreht." Die Wissenschafter müssen deshalb die Position des Wettzeller Lasers auf dem 49. Breitengrad berücksichtigen. Ändert sich nun die Achse der Erdrotation, ändert sich auch das, was die Forscher von der Drehgeschwindigkeit sehen. Die Veränderungen im Verhalten des Lichts zeigen also die Schwankungen der Erdachse an.

Unter diesen Bedingungen ist es den Forschern gelungen, die aus den Messungen der Radioteleskope stammenden Daten zur Ausprägung des Chandler Wobble und des Annual Wobble zu bestätigen. Ihr nächstes Ziel ist nun zum einen, die Genauigkeit der Konstruktion so zu erhöhen, dass sie Veränderungen der Erdrotationsgeschwindigkeit eines einzelnen Tages erfassen kann. Zum anderen wollen sie Ringlaser für einen dauerhaften Betrieb rüsten, bei dem die Apparatur auch über Jahre keine Abweichungen produziert. Schreiber: "Salopp gesagt: Wir wollen künftig mal eben in den Keller gehen können und nachschauen, wie schnell sich die Erde gerade dreht." (red)