Meinen ersten Sauschädl habe ich auf der Wiener Trabrennbahn gegessen, im Stall, zwischen den Pferdeboxen. Auf einem Tisch stand dort ein riesiger Topf, in dem der ganze Kopf in der Suppe trieb, bis der Magyar Karl, der Trabertrainer-Trainer, das gute Stück heraushievte und auf einem Teller zerlegte. Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt und schwer beeindruckt.

Der Kopf ist vielleicht das vielseitigste Stück des generell beeidruckend vielseitigen Schweins, von den fleischigen Wangen über die zarte Zunge zum reschen Rüssel (mein persönliches Porcus-Lieblingsstück) und den je nach Zubereitung mal knackigen, mal weichen Ohren. Weil er in seiner Gesamtheit köstlich schmeckt, sein Anblick aber nicht auf jeden appetitfördernd wirkt, wurde die Schweinskopfrolle au Torchon ersonnen.

Dabei wird das ausgelöste Kopffleisch um die Zunge, Ohren und das Bries gewickelt (zugegeben, das gehört nicht ganz zum Kopf, seine feine Cremigkeit ist aber eine wunderbare Ergänzung), geschmort und anschließend paniert und gebraten. Das Endprodukt ist außen knusprig, innen weich, schweinisch und üppig – wie üppig lässt sich aber gut selbst dosieren. Wer die Kopfrolle au Torchon erfunden hat, weiß ich nicht, ich habe die Idee vom hier bereits öfter zitierten Thomas Keller.

Fast noch besser als als präsilvesterliche Unterlage eignet es sich als postsilvesterliche Magenkur – zumal es sehr gut vorbereitet werden kann und dann kaum mehr Arbeit macht. Gibt's mehrere Gänge, reicht ein Kopf für vier, ansonsten teilten sich besser zwei Esser einen.

All jene, die eigentlich immer schon Fleischer werden wollten oder es tatsächlich sind, nehmen einen kompletten Sauschädl und lösen ihn eigenhändig aus. Wie das geht, zeigt diese engagierte Dame. Der Rest der Menschheit (zu dem auch ich gehöre) bittet seinen Schweinskopf-Dealer um die Vorarbeit. Für mich hat das die Frau Ringl erledigt, die jeden Dienstag frische Köpfe hat. Vorbestellen oder früh anrufen, weil nicht reservierte Schädl noch am Vormittag eingesalzen werden. Die ganz Faulen kaufen einfach Wangen, Zunge, Ohr (eines reicht) und Bries einzeln, sie fallen aber ums Rüsselfleisch und andere schmackhafte Brocken um. Wer nicht zu spät anfängt, schafft die Vorbereitung an einem Tag, danach muss der Kopf eine Nacht rasten.

Tobias Müller

Ich gehe davon aus, dass potentielle Nachmacher zwei halbe Schweinsgesichtshälften vor sich haben, die sie vorerst einfach liegen lassen. Zuerst muss die Zunge vorbereitet werden. Dafür wird sie mit Wurzelgemüse in Fonds oder Wasser etwa drei Stunden bei 150 Grad im Rohr geschmort, anschließend gründlich geschält und zu kleinen Würfeln geschnitten.

Nun die Schweinsgesichter mit der Hautseite nach unten aufs Brett legen und alles auslösen, was an Fleisch erinnert. Die Üppigkeit des Endprodukts hängt davon ab, wie großzügig hier Fleisch definiert wird und wie viel Fett man dran lässt – ich war recht rigide, würde das nächste Mal aber etwas mehr Fett mitnehmen (auch wenn ich da vielleicht kein Maßstab bin, ich esse auch beim Beinfleisch, was die anderen übriglassen).

Tobias Müller

Die Ohren ablösen, waschen und eines erst in Streifen, dann in kleine Quadrate schneiden. Das zweite für weitere Verwendungen einfrieren.

Tobias Müller

Die Wangerln waagrecht an- aber nicht durchschneiden, aufklappen ("to butterfly", sagt der angelsächsische Koch – gibt's da auch ein deutsches Wort?) und dann mit dem Schnitzelpracker flachhauen, genauso wie die anderen Fleischteile.

Tobias Müller

Ordentlich salzen und pfeffern und auf einer Klarsichtfolie oder Backpapier so auflegen, dass sich die Teile zu einer Rolle rollen lassen. Auf dem Fleisch die Ohrenschnipsel, Zungenstücke, das Bries und was sonst noch so übrig ist verteilen. Überschüssige Zungenstücke in den eigenen Mund stecken.

Tobias Müller

Anschließend den Sauschädl fest einrollen und wie schon vorige Woche die Gänseleber ins Geschirrtuch packen.

Tobias Müller

Sechs Stunden im Rohr in Kalbsfonds oder Wasser (oder einer Mischung) bei 150 Grad schmoren. Wenn nicht alles Fleisch in die Rolle gepasst hat einfach im Topf mitkochen, das würzt den Sud und schmeckt dem Koch danach warm oder kalt mit Dijonsenf (Fallot! bei Beaulieu)

Tobias Müller

Jetzt kommt der heikle Teil: Meister Keller packt die Rolle nach dem Schmoren aus und wickelt sie in ein frisches Tuch. Ich kann das nicht empfehlen, das Ding fällt dabei ziemlich leicht auseinander. Es lässt sich zwar auch wieder zusammensetzen, das ganze Theater spart man sich aber, wenn man einfach die guten alten Mullbinden um das Geschirrtuch zieht, um den Kopf in Form zu zurren. Anschließend wie die Foie aufhängen oder aufs Gitter legen. Über Nacht sulzt der Schädl aus, sodass die Rolle auch nach dem Auspacken eine Rolle bleibt.

Tobias Müller

Vor dem Servieren in Scheiben schneiden, mit Dijon-Senf bestreichen, in Bröseln wälzen und knusprig braten. Wem das zu wenig Panier ist, der kann die Teile auch frittieren.

Serviert habe ich es ganz traditionell auf Sauce Gribiche und – wieder einmal, ich weiß – Kohlsprossen. (derStandard.at, 26.12.2011)

Tobias Müller