Der Haftungsverbund ist für Volksbanken "epochal", meint Noch-ÖVAG-Chef Gerald Wenzel.

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Der Vorstandschef der frisch verstaatlichten Volksbanken AG, Gerald Wenzel, rechnet damit, dass ihre Bilanzsumme halbiert wird. Warum er sich nicht gescheitert sieht und wer am Debakel schuld ist, erfragte Renate Graber.

STANDARD: Vor einer Woche fiel der Beschluss zur Teilverstaatlichung der ÖVAG. Sie haben eine Woche geschwiegen. So geschockt?

Wenzel: Ich bin nicht geschockt, und die Dinge sind ja so weit klar. Ich bin dankbar, dass wir eine Lösung mithilfe der Republik haben und Klarheit für die Zukunft.

STANDARD: Die Verstaatlichung war aber nicht Ihr Ziel, oder? Den Steuerzahler kostet sie 1,5 Milliarden Euro.

Wenzel: Nein, die Verstaatlichung war genau nicht mein Ziel, und ich habe auch vor dem Einschuss von einer Milliarde Euro PS-Kapital die These vertreten, dass der Volksbankenverbund zur Selbsthilfe schreiten sollte. Aber das ist so nicht angenommen worden, man hat den Staat als sicheren Hafen gesehen. Das hat etwas für sich, aber ich habe erwartet, dass man gerade in einem Genossenschaftsverbund wie unserem Verantwortung übernehmen muss. Zumal die Frage ist, ob eine Milliarde überhaupt nötig war. Aber das ist eine müßige Diskussion.

STANDARD: Es hat ja nicht einmal die Milliarde gereicht.

Wenzel: Seither ist aber viel passiert. Jetzt ist der Staat Aktionär.

STANDARD: Die Kommunalkredit wurde 2008 verstaatlicht, Sie wurden 2009 ÖVAG-Chef. Warum haben Sie nicht viel früher auf die Krise der Bank reagiert?

Wenzel: Da muss man auf die Wurzeln schauen. Passiert ist das Problem 2005, als die Investkredit mitsamt Kommunalkredit und Europolis gekauft wurde. Das war der große Fehler. Es gab damals im Sektor zwei Gegenstimmen, eine war von mir. Ich habe vor allem das Geschäftsmodell der Kommunalkredit nicht kapiert.

STANDARD: Sie sind aber trotzdem in den ÖVAG-Vorstand gegangen.

Wenzel: Das war nicht mein Vorschlag, das war der sehr massive Wunsch im Sektor. Ich war immer mit Herzblut dabei. Es ging darum, die Fehler zu korrigieren. Ich trat an, die ÖVAG auf eine Größe zu bringen, die dem Primärsektor entspricht. Da ist einiges gelungen, wenn auch nicht so schnell wie ich es mir vorgestellt habe.

STANDARD: Die Volksbank International haben Sie mit Verlust verkauft, auf der Bank in Rumänien sind Sie sitzengeblieben.

Wenzel: Aber das Marktumfeld ist derzeit nicht ideal beim Verkauf von Banken-Assets.

STANDARD: Faktum ist, dass Sie die ÖVAG nicht ausreichend geschrumpft haben, und sie nun teilverstaatlicht ist. Ihr Vertrag wird nicht verlängert – gescheitert?

Wenzel: Gescheitert will ich nicht sagen. Ich hätte mir mehr erhofft. Und mein Vertrag läuft zwar Ende April aus, aber mir wird auch danach nicht fad werden. Was immer kommt, man muss offen und freudig auf die Zukunft zugehen.

STANDARD: Hätten die Eigentümer 2009 nicht einen Sanierer an die Bankspitze holen müssen?

Wenzel: Ich war in vielen Volksbanken und und da und dort durchaus auch im Sanierungsmanagement tätig. Gemeinsam mit Michael Mendel (Vizechef; Anm.) ist uns vieles gelungen. Und was heißt Sanierung? Es ging um den Verkauf und Abbau von Assets.

STANDARD: Sie hätten auch schauen müssen, dass, zum Beispiel, Rumänien nicht aus dem Ruder läuft.

Wenzel: Wir haben eingegriffen, den Vorstand abgelöst, den Buchwert auf null abgeschrieben.

STANDARD: Haben die Primärbanken Sie unterstützt, gebremst oder mit ihrem bis zuletzt geforderten Modell der staatlich garantierten Bad Bank hasardiert?

Wenzel: Hasardieren entspricht nicht dem Naturell der Volksbanken. Es hätte vielleicht schneller sein können, aber jetzt bekennen sie sich zum Haftungsverbund samt Weisungsrecht der ÖVAG. Das ist epochal und nicht so leicht, wenn man die Freiheit gewohnt ist. Ich selbst war für die Fusion mit der Investkredit und ab Sommer angesichts des Verlusts für Kapitalschnitt und -erhöhung. Aber wir haben 62 Volksbanken an einem Tisch: Solche Strukturen sind auf so gravierende Fragestellungen nicht vorbereitet.

STANDARD: Wie klein wird die ÖVAG jetzt noch werden?

Wenzel: Ich gestalte das nicht mehr. Aber die ÖVAG muss weiter redimensioniert werden, vielleicht auf 17 Mrd. Bilanzsumme (von derzeit 35 Mrd.; Anm.). Derzeit werden die Arbeitsplätze um 20 Prozent reduziert, nach dem weiteren Abbau der Geschäfte im neuen Aufgabengebiet der ÖVAG wird sich das weiter verringern.

STANDARD: Warum konnten Sie die Verstaatlichung nicht vermeiden?

Wenzel: Hätten die Minderheitsaktionäre DZ Bank und Co. an der Kapitalisierung mitgewirkt, hätte die Republik nicht mit 250 Mio. Euro einsteigen müssen.

STANDARD: Die haben so viel Geld doch nicht.

Wenzel: Wir haben sie aber gefragt.

STANDARD: Wenn Sie nicht für die Bad Bank waren: Warum sind Sie nicht zurück getreten, als die Volksbanken darauf bestanden?

Wenzel: Mein Vertrag ist eh aus.

STANDARD: Haben Sie noch einen Aufsichtsratspräsidenten? Er meldet sich gar nicht mehr zu Wort.

Wenzel: Ich habe einen. Was zu sagen war, wurde gesagt. Es ist so, dass ich in meiner Position den Kopf hinhalten muss.

STANDARD: Das müssen Eigentümer meist auch irgendwann.

Wenzel: Ja. Das werden sie schon merken. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2012)