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Finanzdirektor Richard Grasl.

Foto: APA/Jäger

Wien - ORF-Finanzdirektor Richard Grasl schwört die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Senders vor einer in dieser Woche stattfindenden Managementklausur auf einen weiteren Sparkurs ein. Bis 2016 müssten die jährlichen Kosten des ORF um mindestens 60 Millionen Euro runter, erklärt Grasl im Interview. Nur so erhalte der Sender Spielraum für Programminnovationen und eine Modernisierung des ORF-Standorts. Kritik übte der Kaufmännische Direktor am "öffentlichen Schlechtmachen des ORF aus dem eigenen Haus" sowie an der Ära Bacher. Beim Bau des ORF-Standorts in den 1970er-Jahren sei "teils katastrophal gepfuscht" worden. Der ORF prüft deshalb Klagen gegen Baufirmen und die damaligen ORF-Verantwortlichen.

APA: Der Titel unseres letzten Interviews war "Grasl will wieder Geld ausgeben" - jetzt ist doch wieder Sparen angesagt, und das trotz bevorstehender "Teilvalorisierung" bei den Gebühren. Wodurch ist der neuerliche Spardruck notwendig geworden?

Grasl: Um das Unternehmen auf Kurs zu halten, müssen bis 2016 die jährlichen Kosten um mindestens 60 Millionen Euro runter. Und eben weil wir investieren wollen, müssen wir uns die Spielräume dafür schaffen. Programmoffensive, Modernisierung des Standorts, wo immer er künftig ist, und die Konkurrenzfähigkeit bei neuen Plattformen wie Smart-TV - all das geht nicht, ohne dass wir an anderen Stellen unsere Effizienz steigern und hohe Disziplin bei den Finanzen im gesamten Unternehmen haben.

APA: Wie erklären Sie die unterplanmäßigen Werbeeinnahmen im Jänner und Februar?

Grasl: Es ist eindeutig weniger Geld im Markt, weil ganz Europa sich in die Krise redet. Wir hoffen, dass hier einige Etats nur verschoben werden - das Planziel für heuer wird aber schwer erreichbar sein. Dazu kommen gerade im Online-Bereich echte Nachteile durch Gesetz und Rechtsprechung.

APA: Es stehen Kollektivvertragsverhandlungen mit dem Betriebsrat an. Sind diese durch den jüngsten Spardruck nötig geworden oder waren die schon länger geplant? Welche KV-Änderungen strebt die ORF-Geschäftsführung an?

Grasl: Ein geänderter Kollektivvertrag wirkt vor allem langfristig und dient nicht zum kurzfristigen Gegensteuern. Wir weisen seit längerem darauf hin, dass wir hier Änderungen vorhaben, jetzt ist der Zeitpunkt dafür gekommen. Verhandlungspositionen habe ich aber der Belegschaftsvertretung noch nie über die Medien ausgerichtet.

APA: Welche Konsequenzen drohen dem ORF, wenn es in der KV-Frage zu keiner Einigung mit dem Betriebsrat kommen sollte?

Grasl: Das glaube ich nicht. Die Belegschaftsvertreter haben ja auch das Wohl des Unternehmens im Auge und kennen aus dem Stiftungsrat die finanziellen Rahmenbedingungen und die Dezember-Beschlüsse zum Finanzrahmen bis 2016. Ein Scheitern hätte dramatische Folgen, weil die notwendigen Sparsummen ja vom Stiftungsrat beschlossen wurden und damit fix sind.

APA: Obwohl der ORF einerseits auf die Kostenbremse steigen muss, soll es ab Herbst einen sanften Programmrelaunch geben. Wie viel Geld hat TV-Direktorin Zechner hier noch zur Verfügung? Musste sie schon Abstriche bei den Plänen machen?

Grasl: Fast die gesamten Mittel aus der Gebührenerhöhung gehen heuer ins Programm, und wir haben kürzlich einige neue Projekte freigegeben. Dass eine TV-Direktorin immer gerne noch mehr für das Programm umsetzen möchte, ist klar. Aber wir haben eine hervorragende Zusammenarbeit und werden unmittelbar nach Vorliegen der Programmwünsche für den Herbst zu rechnen beginnen und schauen was geht.

APA: In wenigen Wochen soll dem Stiftungsrat ein Technik- und Finanzierungskonzept sowie ein begründeter Standortvorschlag vorliegen. Können Sie schon sagen, welche Standortvariante aus Sicht des Kaufmännischen Direktors sinnvoller wäre? Wie weit liegen die Kosten für Neubau und Komplett-Sanierung des ORF-Zentrums auseinander?

Grasl: So komisch das klingt: aus finanzieller Sicht wird es hier wohl keinen klaren Sieger geben, weder den Küniglberg noch Sankt Marx. Es ist eine Frage der Vision.

APA: Sind mehrere Standorte in Wien in Zeiten des trimedialen Arbeitens überhaupt noch denkbar?

Grasl: Trimedialität bezieht sich vor allem auf den Informationsbereich. Hier sollte man alle Effizienzgewinne, die die Technik bringt, nutzen. Aber nicht erst in fünf bis zehn Jahren, sondern ab sofort - und das geht auch an mehreren Standorten, weil die Daten wandern und nicht die Mitarbeiter. Aber dazu braucht es eine neue Kultur im Unternehmen, so wie bei vielen anderen Fragen auch.

APA: Was meinen Sie konkret?

Grasl: Das öffentliche Schlechtmachen des ORF aus dem eigenen Haus. Auch von früheren leitenden Mitarbeitern. Wir stehen finanziell auf soliden Beinen, haben viele Programmerfolge, und einige wichtige Weichenstellungen sind der Geschäftsführung mit Alexander Wrabetz als Generaldirektor an der Spitze gelungen. Die Information sagt heute, sie sei frei wie nie. Und die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter sind noch immer die besten, die ein Medium in Österreich zu bieten hat. Da halte ich die öffentliche Miesmacherei für unangebracht. Das gilt übrigens auch für die ständige Kritik am Stiftungsrat, der so lange ich ihn in dieser Funktion kenne, hervorragende Arbeit macht und uns als Geschäftsführung fordert, fördert und kontrolliert.

APA: Wie konnte der Roland-Rainer-Bau im Lauf der Zeit so baufällig werden, dass es nun zu der vorübergehenden Aussiedlung kommen muss? Wurde die Standortentscheidung zu lange aufgeschoben?

Grasl: Nein, wir kommen nur bei den Sanierungs- und Umbauarbeiten drauf, dass bereits beim Bau Anfang der 1970er-Jahre teils katastrophal gepfuscht wurde. Da greift man sich an den Kopf, wenn bestimmte Dinge, die man laut Plan eigentlich finden sollte, gar nicht eingebaut wurden. Wir zahlen hier wie so oft den Preis für jene Fehler, die damals von jenen gemacht wurden, die heute alles besser wissen.

APA: Kann es hier nach so langer Zeit noch Haftungen bzw. Konsequenzen geben?

Grasl: Wir prüfen Klagen gegen die damaligen Baufirmen und auch gegen die damals Verantwortlichen im ORF. Ich fürchte nur, dass diese Missstände aus der Ära Bacher verjährt sind.