Auch Sänger Justin Bieber (hier im Jahr 2016) machte den Stimmbruch durch.

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Die Stimme begleitet den Menschen ein Leben lang. Vom ersten Schrei des Säuglings bis zum alten Greis verändert sie sich, passt sich dem Lebensalter an. Die größten Veränderungen geschehen in der Pubertät, wenn sich die Kinderstimme in eine Erwachsenenstimme wandelt. Was für die einen – wie die Sängerknaben – das Karriereende bedeutet, ist für die anderen nur ein lästiges Brechen oder Überschlagen der Stimme.

Den stimmlichen Startschuss ins Erwachsenenleben gibt das Hormon Testosteron. Buben bilden in der Pubertät mehr Testosteron als Mädchen, deshalb verändert sich bei ihnen in puncto Stimme deutlich mehr. Das Hormon verursacht einerseits ein Wachstum der Stimmbänder, andererseits ein Wachstum des Halses. Durch das Längerwerden des Halses verlagert sich bei den Buben der Kehlkopf nach unten, wodurch sich der Resonanzraum verändert.

Gebrochene Töne

Das Stimmband eines Kindes ist zwischen 1 und 1,3 Zentimeter lang. Während der Pubertät werden die Stimmbänder dicker und länger. "Die Stimmbänder der Buben verlängern sich um ungefähr einen Zentimeter, die der Mädchen um rund drei Millimeter. Dadurch geht die Stimme der Burschen um eine Oktave hinunter und die der Mädchen etwa um eine Terz", erklärt Christoph Reisser, Leiter der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten am Hanusch-Krankenhaus in Wien. Wie bei den Saiten eines Musikinstruments schwingen lange und dicke Stimmbänder mit niedriger Frequenz und erzeugen dadurch tiefere Töne.

Dieses Wachstum der Stimmbänder geht schleichend vor sich. Bei vielen Burschen macht sich der Stimmbruch gar nicht akut bemerkbar und lässt sich erst beim direkten Vergleich der Stimmlagen vor und nach dem Stimmbruch deutlich erkennen. Bei manchen Jugendlichen ist der Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenstimme aber alles andere als eine unauffällige Veränderung. Die Töne scheinen sich zu überschlagen, sind einmal schrill, einmal brüchig.

"Das liegt daran, dass die Stimmbänder nicht absolut symmetrisch wachsen, sondern mitunter das eine zwischendurch länger ist als das andere. Diese zwei unterschiedlich langen Stimmbänder bilden miteinander einen Ton – und das misslingt", erklärt Reisser. Je größer der Unterschied zwischen den beiden Stimmbändern ist, umso mehr gickst es. Das ist auch der Grund dafür, dass der Stimmbruch bei Mädchen eher unauffällig vonstattengeht: Die Stimmbänder von Mädchen wachsen deutlich weniger, daher sind auch die Wachstumsunterschiede zwischen den beiden Stimmbändern nicht so groß.

Der eigentliche Stimmbruch dauert ungefähr ein halbes Jahr bis ein Jahr, vollständig entwickelt ist die männliche Stimme aber erst zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr, denn auch nach dem Stimmwechsel wachsen die Stimmlippen noch geringfügig weiter.

Nichts erzwingen

Der gut gemeinte Ratschlag, Burschen sollten während der Zeit des Stimmbruchs ihre Stimme schonen, stimmt nur bedingt. Den Stimmbändern selbst schadet die Stimmbelastung nicht, die Kompensation von ausbleibenden oder fehlgebildeten Tönen kann jedoch schaden. Denn manche Burschen versuchen Töne, die die Stimme nicht hergeben will, durch spezielle Muskelanspannung zu erzwingen.

Das Aufbauen dieser Ersatzstimmbandfunktion kann über die Taschenbänder erfolgen, die sich oberhalb der Stimmbänder befinden. "Durch das Verkrampfen der Taschenbänder wird versucht, die Stimme zu korrigieren", so Reisser. Dies führt zu einer hyperfunktionellen Dysphonie, einer Stimmstörung, die auch nach dem Stimmbruch noch bestehen bleiben kann. Nach der Pubertät kann eine hyperfunktionelle Dysphonie durch unökonomischen Stimmgebrauch oder durch falsche Stimmbelastung, wie etwa bei Lehrern, entstehen. Ein entsprechendes logopädisches Training kann diese Veränderungen wieder "reparieren".

Der HNO-Arzt rät Pubertierenden, den richtigen Ton nicht zu erzwingen. "Wenn ein Jugendlicher keine Probleme beim Singen hat, dann soll er singen, und wenn er sich beim Singen anstrengen muss, dann soll er es während des Stimmbruchs lassen. Und wenn es der Pubertierende nicht unterscheiden kann, ob es nur unter Anstrengung gelingt oder spontan, dann soll er es auch lieber lassen. Denn: Es ist ja ein absehbarer Zeitraum, bis sich die Stimme wieder eingependelt hat." (Ursula Schersch, derStandard.at, 14.3.2012)