"Ich liebe Kitsch. Je kitschiger, desto besser. Aber noch mehr Sammeln geht nicht, sonst muss ich ausziehen." Marianne Kohn in Wien-Neubau.

Foto: Lisi Specht

Marianne Kohn leitet die winzige Loos-Bar in der Wiener Innenstadt. Ihre Wohnung ist auch nicht viel größer. Aber sie bietet Platz für viele Teddybären. Wojciech Czaja staunte.

"Soviel ich weiß, war das früher eine Werkstatt. Ich wohn im Erdgeschoß im siebenten Bezirk, mitten in der Stadt. Die Wohnung hat so circa 45 Quadratmeter und ist schön dunkel. Ich brauch dieses Höhlenartige, dieses Zurückziehen in die Dunkelheit. Ich liebe den Winter. Ach, ich liebe diesen dunklen, düsteren Winter! Diese schönen hellen Wohnungen halt ich nicht aus. Ich glaub, da würd ich alle Zuständ' kriegen. Wennst um drei in der Nacht schlafen gehst, und um vier scheint dir schon die Sonne ins Gesicht? Na, schrecklich. So ein Loft mit riesigen Fenstern und Blick auf die Stadt? Räumlich ein Wahnsinn. Aber vom Licht her? Was soll's, die Frage stellt sich eh nicht, das kann ich mir sowieso nicht leisten.

Ich wohn hier schon seit 20 Jahren. Ich hab eine Katze, die heißt Bunny, und zwei Hunde namens Alma Mahler-Werfel und Lina Loos. Ja wenn schon, denn schon! Aber eigentlich gibt's noch viel mehr Tiere im Haus. Wenn man alle Teddybären, alle Pezibären und alle Schaukelpferde zusammenzählt, dann werden es wohl so um die 200 sein. Vielleicht auch mehr. Was weiß ich.

Ja, ich hab eine opulente Liebe fürs Sammeln. Ich sammle alles, was mir in den Weg kommt. Je kitschiger, desto besser. Wahrscheinlich hab ich keine g'scheite Kindheit g'habt. Und jetzt muss ich anscheinend alles nachholen. Ich sammle Oldtimer, habe einen alten VW Derby für den Winter und einen Karmann Ghia für den Sommer. Heuer wird er neu lackiert! Dann schaut er noch geiler und noch schneller aus, aber das ist eh wurscht, schnell ist er eh nicht. Hauptsache, schön.

Dorotheum, Ebay und willhaben.at – das ist meins, da bin ich zu Hause! Ich hab jede Menge alte Marienbilder in der Küche. Die meisten leuchten und blinken. Dazwischen liegen überall diese weißen und roten Lichtketten. Und vor den Marienbildern steht meine Badewanne. Früher stand da mein indisches Bett, aber irgendwann hab ich den Installateur angerufen und ihm g'sagt: "Du, besorg mir eine alte, frei stehende Badewanne! So was will ich unbedingt haben!" Das Baden ist echt super.

Außerdem sammle ich alten Weihnachtsschmuck, so zum Beispiel diese alten Dresdner Weihnachtssterne aus lackiertem Karton. Ich sag dir, die kosten ein Vermögen! Aber schön sind sie. Und natürlich hab ich auch einen dazupassenden Baum in der Wohnung. Der ist aus Gänsefedern, das ist schön, und man kann ihn zusammenklappen, und das ist praktisch.

Bei mir ist immer Weihnachten. Ich liebe Weihnachten. Ich meine nicht das Fest, sondern den Kitsch rundherum. Und das ist eigenartig, weil eigentlich bin ich Jüdin.

Noch mehr sammeln kann ich nicht, sonst muss ich ausziehen. Meine alte Wohnung, die war noch viel, viel ärger. Da standen Flipper und Wuzler herum. Aber zum Spielen hätte ich eh nie Zeit, ich bin ja so selten zu Hause. Am Abend bin ich immer in der Loos-Bar, untertags bin ich meistens irgendwo in der Gegend spazieren, und am Wochenende bin ich in meinem Haus auf dem Land auf der Hohen Wand. Ein Wahnsinn: Ich hab ein kleines Haus, eine kleine Wohnung und eine kleine Bar mit 27 Quadratmetern! Bei mir ist echt alles winzig.

Zum Geburtstag hab ich heuer einen großen Kopf aus Pappmaché bekommen. Das ist ein japanischer Mönch, der laut mündlicher Überlieferung angeblich in einer Höhle gelebt und niemals geschlafen hat. So wie ich! Und damit ihm die Augen nicht zufallen, hat er seine Lider irgendwie auf der Stirn festgepickt oder so. Dieser Mönch ist ein Glücksbringer. Wenn man das linke Aug rausnimmt und sich was wünscht, dann geht das meistens in Erfüllung. Bei mir war das Aug immer draußen, weil ich mir immer was wünschen musste. Was ich schon Glück gehabt hab in meinem Leben! Den depperten Krebs hab ich überlebt, und sogar einen Dreier in Lotto hab ich schon g'habt." (DER STANDARD, 24./25.3.2012)