Eine weibliche Asiatische Tigermücke nach der Mahlzeit. Ihr Unterleib ist bereits völlig mit dem Blut ihres Opfers gefüllt. Forscher fürchten die Ausbreitung der Insekten nach Mittel- und nach Nordeuropa.

Foto: J. Gathany, CDC

Sie haben Italien erobert sowie Südfrankreich, einige spanische Touristenregionen und die Ostküsten der Adria. Ostasiatische Tigermücken der Art Aedes albopictus gelten als potenziell gefährliche Blutsauger, weil sie tückische Viren wie die Erreger des Denguefiebers übertragen können. Die Insekten gelangten in alten Autoreifen und Pflanzengefäßen nach Europa. Und dort, wo es warm genug ist, blieben sie.

Die Invasion wird von Fachleuten argwöhnisch beobachtet. Eine Arbeitsgruppe aus britischen und belgischen Forschern hat die bisherige Ausbreitung der geflügelten Plagegeister detailliert analysiert, die Daten in drei unterschiedlichen Verbreitungsmodellen zusammengefasst und diese mit insgesamt zehn regionalen Klimaszenarien kombiniert. So gelang es den Experten, präzise Risikokarten für die gebietsweise Ansiedlung der Tigermücke auf unserem Kontinent zu erstellen.

Ostösterreich ist Risikogebiet

Deren Lebensbedingungen haben sich in den vergangenen 20 Jahren vor allem in Teilen Frankreichs, den Beneluxstaaten, im Westen Deutschlands und auf dem westlichen Balkan deutlich verbessert, auch in Regionen, in denen die Tiere bisher noch nicht aufgetreten sind. Dieser Trend wird sich laut den Berechnungen bis 2050 fortsetzen und zusätzlich auf Südengland, Westungarn und das östliche Österreich übergehen. Tigermücken brauchen milde Winter mit durchschnittlichen Jännertemperaturen über dem Gefrierpunkt und eine jährliche Regenmenge von mehr als 600 Millimeter.

Da die Erwärmung infolge des Klimawandels in Nordwesteuropa überwiegend den Winter betrifft, im Süden aber eine weitere Steigerung der Sommertemperaturen, verbunden mit häufigeren Dürreperioden, zu erwarten ist, dürfte der Schwerpunkt der Ae.-albopictus-Verbreitung zukünftig nordwärts wandern, glauben die Forscher. In manchen Mittelmeergebieten könnte die Art womöglich sogar wieder verschwinden. Die Studie wurde heute, Mittwoch, online vom Fachblatt Interface der Royal Society publiziert.

Gelassenheit bei Fachleuten

Der österreichische Ökologe und Stechmückenexperte Bernhard Seidel betrachtet die Entwicklung eher gelassen. "Aedes albopictus ist nicht so wichtig", meint der Fachmann. Schließlich könnten einheimische Mückenarten auch gefährliche Erreger wie das Westnil-Virus in sich tragen, wie Forscher der Universität für Bodenkultur nachgewiesen haben. " Ich bin davon überzeugt, dass die Tigermücke den Sprung nördlich der Alpen bereits geschafft hat", sagt Seidel. Auch in Ungarn müssten die fernöstlichen Gelsen längst Fuß gefasst haben. Sie wurden nur noch nicht entdeckt. Entsprechend wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie in Österreich eintreffen.

Seidel hat erst im vergangenen Jahr mehrere Populationen der nahverwandten ostasiatischen Art Aedes japonicus in der Steiermark nachgewiesen - ein Zufallsfund. Dies zeige, "wie leicht eine einwandernde Insektenart zunächst übersehen werden kann". (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 25.4.2012)