Erwin Pröll ärgert sich über die Bundesregierung und will dieser helfen: Statt mit der Opposition könnte das Transparenzgesetz mit den Ländern beschlossen werden.

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STANDARD: Sie haben sich mit Ihrem Vorstoß, die Wahlkampfkostenrückerstattung abzuschaffen, in Wien zwar durchgesetzt, jetzt könnte es allerdings sein, dass sich die Bundesparteien mehr Geld an Parteienförderung genehmigen als vorher. War das Ihre Intention?

Pröll: Meine Intention war, die Wahlkampfkostenrückerstattung abzuschaffen, und zwar generell. Das war ein doppelter Griff in die Taschen der Steuerzahler. Dieses Ziel habe ich erreicht. Ich glaube, dass im Hinblick auf die Größenordnung der Parteienfinanzierung auch eine Einsparung herauskommen könnte.

STANDARD: Im Augenblick schaut es so aus, dass die Landesparteien sparsamer sein müssen und die Bundesparteien mehr bekommen.

Pröll: Für mich ist das eine Frage der Gesamtrechnung. Die Landesparteien müssen finanziell so ausgestattet werden, dass sie vernünftige demokratische Arbeit leisten können. Die Finanzen der Parteien müssen klar nachvollziehbar sein und nicht so undurchschaubar, dass die Bürger nicht mitverfolgen können, wer was bekommt.

STANDARD: Könnte die niederösterreichische Volkspartei mit weniger Geld auskommen?

Pröll: Wir werden aufgrund der neuen Regelung kein zusätzliches Geld anstreben.

STANDARD: Im Gespräch ist ein Korridor von 3,40 Euro bis elf Euro pro Wahlberechtigtem. Können Sie sagen, wo Sie sich da wiederfinden?

Pröll: Bei uns bleibt das gleich, wir liegen im Korridor.

STANDARD: Geplant ist auch eine Deckelung der Wahlkampfkosten mit sieben Millionen Euro. Die niederösterreichische ÖVP ist ja nicht die bescheidenste Partei, wenn es um Wahlkämpfe geht. Würden Sie damit auskommen?

Pröll: Die niederösterreichische Volkspartei ist nicht die bescheidenste, was die Arbeit für das Land anlangt. Was Transparenz anlangt, warten wir das Gesetz auf Bundesebene ab. Erst dann haben wir eine Messlatte. Wir werden uns mit Sicherheit an die Bundesregelung anlehnen.

STANDARD: Wie hoch ist das Wahlkampfbudget für die Landtagswahl im Frühjahr 2013?

Pröll: Da bin ich derzeit überfragt. Für uns spielt auch der Wahlkampf noch keine Rolle. Jemand, der fünf Jahre konsequent arbeitet, braucht nicht mit aufgeblasenen Platitüden versuchen, die Leute zu überzeugen.

STANDARD: Aber man wird Sie doch auf dem einen oder anderen Plakat sehen, oder?

Pröll: Das kann ich nicht ausschließen.

STANDARD: Die SPÖ behauptet, Sie gäben 25 Millionen Euro aus.

Pröll: Das behauptet eine SPÖ-Führung in Niederösterreich, die jetzt gerade eine riesige, teure Kampagne mit Großplakaten durchzieht. Und die reden von Wahlkampfkostenbeschränkung ...

STANDARD: Sind es 25 Millionen Euro oder nicht?

Pröll: Es waren noch nie 25 Millionen Euro, und der kommende Wahlkampf wird sich sicher nicht in dieser Größenordnung bewegen. Wir haben den Kopf bei der Arbeit, nicht im Wahlkampf. Wir haben andere Aufgaben als jene, die nur im eigenen Saft braten. Von den Mitbewerbern habe ich die Legislaturperiode wenig gespürt. Stellen Sie sich vor, Niederösterreich wäre angewiesen auf das, was die anderen Parteien umsetzen. Da würde das Land arm ausschauen.

STANDARD: Aber die sitzen auch nicht an den Hebeln. Ihrem roten Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Leitner haben Sie praktisch alle Kompetenzen entzogen, der kann ja nicht viel machen.

Pröll: Ja, Gott sei Dank! Wir haben ein negatives Beispiel vor uns - die Bundespolitik. Deren Arbeit erschöpft sich in erster Linie in der gegenseitigen Blockade. Die beiden Parteien blockieren einander. Dieselbe Intention hat wenige Wochen nach der letzten Landtagswahl Niederösterreichs SPÖ-Führung, als sie trotz Übereinkunft dem Budget nicht zugestimmt hat. Da ist mir ein Licht aufgegangen.

STANDARD: Die ÖVP Niederösterreich kann im Wahlkampf ja nicht wirklich mit Rückenwind von der Bundespartei rechnen.

Pröll: Richtig ist, dass wir uns keinen Rückenwind erwarten können. Man kann auch in der Landespolitik das politische Szenario in der Republik nicht vollkommen wegblenden. Das macht es natürlich schwierig. Darum hoffe ich, und das erbitte ich für die nächste Wahl in Niederösterreich, dass wir die klare Entscheidungssituation trotz Gegenwinds auf Bundesebene erhalten können.

STANDARD: Das klingt fast so, als ob Sie sich fürchten, dass es nicht so sein könnte.

Pröll: Furcht ist nicht das, was ich täglich in meiner Tasche mittrage. Es wäre aber fahrlässig, wenn man die Situation nicht so einschätzen würde, wie sie sich darstellt.

STANDARD: Wie schätzen Sie denn die bundespolitische Situation ein?

Pröll: Ich würde mir im Unternehmen Österreich einen Generaldirektor wünschen, der seinen Management-Aufgaben gerecht wird. Es ist ja nett, sich hineinzureklamieren, zur Nato zu fliegen und schnell im Vorbeigehen ein Foto mit dem amerikanischen Präsidenten zusammenzubringen - das gönne ich jedem. Nur man darf dabei nicht die Management-Aufgabe vergessen, die man hat.

STANDARD: Sie meinen, Bundeskanzler Werner Faymann führt das Unternehmen Österreich nicht akribisch genug?

Pröll: So ist es. In der Bundesregierung ist keine Linie erkennbar. Erkennbar ist nur, dass die Opposition mehr und mehr sich selbst im Auge hat statt das Staatsganze, das sieht man konkret auch beim Transparenzgesetz. Ich fände es an der Zeit, dass sich die Regierung den Kopf darüber zerbricht, wie man sich aus dieser ständigen Umklammerung durch die Opposition lösen und sich aus diesen ständigen Erpressungsversuchen befreien kann.

STANDARD: Wie könnte das gehen?

Pröll: Relativ einfach. Wo steht geschrieben, dass es für das Transparenzgesetz eine Zweidrittelmehrheit braucht? Die Länder haben sich doch schon zu einer klaren Regelung bereiterklärt.

STANDARD: Sie wollen die Opposition ausbremsen? Wie soll das denn gehen?

Pröll: Relativ einfach. Bund und Länder könnten das Transparenzpaket mit einem 15a-Vertrag umsetzen.

STANDARD: Warum mögen Sie Unterrichtsministerin Claudia Schmied eigentlich nicht?

Pröll: Das ist keine Frage von mögen oder nicht mögen. Jemand, der, ohne mit jemandem zu reden, ankündigt, die Gymnasien auszuhungern - das ist nicht die feine Art. Schauen Sie sich die "Erfolgsbilanz" von Schmieds Ministerschaft an. Mehr sage ich dazu nicht.

STANDARD: Den Bruch mit Schmied gibt es ja schon länger.

Pröll: Ich bin in der Politik jemand, der sehr praktisch in der Umsetzung ist. Ich kann es mir nicht leisten, leere Kilometer zu machen, mit einem Mitglied der Bundesregierung Vereinbarungen zu treffen - und dann tut sich null. Ein Regierungsmitglied, das bei mir so arbeiten würde, würde nicht lange Regierungsmitglied bleiben. Aber das hat der Bundeskanzler zu verantworten.

STANDARD: Wie beurteilen Sie das Verhältnis Bund und Länder?

Pröll: Es läuft viel besser, als es oft dargestellt wird. Es geht um einen korrekten Umgang miteinander, ein Respektieren der Verfassung.

STANDARD: Aber es geht schon auch um Macht und Einfluss.

Pröll: Hinter dem, was Sie Macht nennen, steckt viel praktische Tagesarbeit. Die Länder müssen versorgen - etwa in der Schulstruktur oder durch Spitäler. Ansonsten brechen wir ja Bundesgesetze. Um das gewährleisten zu können, müssen Infrastruktureinrichtungen funktionstüchtig sein.

STANDARD: Und das können Sie besser als der Bund?

Pröll: Ich hoffe nicht, dass der Bund die Länder zwingen will, Bundesgesetze zu brechen, indem er sie finanziell schlechter ausstattet.

STANDARD: Sie haben kürzlich die Zusammenlegung der Bezirksgerichte verkündet. Da wurde unter anderem über die Landesgrenze hinweg Purkersdorf mit Hietzing fusioniert, was quasi einer Revolution gleichkommt. Wie kam das zustande? Ist es finanziell so eng?

Pröll: Dahinter stand ausschließlich die praxisnähere Umsetzung für den Bürger. Es fällt von Purkersdorf aus wesentlich leichter, nach Wien zu fahren als nach St. Pölten. Es gibt eine Reihe von Bereichen, wo die Stadtgrenze eine Barriere ist, das muss man ändern.

STANDARD: Jetzt haben Sie nachgegeben bei den Bezirksgerichten, auch bei den Spitälern gibt es eine Annäherung - werden Sie milde?

Pröll: Wenn ein Politiker jede Reform verweigert, dann sagen die Journalisten, er ist ein versteinerter Machtpolitiker. Wenn er sich von einer vernünftigen Sache leiten lässt, dann sagen sie, er gibt nach. Ich sage Ihnen: Ich gebe gerne nach. Das ist keine Frage von Milderwerden, sondern die Frage, ob sich in der politischen Arbeit Vernunft durchsetzt. Ich habe den Eindruck, auf Bundesebene regiert nicht die Sachvernunft, da regieren Egoismen.

STANDARD: Sie sind politisch doch ganz gut damit gefahren, dass man sich in Wien ein bisschen vor Ihnen fürchtet.

Pröll: Wer sich vor mir fürchtet, ist selber schuld.

STANDARD: Was sagen Sie zu Martin Graf? Ist das ein Nationalratspräsident, mit dem Sie gut leben können?

Pröll: Ich halte das, was in der letzten Zeit diskutiert wird, nämlich auch solche Funktionsträger im Parlament abwählen zu können, für einen konstruktiven Zugang. (Andrea Heigl, Michael Völker, DER STANDARD, 9.6.2012)