Der grafische Stil von "Jelly Bean" ist eine direkte Fortsetzung von "Ice Cream Sandwich", an vielen Stellen ist aber diverser Feinschliff zu erkennen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Deutlich erweitert hat man den Benachrichtigungsbereich von Android, entsprechende Mitteilungen können nun nicht nur größer sein, sondern auch mit zusätzlichen Aktionen versehen werden.

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Googles Siri-Pendant liefert im Test wirklich brauchbare Ergebnisse, vor allem gefällt auch die deutlich verbesserte Sprachausgabe.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Google Now ist potentiell eines der Highlight von "Jelly Bean", derzeit beschränkt sich dessen tatsächliche Nützlichkeit aber noch auf einen sehr engen Bereich.

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Die Tastatur versucht nun automatisch zu raten, welches Wort die NutzerInnen als nächstes im Sinn haben könnten - und schlägt dieses gleich vor.

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In den Einstellungen kann jetzt gezielt einzelnen Apps die Möglichkeit zur Darstellung von Benachrichtigungen abgedreht werden.

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Die derzeit aktuelle Vorversion von Android 4.1 auf einem Galaxy Nexus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Während das am Mittwoch in San Francisco von Google vorgestellte Nexus-7-Tablet schon vorab in praktisch allen Details "geleakt" wurde, erwies sich die Vorstellung von Android 4.1 "Jelly Bean" als echte Überraschung. Entgegen dem, was man aus der nur geringfügigen Erhöhung der Versionsnummer und der relativ kurzen Folge nach "Ice Cream Sandwich" erwarten würde, kann die neue Android-Generation nämlich wieder mit durchaus relevanten Verbesserungen und Neuerungen aufwarten. Der WebStandard hat sich die Android 4.1 im Folgenden etwas näher angeschaut - und auch gleich mit ersten Hands-On-Erfahrungen angereichert, da die bei er Google I/O verteilten Galaxy Nexus Smartphones bereits mit einer Vorversion von "Jelly Bean" ausgestattet sind.

Project Butter

Einen besonderen Schwerpunkt hat man für "Jelly Bean" auf den Bereich Performance gelegt, und das streicht Google auch allerorten heraus. Unter dem vielsagenden Codenamen "Project Butter", ging es darum die immer wieder kritisierte Performance der Android-Oberfläche zu verbessern, die restlichen noch vorhandenen "Hänger" zu beseitigen. Um dies zu erreichen bedient sich Android 4.1 einer Reihe von Tricks: So wird nun das sogenannten vsync timing für alle Oberflächenoperationen eingesetzt, Animationen und Co. orientieren sich also an einem fixen Rhythmus von 16 Millisekunden. Dadurch wird verhindert, dass einzelne Frames zu früh gezeichnet wird, was zum Ruckeln des Interfaces führen kann.

Trickreich

Für den wirklich flüssigen Ablauf von Animationen soll das neue Triple Buffering in der Graphics Pipeline sorgen. Verbesserungen verspricht man zudem für die Interpretation von Touch-Eingaben. Auch hier werden die Eingaben nun zentral synchronisiert, darüber hinaus versucht das System zu erraten, wo der Finger als nächstes landen wird. Viele technische Details, viel wichtiger aber der subjektive Eindruck, und der fällt hochgradig positiv aus: Android 4.1 läuft - im direkten Vergleich zu Android 4.0.4 auf der selben Hardware - tatsächlich wesentlich flüssiger. Besonders stark sichtbar ist dies etwas beim Scrollen von grafisch aufwändigen UIs, etwa jenem des Play Stores. Aber auch die Übergangsanimationen wirken nun wesentlich "sanfter" Trotzdem: 100-prozentig ruckelfrei läuft es noch immer nicht an allen Stellen, wobei hier betont werden muss, dass es sich bei der ausprobierten Version noch um eine Pre-Release handelt.

Dazu passend gibt man den EntwicklerInnen mit Systrace übrigens ein neues Tool an die Hand, um die Performance ihrer Apps besser analysieren, und in Folge Problembereiche beseitigen zu können.

Design-Fragen

Mit "Ice Cream Sandwich" hat Google seinem mobilen Betriebssystem ein grundüberholtes Design verpasst. "Jelly Bean" setzt diesen Weg nun fort, bringt also vor allem Feinschliff für das Bestehende: An einigen Stellen sind größere Schriften zu beobachten, so manches Widget hat nun einen anderen Look, es gibt diverse neue Übergangsanimationen. Der Lock-Screen deutet mit einer Animation an, wo das Gerät entsperrt werden kann, das Suchwidget am Home-Screen ist jetzt weiß hinterlegt. Zudem hat man einige in der Vorgängerversion noch verbliebene, konzeptionelle Inkonsistenzen beseitigt, etwa bei der falschen Button-Anordnung in einigen mitgelieferten Apps.

Benachrichtigungen

Wirklich deutliche optische Änderungen gibt es eigentlich nur im Benachrichtigungsbereich, der mit Android 4.1 eine Reihe von neuen Möglichkeiten spendiert bekommen hat: Diese können nun größer als bisher (bis zu 256 dp) ausfallen, zudem sind neue Benachrichtigungstypen - darunter auch Bilder - möglich. Jede Benachrichtigung kann mit bis zu drei Aktionen versehen werden, die bei Bedarf direkt darunter angezeigt werden. Damit können dann beispielsweise neue Google+-Postings gleich mit einem "+1" versehen anstatt nur angezeigt werden. 

Abgedreht

Apropos Benachrichtigungen, in "Jelly Bean" versteckt sich eine weitere Neuerung in diesem Bereich, die man zwar nicht groß angekündigt hat, aber trotzdem wohl viele freuen wird, vor allem jene, die schon mal von Werbe-Notifications genervt wurden: Es ist jetzt möglich in den Einstellungen gezielt die Benachrichtigungen für einzelne Apps zur Gänze zu deaktivieren.

Pixel

Ebenfalls weiterentwickelt wurde für "Jelly Bean" das Widget-System von Android: Widgets können sich nun je nach Bedarf automatisch in der Größe anpassen. Außerdem machen Icons von selbst Platz, wenn dieser von einem anderen Widget benäötig wird, der Home-Screen agiert in dieser Hinsicht jetzt also "dynamisch". Zudem können EntwicklerInnen nun unterschiedliche Widget-Layouts definieren, je nachdem ob das Gerät im Landscape- oder Porträt-Modus betrieben wird. In die Kategorie "kleine aber von vielen lange herbeigesehnte" Neuerung fällt die Möglichkeit endlich hochauflösende Kontaktfotos abzuspeichern, bis zu 720x720 Pixel dürfen diese nun groß sein.

Sprache

Vollständig umgebaut wurde der Bereich der Spracheingabe. Einerseits lassen sich nun entsprechende Befehle auch offline - also ohne aktive Datenverbindung - nutzen. Dies sollte sich auch auf die Reaktionszeiten deutlich positiv auswirken. Zudem können Suchanfragen nun in "natürlicher" Sprache erfolgen, ähnlich wie es bei Apples Siri oder Samsungs S-Voice der Fall ist. Dabei handelt es sich um ein Projekt von zentraler Wichtigkeit für Google, wie das Unternehmen selbst betont. Schon vor einiger Zeit hat man ja die Stoßrichtung vorgegeben, früher oder später Computeranfragen a la Star Trek ermöglichen zu wollen. Im Hintergrund arbeitet hier der vor einigen Wochen gestartete "Knowledge Graph" der Google-Suche, der zum Ziel hat das Wissen semantisch zu organisieren, und so die "blinde" Stichwortsuche abzulösen.

Ein Vorteil für Google im Vergleich zu Siri oder S-Voice: Das Unternehmen hat alle der dafür benötigten Technologien selbst in der Hand, während sich die beiden Konkurrenten bei Wolfram Alpha und Nuance bedienen müssen, kann Google auf eigene Ressourcen zurückgreifen - und diese auch leichter anpassen. Im Test weiß die (englische) Spracherkennung wirklich zu überzeugen, die meisten ausprobierten Phrasen wurden korrekt erkannt. Ansonsten gibt es das von Siri und S-Voice gewohnte: Einige Anfragen werden gleich direkt mit einer - entgegen früheren Android-Versionen massiv verbesserten - Sprachausgabe beantwortet, bei anderen wird einfach die Suchmaschine aufgerufen. Eine kleine Bemerkung am Rande: Es ist durchaus eine starke Ansage von Google in Richtung der Konkurrenz, dass man diesem Feature nicht einmal einen eigenen Namen verpasst, sondern es quasi als selbstverständliche Erweiterung der eigenen Suchfunktionen begreift. Eine wichtige Einschränkung sei aber auch nicht verschwiegen: Wie den Knowledge Graph auch, gibt es die erweiterten Möglichkeiten der Spracheingabe derzeit nur auf / für Englisch.

Google Now

Als wirkliches "Killer Feature" könnte sich auf lange Sicht Google Now erweisen, dabei werden Informationen aus unterschiedlichen Google-Services zusammengetragen, um den Nutzerinnen relevantere Ergebnisse auf ihre Anfragen zu liefern - und das Smartphone zu einer Art intelligent mitdenkdendem Assistenten mutieren zu lassen. Ziel ist es langfristig nicht weniger als den NutzerInnen Antworten auf Fragen zu liefern, bevor diese sie überhaupt noch stellen. Wenn man dann etwa in der U-Bahn ist, bemerkt dies "Now" automatisch und bietet von sich aus die Informationen zu den nächsten Verbindungen (so natürlich die Verkehrsbetriebe diese Informationen überhaupt teilen...). Beim Betreten eines Restaurants wird automatisch die Speisekarte angeboten - zumindest in der Theorie. Selbst Google betonte allerdings im Rahmen der "Jelly Bean"-Präsentation, dass sich "Google Now" derzeit noch in einer frühen Phase befindet, die Möglichkeiten mit der Zeit deutlich erweitert werden sollen. Wer sich trotzdem schon damit herumspielen will, findet Google Now an prominenter Stelle in "Jelly Bean", es kann direkt beim Entsperren des Geräts, oder durch eine "Swipe"-Bewegung nach oben über den Home-Button aufgerufen werden.

Kamera

Die Kamera-Anwendung von Android 4.1 kann mit einem "Review-Modus" aufwarten, konkret bedeutet dies, dass gerade aufgenommenen Fotos schnell durchgesehen, schlechte Aufnahmen rasch wieder gelöscht werden können, ohne je die Kamera-App verlassen zu müssen. Hinter "Predictive Voice Typing" verbirgt sich die nächste Ausbaustufe der Android-Tastatur, diese versucht nun zu erraten, was die NutzerInnen als nächstes tippen können - um dies zur Auswahl zu stellen, und so den Schreibvorgang zu beschleunigen - wie es bislang etwa schon bei SwiftKey verfügbar ist. Dazu passend unterstützt "Jelly Bean" die Möglichkeit zusätzliche Tastatur-Layouts nachzuinstallieren und verbessert die Unterstützung für bidirektionale Schriften.

Android Beam

Mit Android 4.1 baut Google die Möglichkeiten des mit "Ice Cream Sandwich" eingeführten "Android Beam" weiter aus. War dieses bislang nur für den Transfer kleiner Datenmengen - etwa von Kontaktinformationen - gedacht, lassen sich damit nun auch größere Pakete wie Fotos ode Videos transportieren. Um dies zu ermöglichen kombiniert man NFC - zur Initiierung des Tauschs - sowie Bluetooth für den eigentlichen Transfer. Im Test funktionierte dies tatsächlich reibungslos - eine sehr praktische Lösung um schnell mit anderen etwas privat zu teilen. Eine technisch sehr ähnliche Lösung hat übrigens Samsung bereits für die eigene Android-Variante im Galaxy S III im Einsatz. 

Default-Apps

Ein Neuzugang in der Default-Softwareausstattung von Android ist Google Currents, ebenfalls frisch hinzugekommen ist "Play Magazines", also die Magazin-Abteilung des Google-Stores. Diese wird aber wohl - wie seine anderen derzeit den USA vorbehaltenen Pendants - in Europa automatisch ausgeblendet werden.

Vermischtes

Im Schnelldurchlauf einige kleinere Verbesserungen an den vorinstallierten Apps: Der Kalender übernimmt nun endlich die im Web eingestellten Farben richtig, die Galerie hat zusätzliche Menüeinträge für das Rotieren nach links und rechts spendiert bekommen, "News & Weather" wurde leicht umdesignet, womit auch die Verwendung des Menüknopfes - wie er eigentlich seit ICS nicht mehr gewollt wird, der Vergangenheit angehört. Ähnliche solcher kleinerer Korrekturen finden sich auch bei den Einstellungen. 

Musik

Auch bei der Musik-App wurde einmal mehr an der Oberfläche gefeilt, wobei die Neuerungen sich hier nicht alleine auf diesen Bereich beschränken. So gibt es jetzt die Möglichkeit Einträge in Playlists per Drag&Drop umzusortieren, überhaupt werden diese jetzt grafisch etwas netter präsentiert. Das Widget wurde ebenso leicht umgestaltet, und natürlich darf auch der Support für das ebenfalls zur I/O präsentierte Home Entertainment System Nexus Q nicht fehlen. Der Play Store ist ebenfalls in einer neueren Version enthalten, und zwar jener die die Unterstützung für den Kauf von Magazinen und TV-Serien hinzufügt - was für Europa vorerst aber wohl ohnehin irrelevant ist. Und natürlich gibt es eine Reihe von neuen Wallpapers.

Browser

Den Aufstieg von Chrome zum Default-Browser gibt es derzeit nur beim Nexus 7, aber auch den klassischen Android-Browser - und die für Apps wichtige Webview - wurde erheblich erneuert, mit neuen HTML5 / CSS3-Möglichkeiten. Bei html5test.com kommt der Android-Browser 4.1 mit 276 (+3) Punkten aber trotzdem auf einen eher durchschnittlichen Wert, der Google Chrome erreicht hier bereits 369 (+11). Immerhin wurde aber die Javascript-Engine V8 einmal mehr aktualisiert, auch soll die Zoom- und Scroll-Performance verbessert worden sein.

Messages

Mit Google Cloud Messaging gibt es jetzt ein zentrales Service, das EntwicklerInnen nutzen können, um kurze Nachrichten auf die Geräte der NutzerInnen zu schicken. Die Piraterie von Apps will man unterbinden, indem diese nach dem Herunterladen, aber vor dem Speichern auf dem Gerät mit einem Device-spezifischen Key verschlüsselt werden. Die Nutzung dieser Funktion ist für die App-EntwicklerInnen aber natürlich optional.

Updates

Über "Smart App Updates" dürfen sich dann wieder die NutzerInnen uneingeschränkt freuen: Nutzen die EntwicklerInnen diese Funktion, werden künftig statt den vollständigen APKs nur mehr sogenannte "Deltas" im Vergleich zur aktualisierten Version heruntergeladen. Dies sollte das mit Aktualisierungen verbundene Download-Volumen erheblich reduzieren. Noch nicht "live" aber schon angekündigt sind die "Google Play Services", die EntwicklerInnen bei der Integration mit Google Services (konkret nennt man Google-Authentifizierung aber auch die Google+-Einbindung) helfen sollen. Diese Möglichkeiten sollen über ein Update der Google-Play-App nachgereicht werden.

APIs

Zu all dem kommen noch eine Fülle von neuen Programmierschnittstellen für AnwendungsentwicklerInnen, hier lohnt also ein zusätzlicher Blick auf die ausführlichen Developer-Versionsnotizen für "Jelly Bean". Extra herausgestrichen seien allerdings noch die erweiterten APIs zur Barrierefreieheit, die Personen mit Sehbehinderung die Navigation eines Android-Smartphones oder -Tablets deutlich vereinfachen soll.

Fazit / tl;dr

Trotz des relativ kurzen Entwicklungszeitraums seit "Ice Cream Sandwich" kann "Jelly Bean" wieder mit einigen wirklich signifikanten Verbesserungen aufwarten, allen voran bei den Benachrichtigungen und der Spracheingabe, die Performance-Verbesserungen sind sowieso immer zu begrüßen - und auf der selben Hardware auch wirklich klar zu spüren.

Verfügbarkeit

Android 4.1 ist ab sofort in Form des Software Developer Kits verfügbar, die EndnutzerInnen müssen sich hingegen noch etwas gedulden: Googles eigene Smartphones Galaxy Nexus und Nexus S sollen Mitte Juli mit Updates versorgt werden, das selbe gilt auch für die US-Version des Motorola Xoom. Zumindest für das Galaxy Nexus kursieren aber bereits inoffizielle Dumps / Builds der "Jelly Bean"-Vorabversion, experimentierfreudige NutzerInnen könnten also durchaus damit liebäugeln. Das Nexus 7 wird hingegen schon von Haus aus mit "Jelly Bean" ausgeliefert, dies soll aber ebenfalls erst Mitte Juli im Handel erhältlich sein. Zum gleichen Zeitpunkt ist dann aber auch gleich die Freigabe des Source Codes geplant. Wann andere Geräte das Update erhalten werden, hängt wie immer von den Zeitplänen der einzelnen Hersteller ab. (Andreas Proschofsky, derStandard.at 28.06.12)