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Manche Patienten kontrollieren stundenlang zwanghaft ihr Aussehen.

Foto: APA/Heiko Wolfraum

Nur wenige Menschen sind mit sich selbst rundum zufrieden und empfinden sich als schön. Die meisten betrachten sich eher kritisch und bezeichnen zumindest Teile ihres Körpers als makelhaft oder gar hässlich. Wenn die Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren krankhaft wird, die Beschäftigung mit einem eingebildeten oder allenfalls minimal erkennbaren Makel exzessive Ausmaße annimmt, dann liegt eine sogenannte Körperbild- oder Körperwahrnehmungssstörung  (dysmorphe Störung, Anm. Red.) vor. Betroffen sind davon ein bis zwei Prozent der Bevölkerung.

Für Menschen mit dysmorphen Störungen ist der Gang zum Chirurgen oft die letzte Konsequenz aus der jahrelangen Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Mängeln. Zufriedenheit bringt eine Operation allerdings nicht, denn dem Wunsch nach Veränderung liegt eine psychische Erkrankung zugrunde. Weitere chirurgische Eingriffe folgen meist.

Die Symptomatik bietet ein breites Spektrum. Manche Patienten kontrollieren stundenlang zwanghaft ihr Aussehen und suchen bei anderen nach Bestätigung ihrer Ansichten. Andere vermeiden tunlichst den Blick in den Spiegel und fühlen sich mit wahnhafter Überzeugung von ihrer Umwelt beobachtet. Der Leidensdruck der Betroffenen ist in jedem Fall groß, die permanente Auseinandersetzung mit dem Problem führt oft in die soziale Isolation.

Innere Konflikte

Die Diagnosestellung ist eine Herausforderung und muss behutsam erfolgen, um beim Gegenüber keine Abwehrhaltung zu erzeugen. "Es ist schwierig zu sagen, ob es sich lediglich um den Wunsch handelt, dem aktuellen Schönheitsideal gerecht zu werden, oder ob es eine tatsächliche körperdysmorphe Störung ist", sagt die Villacher Psychologin Karoline Amlacher-Ukobitz. Anders als beim Schönheitsideal werden bei einer körperdysmorphen Störung auch innere Konflikte nach außen getragen. Oft liegt auch eine Mischung aus dysmorpher Störung und anderen Erkrankungen vor. "Wenn jemand zum Beispiel depressiv ist, dann überdeckt die Depression andere Probleme", erklärt Almacher-Ukobitz die Schwierigkeit, eine dysmorphe Störung von anderen psychischen Erkrankungen abzugrenzen.

Die Ursachen sind wissenschaftlich wenig erforscht. Experten vermuten aber, dass Umwelt und Sozialisation eine entscheidende Rolle spielen. "Vor allem der Umgang mit Konflikten und Aggressionen in der Familie sind ausschlaggebend", sagt die Psychologin. Dinge, die auch auf Essstörungen und Depressionen zutreffen. Bei vielen Patienten finden sich bereits im Jugendalter depressive Verstimmungen, Minderwertigkeitskomplexe, Angstzustände und Selbstwertprobleme.

Aus eigenem Antrieb zum Psychologen

Sofern korrekt diagnostiziert, richtet sich die Therapie nach dem klinischen Bild der Störung. Unter anderem kommen neben tiefenpsychologisch orientierter Psychotherapie auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen zum Einsatz. Die Betroffenen bauen dabei im besten Fall ein realistisches Selbstbild auf, indem sie tatsächliche Reaktionen der Mitmenschen beobachten und analysieren. Der Erfolg hängt nicht zuletzt auch von der Mitbehandlung komorbider Störungen wie Depressionen ab. Studien zeigen aber, dass die Therapie einer körperdysmorphen Störung schwierig ist und die Heilungschancen im Vergleich zu einer Angststörung deutlich niedriger sind. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 7.2012)