Basilikum wuchert wie Unkraut und muss von Zeit zu Zeit gebändigt werden. Die beste Art, es in seine Schranken zu weisen, ist, es aufzuessen. Und die einzige Möglichkeit, von dem Kraut substanzielle Mengen zu konsumieren, ist, es in Pesto Genovese zu verwandeln.

Foto: Tobias Müller

Bei kaum einer anderen Pastasauce gibt es so wenige Gründe, sie nicht selbst zu machen. Pesto Genovese aus dem Supermarkt ist meist kein Genuss. Fürs frisch Machen braucht es nur wenige handelsübliche Zutaten – Basilikum, Pinienkerne, Käse und Fett – und es dauert, je nach Methode, fünf bis 15 Minuten.

Jetzt möchte ich nicht behaupten, dass selbst gemachtes Pesto Genovese die beste aller Pastasaucen wäre, wie das gelegentlich zu lesen ist. Für die schnelle Mahlzeit ist es allerdings kaum zu schlagen (außer von Vetter Trapanese), vermischt mit heurigen Jungerdäpfeln und Erbsen hat es sogar ein gewisses Suchtpotenzial. Zudem ist es ein wirklich schönes Erlebnis, vor dem Kochen das Gesicht in einem Haufen frisch gepflücktem Basilikum zu vergraben.

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In den vergangenen Wochen habe ich mich an der Pesto-Optimierung versucht und mehrmals zumindest zwei verschiedene Pestos mit verschiedenen Mitessern gegeneinander verkostet. (Mein Dank an alle Beteiligten, vor allem an die regelmäßigste und beste aller Mitesserinnen – es ist nicht unbedingt lustig, dreimal in einer Woche Pesto zu essen.) Zubereitet wurden die Saucen stets kleinlich gleich, nur jeweils eine Variable wurde variiert.

Wer sich noch nie selbst ans Stampfen gemacht hat, sei gewarnt: Es braucht schon beim Pesto für zwei eine für den Neuling überraschend große Menge Basilikum. Mit einem Topf aus dem Supermarkt ist es da nicht getan, und selbst Gartenbesitzer müssen ziemlich roden. Für 500 Gramm Nudeln sind meiner Meinung nach etwa 100 Gramm Basilikum-Blätter nötig, was etwa drei der handelsüblichen Supermarkt-Töpfe entspricht.

Welcher Käse?

Die erste Grundsatzentscheidung, die der Pestokoch bereits beim Einkaufen treffen muss. Sie sollte nicht unterschätzt werden. Zahlreiche neumodische Rezepte verwenden ausschließlich Parmesan fürs Pesto. Ich halte das für einen Fehler. Klassisch ist eine Mischung aus Parmesan und mildem Pecorino.

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Der vergleichende Test ging eindeutig für die Mischung aus: Der berühmte Hartkäse ist in größeren Mengen einfach zu derb für das empfindliche Basilikum. Ein reines Parmesan-Pesto schmeckt aggressiver, salziger, weniger ausbalanciert als eines, in das milder Pecorino gemischt wurde. Puristen nehmen einen Fiore Sarde, einen Pecorino aus Sardinien, jeder andere milde Pecorino tut aber auch seinen Dienst.

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Knoblauch oder nicht Knoblauch

Ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Knolle wegzulassen, hätte ich nicht den Blogeintrag der immer wieder wunderbaren Felicitas Cloake gelesen. Die pfeift nämlich auf den Knoblauch und findet das Ergebnis besser. Ich bin ein wenig hin- und hergerissen: Kostet man das Pesto mit/ohne Knoblauch ohne Nudeln, also einfach pur, so gewinnt meiner Meinung nach die lauchfreie Version. Genauso wie der Parmesan ist der Knoblauch einfach ein wenig derb im Vergleich zum delikaten Basilikum.

Wird die Creme aber einmal über die Nudeln gekippt, verliert der Lauch an Schärfe und es bleibt eine nicht unangenehme würzige Note. Weil es mir aber um möglichst klaren Basilikum-Geschmack ging, lasse ich den Knoblauch eher weg.

Gehackt oder gemörsert

Man sollte meinen, dass sich hier die Pesto-Geister scheiden, zwei Schulen einander unversöhnlich gegenüberstehen. Interessanterweise ist dem aber nicht so. Die meisten Autoren geben sich betont gleichgültig, wenn es um diese Frage geht. Marcella Hazan merkt nur an, dass Pesto zwar wörtlich "gestoßen" heißt, aber in der Maschine gehackt eigentlich genauso gut schmeckt.

Foto: Tobias Müller

Im mir nie ganz geheuren Silberlöffel wird gleich alles in die Küchenmaschine geschmissen. Dabei ist der Unterschied nicht nur schmeck-, sondern auch sichtbar, zumindest mit meinem Gerät. Nicht, dass das Küchengerät-Ergebnis schlecht wäre.

Mörser-Pesto wird aber deutlich cremiger als sein Pendant, die einzelnen Geschmäcker werden stärker vermischt. Das Ergebnis ist homogener, mehr eine Neuschöpfung als eine Ansammlung der einzelnen Zutaten. Zudem werden die Blätter ungleichmäßig zerkleinert, was für Abwechslung beim Essen sorgt, wenn man auf ein größeres Blatt stößt.

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Die Methode hat allerdings ihre Grenzen: Wer 200 Gramm und mehr zermörsern muss, kann schon etwas mürbe werden.

Foto: Tobias Müller

Manche Leute hacken ihr Pesto mit dem Messer. Bisher bin ich nicht dazugekommen.

Das richtige Fett

Normalerweise gibt es bei italienischen Pastasaucen eine Trennung: hier jene, die auf Olivenöl basieren, dort jene, die auf Butter bauen. Je nachdem, um was für eine Sauce es sich handelt, bekommen auch die Nudeln vor dem Servieren noch von diesem oder jenem Fett ein wenig extra ab. Die Ölsaucen werden zudem eher nicht mit Parmesan versetzt.

Der Pesto aber ist, zumindest laut Marcella Hazan, eine Ausnahme von dieser Regel: Hier werden Olivenöl und Butter versöhnt und zusammengeführt.

Außer der Frau Hazan aber sehen das nicht viele so, zumindest wird Butter in Pesto-Rezepten eher selten erwähnt – ein Versäumnis, sie tut dem Pesto nämlich gut. Ähnlich wie das Mörsern macht sie die Sauce deutlich sämiger und gibt ihr Körper, der der Olivenöl-Variante etwas abgeht. Ein leichter Buttergeschmack harmoniert zudem meiner Meinung nach sehr gut mit dem krautigen Basilikum, nur mit Öl riskiert die Mischung, etwas ins Grasige zu kippen.

Foto: Tobias Müller

Bei dem Eintrag zum Pesto Trapanese hat ein Poster angemerkt, es mache einen Unterschied, ob das Öl vor oder nach dem Häckseln zu den Kräutern kommt. Vor der Zerkleinerung zugegossen, würde es die ganzen Aromen auffangen, die später frei werden. Ich habe das getestet und einmal vor und einmal nach dem Mörsern Öl zugegossen. Mein Ergebnis: Es ist geschmacklich egal, wann das Öl dazukommt. Es ist allerdings lästig und schwieriger, in einem öligen Mörser Basilikum zu quetschen.

Die richtigen Verhältnisse

Klassisch-traditionelle Pesto-Rezepte haben meist von einer Zutat erstaunlich wenig: Basilikum. Der Silberlöffel nimmt gerade einmal ein paar Blatt, Hazan setzt auf ein Verhältnis von 1:1 zwischen Kraut und Käse. Am anderen Ende der Skala steht Giorgio Locatelli, von dem ich dank Frau Cloake weiß, dass er auf ein Verhältnis von 1 zu 5 zugunsten des Basilikums setzt. In ersterer Variante ist mir der Käse zu dominant, zweitere schmeckt meiner Meinung nach etwas gar krautig. Ich war bisher am glücklichsten mit einem Kompromiss: doppelt so viel Basilikum wie Käse.

Die Kernfrage

Die Pinienkerne toasten. Alles andere sind meiner Meinung nach verschenkte Aromen.

Foto: Tobias Müller

Das vorläufig perfekte Pesto (für 500 Gramm Nudeln):

10 Gramm Pinienkerne kurz in der Pfanne oder im Rohr rösten, bis sie leicht braun werden und duften. Vorsicht: Sie verbrennen schnell. Die Kerne im Mörser mit einer Prise Salz zerstoßen. Immer so viel Basilikum zu der Paste geben, wie bequem in den Mörser passt, und zermahlen. 25 Gramm frisch geriebenen Parmesan und 25 Gramm frisch geriebenen Pecorino dazugeben und mit 80 Milliliter Olivenöl vermischen. Anschließend 40 Gramm Butter per Hand in die Sauce massieren. Das fühlt sich gut an und die Körperwärme hilft, die Butter gleichmäßig zu verteilen. Über die gekochten Nudeln kippen, gut mischen und servieren. Der traditionsbewusste Genuese und seine Nachahmer werfen noch ein paar grüne Fisolen und Erdäpfelstücke dazu.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, derStandard.at, 29.7.2012)