Ratatouille ist die Rettung des gierigen Sommermarktbesuchers, der sich vor lauter prächtigem Gemüse übernommen hat und dann nicht mehr weiß, wohin mit all dem geilen Zeug. Mich hat es vor ein paar Wochen beim neuen Stand der Gärtnerei Bioschanze auf dem Kutschkermarkt erwischt. (Wer in der Gegend ist: die Paradeiser sind wirklich eine Wucht).

Um dem drohenden Verfall zuvor zu kommen, habe ich mich ans Einkochen gemacht, was dauern kann. Denn Ratatouille kann eine Art Bootcamp für den Gemüsekoch sein.

Als ich vor ein paar Jahren beschlossen habe, ein besserer Koch zu werden, war es eines der ersten Gerichte, an die ich mich gewagt habe. Das lag hauptsächlich daran, dass es eines der ersten Rezepte ist, die im "Fundamental Techniques of Classic Cuisine" vorgezeigt werden. Denn wer das Ratatouille kochen ernst nimmt, bekommt an einem Nachmittag beachtlich viele Gelegenheiten, seine Messer- und Gemüse-Fertigkeiten zu trainieren. Gleichzeitig ist es eine wunderbare Entschuldigung, viel Zeit mit prächtigen Paradeisern, Zucchini und Melanzani zu verbringen.

Foto: Tobias Müller

Die Autoren der "Fundamental Techniques" gehören jener Ratatouille-Schule an, die findet, dass die einzelnen Ratatouille-Teile unbedingt getrennt gegart gehören. "Puristen", nennt der große Larousse solche Leute leicht verächtlich in seiner kurzen Ratatouille-Diskussion, und schlägt sich selbst auf die Gegenseite, indem er ein Rezept bietet, in dem alles Gemüse einfach in einen Topf geworfen wird. Mir ist das unverständlich. Ein gutes Ratatouille lebt für mich davon, dass jedes einzelne Gemüse in ihm seinen Charakter voll ausspielen darf: Die Tomaten ihre Süße und Säure, die Zucchini ihren knackigen Biss, die Melanzani ihre fast rauchig-üppige Cremigkeit, der Paprika seine bitter-süße Note. Zwiebel, Knoblauch, Kräuter und Gemüsesäfte bilden die Bühne, auf denen die Solisten trotzdem zum Orchester werden.


Foto: Tobias Müller

Das wohl berühmteste Ratatouille folgt eher der Ein-Topf-Schule. Es stammt von Thomas Keller, der es wiederum Michel Guerard nachgemacht hat. Keller hat Pixar für den Film beraten und beschreibt das Rezept in seinem Buch "Ad Hoc at Home", allerdings nicht unter dem Namen Ratatouille, sondern "Summer Vegetable Gratin". Der Witz hier ist, dass das Gemüse zwecks Leichtigkeit nicht in Öl gebraten, sondern nur im eigenen Dampf geschmort wird. Tomaten, Zucchini und Melanzani werden in Scheiben geschnitten und über eine Sauce aus eingekochten Zwiebeln, Paprika und Tomaten geschichtet. Anschließend wird das Ganze zugedeckt eineinhalb Stunden im Rohr gebacken und schließlich kurz an der Oberfläche angebräunt. Durch die uniforme Behandlung wird es aber meiner Meinung nach den einzelnen Gemüsearten nicht gerecht.

Ratatouille für fleißige Puristen

Ratatouille schmeckt am nächsten Tag noch besser und hält sich leicht eine Woche. Die hier angegeben Mengen reichen daher etwa für acht Esser. Ich folge hier den Fundamental Techniques, spare mir aber einige Pingeligkeiten.

Zuerst mit zwei Melanzani (so 700 Gramm sind das Ziel) das machen, was der Franzose "degorger" nennt: In kleine Würfel schneiden (Für Fanatiker: Die Fundamental Techniques empfehlen den "Macedoine"- Schnitt, also Würfel mit einer Kantenlänge von fünf Milimeter), kräftig salzen und in einem Sieb ziehen lassen.

Das entzieht den Melanzani Wasser und damit Bitterstoffe, gleichzeitig bremst es die berüchtigte Eigenschaft dieses Gemüses, Öl wie ein Schwamm aufzusaugen.

Währenddessen einen roten und einen grünen Paprika schälen, weniger, weil die Schale stört, sondern weil der Paprika dabei einen besseren Geschmack bekommt. Erst die Früchte entweder über der Gasflamme (sehr schnell), Holzkohlen (schnell) oder dem Backrohrgrill (langsam, etwa 15 Minuten) außen verbrennen, sodass die Haut Blasen wirft.

In eine Schüssel packen, zudecken, etwa 15 Minuten stehen lassen und dann die Haut abziehen. Der Schüssel-Schritt ist essentiell, ohne den Eigendampf der heißen Paprika lässt sich die Haut nicht lösen. Auch das Verbrennen besser ernst nehmen: Nichts ist lästiger, als von heißen Paprika kleine Hautfetzchen herunterzufitzeln.

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Ein knappes Kilo Tomaten schälen (etwa 30 Sekunden in kochendes Wasser tauchen und abziehen) und, wenn man das will, entkernen. Mich stören die Kerne nicht, wer sie rausnimmt, sollte das jedenfalls über einem Sieb tun, um den Saft aufzufangen und später zu verwenden. Weil ich gerade köstliche gelbe hatte, habe ich diese genommen, das Endprodukt war aber farblich etwas blass.

Zwei Zwiebeln würfeln und in 100 Milliliter Olivenöl fünf Minuten erweichen. Die Paprika in gleichmäßige Stücke schneiden und fünf Minuten mitbraten. Die Tomaten klein schneiden und ebenfalls mitbraten. Falls sie entkernt wurden, nach fünf Minuten den Tomatensaft, vier kleingehackte Knoblauchzehen und ein Bouquet Garni (Thymian, Lorbeerblatt, Pfefferkörner, Petersilstängel) dazu geben.

Je nach Tomatenzustand (kosten!) etwas Essig und/oder braunen Zucker zufügen. (Ich finde ja, dass Essig in einer Tomatensauce fast nie schadet.) Salzen und pfeffern und etwa eine halbe Stunde köcheln lassen.

Foto: Tobias Müller

Inzwischen die Melanzani und Zucchini verarbeiten. Von Zweiteren zirka ein halbes Kilo in etwa so große Stücke schneiden wie erstere. In 100 Milliliter heißem Olivenöl einige Minuten braun braten, per Schaumlöffel herausnehmen, auf Küchenpapier abtropfen lassen und, solange sie sehr heiß sind, mit Salz und gehacktem Thymian bestreuen.

Die entwässerten Melanzani auf Küchenpapier ausbreiten und trocken tupfen.

Foto: Tobias Müller

Zum Zucchini-Restöl noch etwa 50 Milliliter dazu kippen, heiß werden lassen und die Melanzani etwa zehn Minuten darin garen, bis sie braun, aber nicht gatschig sind. Abtropfen lassen.

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Das gegarte Gemüse zu der Tomaten-Paprika-Sauce kippen und 15 Minuten köcheln lassen. Sollte das Ergebnis nun eher flüssig sein, alles in ein Sieb geben, die Flüssigkeit auffangen, einkochen und wieder unter das Gemüse mischen.

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Heiß, lauwarm oder kalt sofort oder in den kommenden Tagen servieren. Es passt zu fast allem, was man so in die Finger kriegt – vom getoasteten Weißbrot bis zum gepökelten Schweinskotelett. (Tobias Müller, derStandard.at, 12.8.2012)