Gesundheitliche Konsequenzen eines Stromschlags müssen nicht unbedingt sofort auftreten.

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Ein kurzer elektrischer Schlag, zumeist in der Hand, leichtes Schwindelgefühl, eventuell ein kurzfristig schneller schlagendes Herz, doch damit hat man in der Regel einen Stromschlag im Haushalt auch schon überstanden. Dass es aber zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen kommen kann, ist nicht jedem bekannt. Und dass diese manchmal auch zeitverzögert auftreten, ist ein Umstand, der nicht vielen bewusst ist.

Die wichtigste Info vorab: Nach einem Stromschlag sollte immer der Notarzt oder ein Krankenhaus konsultiert werden. Erst ein Elektrokardiogramm (EKG) gibt Aufschluss darüber, ob Herzrhythmusstörungen vorliegen. Sollten nach sechs Stunden kardiologischer Untersuchung keine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden, so ist die Gefahr in dieser Hinsicht gebannt, sagt der Wiener Kardiologe Martin Gessner im Gespräch mit derStandard.at. Neben dem 12-Kanal-EKG mit Rhythmusanalyse sollte der Arzt auch eine eingehende Anamnese mit körperlicher Untersuchung durchführen. Schließlich kann es beim Stromschlag zu Verbrennungen oder Sekundärverletzungen, etwa durch einen Sturz, gekommen sein.

Nach dem EKG und der Anamnese ist eine 24-stündige stationäre Überwachung möglich, aber nicht zwingend notwendig. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem Auffälligkeiten im EKG, Bewusstlosigkeit nach dem Stromschlag, subjektive Beschwerden wie Herzschmerzen, Atemnot oder Benommenheit, und natürlich gravierende Sekundärverletzungen. Auch bei einer Schwangerschaft der Verunfallten wird zur Sicherheit eine stationäre Überwachung veranlasst.

Wenn der Strom einen "festhält"

Das Ausmaß der Schädigung im Körper durch einen Stromschlag hängt von mehreren Faktoren ab: von der Stromstärke, der Stromart (Gleich- oder Wechselstrom), vom Stromweg durch den Körper und von der Beschaffenheit der Kontaktfläche (Hautdicke und Hautfeuchtigkeit). Wechselstrom ist aufgrund der häufigen Polaritätswechsel gefährlicher für das menschliche Herz, zudem hält er den Betroffenen auch regelrecht "fest".

Im Haushalt hat der Strom eine Spannung von 230 Volt und wird somit in den Niederspannungsbereich eingeordnet (bis 1.000 Volt). Stromschläge in diesem Spannungsbereich gefährden vor allem das Herz, während im Hochspannungsbereich vorwiegend innere und äußere Verbrennungen auftreten. Bei 230 Volt kommt es in der Regel nur zu kurzen Kontakten mit der Spannungsquelle. Fließt der Strom durch die Hand, besteht die Gefahr des Klebenbleibens, da sich die Muskulatur zusammenzieht. Die Kontaktzeit verlängert sich, die betroffenen Muskeln können reißen oder gezerrt werden.

Richtig gefährlich wird es, wenn der Stromweg über den Brustbereich geht. Im schlimmsten Fall kommt es zu Herz- und Atemstillstand, wie Gessner erklärt. Je schneller ein Herz beim Kontakt schlägt – etwa bei körperlicher Arbeit – desto gravierender ist die Reaktion auf den Stromfluss. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Störung der Reizbildung im Herzen und in der Folge zu Rhythmusstörungen oder zum bereits erwähnten Herzstillstand kommt, wird dadurch größer.

Gefahrenquelle Elektrolythaushalt

Wie kommt es nun zu zeitverzögerten Herzrhythmusstörungen? Laut Gessner kann ein Stromschlag zu einer gravierenden Elektrolytstörung führen, indem sich beispielsweise der Kaliumhaushalt massiv verschiebt. Dadurch wird das Herz hinsichtlich Impulsgebung instabiler, Rhythmusstörungen können daraus resultieren, auch Stunden nach dem Stromschlag. Bei einer ärztlichen Untersuchung kann dies leicht festgestellt werden, durch Infusionen wird dann der entsprechende Haushalt wieder ausgeglichen.

Wird man als Anwesender Zeuge eines Stromschlags, so gilt folgende wichtigste Regel: Stromfluss unterbrechen, indem man das Gerät abschaltet, den Netzstecker zieht oder die Sicherung entfernt. Erst dann kann man den Verunfallten berühren, ohne selbst in den Stromkreis zu geraten. Sollte das nicht möglich sein, so muss der Betroffene mit einem nicht leitenden Gegenstand vom Stromkreis entfernt werden.

Danach können beim Verunfallten Symptome auftreten wie Benommenheit, Schwindel, Brustschmerzen und Bewusstlosigkeit. Allerdings korrelieren die sichtbaren Schäden nicht zwingend mit dem Grad der erlittenen Verletzungen. Zudem kann der Stromschlag Spuren auf der Haut hinterlassen haben. Diese "Strommarken" würden dann dem Mediziner helfen, den Stromfluss im Körper nachzuvollziehen. Schon allein deshalb sollte ein Arzt konsultiert werden. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 19.8.2012)