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In der vergrößerten Ansicht ist die erwähnte Terrasse mit Sat-Schüsseln hinter dem Leopoldmuseum (der weiße Quader links) zu erkennen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

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So sah das Museumsquartier im Juni 2001 aus.

Foto: APA/LBS Redl; MQ E+B GmbH

Ich möge mich, rüffelte B., nicht in Andeutungen ergehen: Ganz oder gar nicht solle ich erzählen: Dachgärten, Kronen Zeitung und das Museumsquartier anzureißen, aber dann bei den Nicht-Urnen im Leopold-Museum zu bleiben gehe gar nicht.

Wohlan. Als ich mich letztens hier der Geschichte des Museumsquartiers widmete, erwähnte ich Querelen bei Planung und Bau. Neben dem Wickel zwischen der roten Stadt (Helmut Zilk, Ursula Pasterk) und dem - damals - schwarzen Unterrichtsministerium (Elisabeth Gehrer, Wilfried Seipel) war vor allem Hans Dichands Kampf gegen ein Ding, das als "Leseturm" firmierte, in aller Munde.

Mit dem "Leseturm" wollten die MuQua-Architekten Manfred und Laurids Ortner ihr Projekt sichtbar machen: 67 Meter hoch hätte er werden sollen. Was die Architekten übersahen: In Wien ist die Idee, Modernes weniger als eine U-Bahn-Stunde vom Zentrum entfernt zu bauen, heut schwer umsetzbar. Damals war sie Gotteslästerung: Geduckt und hinter den barocken Mauern versteckt mochte ein moderner Komplex gerade noch angehen - aber zentral, hoch, sichtbar? No way! Da nutzte auch die Kürzung auf 57 Meter nichts: Wer höher als über Hofburg-Traufhöhe hinaus will, braucht in Wien mächtige Fürsprecher.

Wien modern

Die Ortners hatten die nicht. Im Gegenteil: Die offizielle Geschichtsschreibung spricht von zahllosen Bürgerinitiativen und deren prominenten Unterstützern wie Günther Nenning. Und Krone-Chef Hans Dichand. Und mit dem legten sich Zilk und Pasterk lieber nicht an: Das MQ würde Modernität auf Wienerisch zeigen: Versteckt. Hinter einer barocken Fassade kakanischer Reminiszenzen. (Also eigentlich eh ehrlich.)

Freilich gibt es auch noch die inoffizielle Geschichte der Unsichtbarkeit des MQ. Und die ist so banal, dass sie heute vergessen ist. Obwohl ein kurzer Spaziergang genügt, sie - aus jeder Perspektive - zu sehen und zu verstehen.

Blick von der Ringstraße

Vom Ring aus sieht man hinter Maria Theresia die Fischer-von-Erlach-Fassade. Ein bisserl Flakturm. Die Dächerlinie des 7. Bezirks. Sonst nix. Falsch: Weil man den Anblick gewohnt ist, blendet man die säulenbewehrte Penthousefront links über dem Erlach aus. Wo steht dieses Haus? Und: Wer wohnt dort?

Um 1999 war ich einmal oben: Das Penthouse steht am Dach des Möbelhauses Leiner. Haus und Dachgarten sind so groß, wie die Leiner-Grundfläche. Einer der Möbelhaus-Lifte bringt Besucher - mit dem passendem Schlüssel - in den Salon hinter der Säulenfront: Das Wohnzimmer von Herbert Koch. Herbert Koch war, als ich ihn besuchte, Chef der Kika-Leiner-Gruppe. 2009 ging er Pension. Ob er heute noch dort oben wohnt, weiß ich nicht.

Über-Blick von ganz oben

Normalsterblichen, die eine Idee von seinem Alltags-Panorama kosten wollen, empfehle ich seither einen Besuch im Restaurant des Möbelhauses. Ich aber war unvorbereitet: Ich stand und staunte. Vor mir lag die City. Und unter mir wurde gebaut. Die alten Messehallen waren längst weg - die Rohbauten der Museen fertig. "So schön wie früher wird es nicht mehr", sagte Koch hinter mir. Ich drehte mich um - und machte noch größere Augen: Die Rückseite des Raums war ein Spiegelbild des MQ - im Rohzustand. Ein fotorealistisches Gemälde des Areals bevor die 1960-er-Jahre-Hallen planiert worden waren - exakt von jenem Punkt aus betrachtet, an dem ich stand.

"Wow", sagte ich: "Helnwein?" Koch zwinkerte vielsagend. Und erinnerte mich daran, dass mein Fotograf und ich versprochen hatten, keine Fotos zu machen, auf denen auch nur ein Fuzzerl seines Heims zu sehen wäre. Das Stadt-Panorama Stadt aber durften wir knipsen. Als wir im Garten standen, fiel dem Fotografen auf, was man auch von der Straße aus bemerkt - wenn man denn drauf achtet: die Kanten der Museen liegen so, dass der Blick auf Ring und Burg nicht tangiert wird.

Eine Lektion Realverfassung

"Schade, dass da oben kein Kaffeehaus hinkommt", sagte ich. Meine Naivität war echt. Koch lachte. Und gab mir eine Lektion Realverfassung: Derlei sei Anfangs ohnehin angedacht gewesen. Und beide Museen hätten höher werden sollen. Wie hoch? Hoch genug, um auch in seine Richtung blicken zu können. "Fänden Sie das toll? Eben", so der Möbelhaus-Tycoon.

Der Leseturm, gab er uns zu verstehen, sei nachgerade ein idealer Casus Belli gewesen. Als Spitze des Eisberges - pars pro toto: Der Feldzug der Krone habe wie ein Rasenmäher funktioniert. Und alle Träume von Höhe beendet. Ob es denn stimme, dass Hans Dichand selbst hier eine Dachwohnung besäße, fragte ich. Doch Koch wich aus: Das sei doch gar nicht so wichtig. Wichtiger sei, zu verstehen: Jeder schütze, was er schätze. Und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln: "Man muss wissen, wie man seinen Einfluss geltend machen."

Was Koch damit tatsächlich gesagt hatte, verstand ich erst später: Die Kika-Leiner-Gruppe soll damals der zweitgrößte Inserent der Kronen Zeitung gewesen sein. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5.9.2012)