Als vor bald dreißig Jahren, beim Parteitag der SPÖ am 28. Oktober 1982, der Jungsozialist Josef Cap dem bürgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery die berühmten "drei Fragen" stellte, lautete einer der Vorwürfe, Cap kriminalisiere einen verdienten und verehrten Spitzenmann der SPÖ. Was hatte Cap ihm vorgeworfen? Dass Kery mehr verdiene als der Kanzler, dass er verbilligten Strom beziehe und dass er in der Freizeit mit MPs herumschieße.

Heute wirft Cap den Kritikern des Bundeskanzlers vor, sie würden Werner Faymann kriminalisieren, weil er nicht vor dem U-Ausschuss erscheint. Um Fragen zu beantworten, die er noch nicht ausreichend beantwortet hat. Außerdem ersetzten ORF-Sommergespräche keinen parlamentarischen U-Ausschuss. Den Cap nun seit Tagen diffamiert. Dieser sei selbst ein "Kriminalisierungsausschuss", wiederholte Cap am Sonntag in der ORF- Pressestunde.

Mit Ausnahme Jörg Haiders hat sich kein Politiker der letzten Jahrzehnte derart gewandelt wie Josef Cap.

Nicht selten erwachsen aus kirchlich geführten Schulen rebellische, wenn nicht revolutionäre Geister. Bei Cap waren es von Piaristen (Schulbrüdern) geführte Anstalten. Sie vermitteln ihren Zöglingen in der Regel Strukturen und Denkweisen geschlossener Systeme.

Der bald 90-jährige Wilfried Daim, ein Experte für politische Psychologie, hat in seinem 1967 erschienenen Buch Der Vatikan und der Osten Rom mit Moskau, Kirchenzentrale und Kreml verglichen. Die "Wahrheiten" des Kommunismus und des Katholizismus würden auf ähnliche Weise verteidigt, Abweichler ausgestoßen und/oder gemaßregelt, die jeweiligen Päpste oder Parteichefs für sakrosankt erklärt.

Wenn Dissidenten oder Revolutionäre selbst an die Macht kämen, würden sie genauso agieren wie die von ihnen Attackierten. Denn jetzt seien sie im Besitz der "Wahrheit", führten Verfechter der Theorien Wilfried Daims öfter aus. Cap entspricht diesen Modellen von Machtergreifung und Machtausübung.

Für ihn ist der Kanzler unangreifbar. Faymann, der gleichzeitig Parteichef ist, darf nicht geladen und schon gar nicht verhört werden. Der Kanzler selbst klärt auf, sagte Cap in der Pressestunde. Dieser steht somit außerhalb des Parlamentarismus und der Justiz, zweier Säulen der Gewaltenteilung.

Sollte das so sein (was Cap sicher bestreitet), beschreitet der Klubobmann der SPÖ im Nationalrat auch Wege hinaus aus der Demokratie und dem westlichen Parlamentarismus.

Damit ist er, ohne dass er es merkt, ein Fall für die von ihm geforderte Instanz eines Bundesstaatsanwalts geworden.

Cap ist nicht korrupt (wie höchstwahrscheinlich Jörg Haider es war), Cap bezieht keinen verbilligten Strom (wie Theodor Kery) und er besitzt auch keine MP oder Pumpgun, mit der er auf Spatzen schießen könnte.

Aber jene Polemik, die er bei anderen kritisiert, jene Untergriffe, die er Gegnern verbietet, macht ihn zu einem Kettenhund ohne Ketten. Er bellt an der langen Leine und merkt den Schaden nicht. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 24.9.2012)