Vor allem die Zahnzwischenräume sollten bei der Reinigung nicht vergessen werden.

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Viele kennen das Problem, die wenigsten nehmen es ernst. Zahnfleischbluten wird meist als Bagatelle verharmlost, als nicht verhinderbares kleines Übel. Doch wer nach dem Zähneputzen roten Zahnpastaschaum spuckt, lebt nicht so ungefährlich, wie er denkt. Denn es könnte ein Symptom für eine ernsthafte Erkrankung sein.

Mehr als 90 Prozent seiner Patienten leiden unter Zahnfleischbluten, schätzt Walter Wadsak, Spezialist für Parodontologie. Kein seltenes Problem also. Und kein Grund, es auf die leichte Schulter zu nehmen. Zahnfleischbluten ist häufig der Anfang fortschreitender Zahnfleischerkrankungen. "Blut ist immer ein Alarmsignal. Es besteht eine Entzündung, die behandelt werden muss", erklärt Wadsak.

Zahnfleisch nicht schonen

Zahnfleischbluten entsteht infolge einer Gingivitis, einer Entzündung des Zahnfleischrandes. Ausgelöst wird diese durch Bakterien im Zahnbelag. "Der häufigste Grund für Zahnfleischbluten ist schlechte Mundhygiene. Daher ist eine Zahnfleischentzündung auch schnell rückgängig zu machen, wenn die Putztechnik stimmt", so der Parodontologe. Wer aufgrund der Blutungen instinktiv aufs Zähneputzen verzichten möchte, um das Zahnfleisch zu schonen, tut sich also nichts Gutes. Im Gegenteil, Parodontose und Karies wird Vorschub geleistet.

Besonderes Augenmerk gilt bei der Zahnreinigung den Zahnzwischenräumen, hier bilden sich besonders entzündliche Prozesse. Neben dem routinierten Griff zur Zahnbürste sollte daher auch die Reinigung mit Zahnseide und Zahnzwischenraum-Bürstchen zum Alltag werden. "Und natürlich ist eine regelmäßige Mundhygiene beim Spezialisten unablässig", sagt Wadsak.

Sensible Schwangere

Schwangere klagen besonders oft über Probleme mit den Zähnen. Tatsächlich leiden sie häufiger unter Zahnfleischbluten. Grund sind die hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft, die das Zahnfleisch sensibler auf bakterielle Zahnbeläge reagieren lassen. Noch viel mehr als sonst empfehlen Experten in dieser Zeit auf gute Zahnpflege zu achten.

Hilfreich können das Benutzen weicherer Zahnbürsten und engmaschigere Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt sein. Leiden Schwangere an Übelkeit und Erbrechen, ist es ratsam, erst etwa 20 Minuten nach dem Erbrechen die Zähne putzen, denn der Zahnschmelz ist durch die aufsteigende Magensäure vorübergehend besonders empfindlich.

Medikamentöse Nebenwirkung

Zahnfleischbluten muss also nicht immer eine entzündliche Ursache haben. Auch Personen, die aufgrund eines Thromboserisikos blutverdünnende Medikamente einnehmen, leiden häufiger unter Zahnfleischbluten. Die Blutungsneigung ist durch die gerinnungshemmende Wirkung erhöht.

Auch bei Fehlfunktionen der Schilddrüse und Diabetes mellitus kann vermehrt geschwollenes und blutendes Zahnfleisch auftreten. "Bei einer Zuckerkrankheit müssen immer auch die Zähne mitbehandelt werden, weil die Abwehrmechanismen gegen Bakterien geschwächt sind und auch die Speichelproduktion herabgesetzt ist", so Wadsak.

Zahnfleisch kontrollieren

Der große Übeltäter bleibt jedoch die Zahnfleischentzündung. Die Parodontale Grunduntersuchung (PGU) wird daher bei der Diagnostik von Zahnfleischbluten routinemäßig eingesetzt. Mit dieser einfachen Untersuchungsmethode lässt sich schnell herausfinden, wie gesund das Zahnfleisch ist und wie es therapiert werden muss.

"Bis zu 50 Prozent der Bevölkerung leidet an tiefen Zahnfleischentzündungen, da sind teilweise Flächen von der Größe einer Stirn massiv entzündet und eitrig", erzählt der Expert aus seinem Arbeitsalltag. Schreitet der Prozess fort, sind Zahnverluste die Folge.

Zahnfleischbluten ist also keine Bagetelle, sondern vielmehr Grund, den Zahnarzt aufzusuchen. "Manchmal reicht neben einer normalen Mundhygiene aber schon, dass Sie sich eine schonende Putztechnik erklären lassen", beruhigt Wadsak. (Karin Jirku, derStandard.at, 11.12.2012)