"Gothic"

Entwickler: Piranha Bytes

Publisher: JoWood Entertainment

Erschienen: 2001

Genre: Action-Rollenspiel

Nachfolger: "Gothic II" + "Die Nacht des Raben", "Gothic 3" + "Göttderdämmerung", "ArcaniA: Gothic 4" + "Fall of Setarrif"

Der Spieler übernimmt in diesem Genre in der Regel die Rolle eines einzelnen Helden. Dieser muss, während er einer Haupthandlung folgt, zahlreiche Aufgaben bestehen und kann auch optionale Aufträge annehmen. Anders als reine Rollenspiele sind Action-RPGs in der Regel kampflastiger und bieten mitunter auch Geschicklichkeitseinlagen. Bei modernen Genrevertretern wird zumeist in der Third-Person-Perspektive, also mit erhöhtem Blickwinkel hinter dem Rücken des Protagonisten, gespielt.

Foto: Pluto 13

Der erste Weg führt ins "alte Lager", am Horizont zaubert die magische Barriere ein Muster.

Foto: derStandard.at/Pichler

Als Neuling ist schon ein ausgewachsener Wolf eine echte Herausforderung.

Foto: derStandard.at/Pichler

Wer sich zu schnell mit den falschen Gegnern einlässt, endet nicht selten so.

Foto: derStandard.at/Pichler

Doch dafür helfen Typen wie Gorn als Ausbildner beim Verbessern der eigenen Fertigkeiten.

Foto: derStandard.at/Pichler

Er lebt mit den Söldnern im "neuen Lager" (Panorama-Ansicht).

Foto: derStandard.at/Pichler

Im Sumpf hingegen vertreiben sich die Sektenjünger die Zeit mit dem Rauchen des dort wachsenden und begehrten Krautes. (Panorama-Ansicht)

Foto: derStandard.at/Pichler

Auch das "alte Lager" ist ein Ort des geschäftigen Treibens.

Foto: derStandard.at/Pichler

Gegen Ende des Spiele häufen sich die Konfrontationen mit den Orks. So wie hier bei der Erforschnug einer alten, jedoch bedeutenden Grabanlage.

Foto: derStandard.at/Pichler

Auch in "Gothic II" gibt es malerische Orte zu besuchen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Auf diesem großen Bauernhof machen die Söldner Station.

Foto: derStandard.at/Pichler

Das Mönchskloster ist nur über eine Brücke zu erreichen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Verrucht, rau und salzig: Das Hafenviertel von Khorinis. (Panorama-Ansicht)

Foto: derStandard.at/Pichler

Die riesige, jedoch leere und schwer fehlerbehaftete Welt von "Gothic 3" stellt den unrühmlichen Wendepunkt der Serie dar.

Foto: Nordic Games

Während Piranha Bytes mit "Risen" die Herzen der "Gothic"-Jünger erwärmen konnte,...

Foto: Rebell.at

...verliert sich das grafisch hübsche "Arcania" in einer anspruchslosen Umsetzung für die Masse.

Foto: Nordic Games

"Gothic"? Halt, hier geht es doch um "Games von Gestern"? Ist das wirklich schon so lange her? Ja, in der Tat. Es war 2001 als die deutsche Spieleschmiede Piranha Bytes unter Schirmherrschaft des Publishers Shoebox (heute dtp entertainment) das Rollenspiel auf den Markt brachte. Die internationale Bedeutung der Reihe hielt sich bis zuletzt in Grenzen, besonders im deutschsprachigen Raum genießen aber vor allem die ersten beiden Teile der Reihe hohe Anerkennung.

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

Die Vorgeschichte umfasst zwar, wie so oft und unvermeidbar, eine Bedrohung durch eine böse Macht, hat aber darüber hinaus seine eigenen, originellen Eigenheiten aufzuweisen. Das Setting ist die Insel Khorinis, Teil des von König Rhobar II regierten Reiches "Myrtana". Dieser hatte davor drei andere Reiche unterjocht und Invasion der verfeindeten, aber untereinander zerstrittenen Orks verhindern können.

In Folge der langen Kriege war das Land geschwächt. Ein zweiter Ansturm der Orks, zehn Jahre später, brachte den Herrscher wesentlich mehr in Bedrängnis. Um die grünhäutigen Invasoren abzuwehren, benötigte seine Armee magisches Erz – möglichst viel davon -, das auf Khorinis abgebaut wird. Um den Prozess zu beschleunigen wurden kurzerhand alle verurteilten Verbrecher – vom Dieb, bis zum Steuersünder oder Meuchler – in den Minen der Insel zur Arbeit verpflichtet.

Der Kuppelbau zu Khorinis

Um den wertvollen Rohstoff zu schützen, beauftragte der Herrscher seine Magier, eine Barriere um das sogenannte "Minental" zu errichten. Das klappte besser als geplant, denn plötzlich war ein Gutteil der Insel, inklusiver örtlicher Burg und einige Orkgebiete, eingezäunt. Durch die magische Wand, – durch die man zwar hinein, aber nicht mehr hinauskam – effizient abgeschottet, machten die Gefangenen zuerst mit ihren Wärtern kurzen Prozess und spalteten sich danach in drei Lager auf.

Das "Alte Lager", das auch die einst königlichen Feuermagier beherbergt, lieferte dem König weiter Erz gegen die Wunscherfüllung mit allerlei Waren. Das aus Bauern, Banditen und Söldnern bestehende "neue Lager" wiederum sucht mit Hilfe von Wassermagiern nach einem Weg, die Barriere zu zerstören und die dritte, sektenartige Gruppierung hat sich in den Sumpf zurückgezogen, um einen ominösen "Schläfer" zu ehren und auf dessen Rückkehr zu warten. In großer Ausführlichkeit können Freunde von Rollenspiel-Geschichte und -Mythologie übrigens alles im Gothic-Almanach nachlesen.

Rauhe Sitten

Es ist diese rauhe Welt, die der Spieler betritt. Dabei kommt "Gothic" ohne Vorgeschichte und Namen für den Protagonisten aus. Bekannt ist nur: Er muss wohl irgendwas verbrochen haben, immerhin wird er zum Aufenthalt in der Minenkolonie verdonnert (es sollte keine weitere Rolle spielen), und er trägt einen Brief für die Feuermagier bei sich, der ihm kurz vor der Verbannung übergeben wird.

Zum Einstieg in seine neue Heimat wird der Held zwecks Begrüßung von Rauhbein Bullit und zwei seiner Handlanger verprügelt, bis ihn Diego – einer jener Figuren, die den Spieler durch die ganze Serie begleiten – rettet. Er ist es dann auch, der ihn erst einmal unter seine Fittiche nimmt, und auch für den Aufstieg im alten Lager wichtig ist.

Jedes der Lager besteht aus mehreren Hierarchieebenen. In drei Stufen kann sich der Spieler vom Anwärter zum "normalen Mitglied" bis hinauf in die Etage der Mächtigen vorarbeiten. Die drei Parteien sind zwar untereinander verfeindet, eine definitive Bindung an ein Lager tritt aber erst nach Übertritt vom Novizen- in den normalen Mitgliedsstatus ein.

Liebe zum Detail

Bis es dazu kommt, sind aber zahlreiche Aufträge zu erledigen. "Gothic" präsentiert sich als 3D-Actionrollenspiel, das in der Third-Person-Perspektive absolviert wird. Grafisch war das Spiel für damalige Verhältnisse sehr gut, aber nicht im Spitzenfeld der Darstellungswunder. Gepunktet wurde dafür mit Atmosphäre.

Die Umgebungen sind sehr natürlich und glaubhaft gehalten und man ist ob mancher Wald-, Wiesen- und Berglandschaften beinahe verleitet, von "österreichischem Charme" zu sprechen. Kaum ein Fleck wird lieblos hingeklatscht, stattdessem lädt die Landschaft zum Erkunden ein. Das Geschehen wird optisch unterstützt von Tag- und Nachtwechseln, Wettereffekten sowie Unregelmäßigkeiten in der magischen Kuppel, die entfernt an die Aurora Borealis erinnern.

Das Risiko abseits der Wege

Exotischer als die Landschaft ist die Fauna auf Khorinis. Neben Wölfen treiben sich vermehrt auch zu groß geratene, flugunfähige Vögel mit Aggressionsproblemen ("Scavenger") auf dem Eiland herum. Gemeinsam mit Insekten namens "Blutfliegen" zählen sie zu jenem Repertoire an Gegnern, an das sich der Held schon relativ früh heranwagen kann. Für viele andere der in der Regel bösartigen Tierwelt – von Goblins über verschiedene Echsen bis hin zu Orks und Skeletten – gilt das nicht.

Wer also bei seinen Aufträgen oder beim fröhlichen Erkunden zu weit von ausgetretenen Pfaden auskommt, muss besonders zu Anfang des Spiels auf der Hut sein. Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen pfeift "Gothic" auf das Konzept des "Mitlevelns", sondern lässt den Spieler selbst entscheiden, in welchem Umfang er sich in Gefahr begibt. Selbst einem klein und harmlos wirkenden Goblin genügen zunächst ein bis zwei Treffer, um dem Hauptprotagonisten das sprichwörtliche Licht auszublasen

Adrenalinkick

Um so schöner dafür, wenn man erfolgreich in ein entlegenes Waldstück oder einen Höhle vordringt, dort eine Truhe knackt und es heil wieder zurück schafft. Neben Flucht war auch das Anlocken einzelner Gegner aus Gruppen eine beliebte Strategie, um derlei Probleme kleinweise zu lösen. Zu guter Letzt ließen sich übermächtige Widersacher auch einfach in die Nähe von freundlichen Computercharakteren – etwa die Torwachen der jeweiligen Lager – lotsen, welche dann eingriffen. Der Nachteil der Methode: Keine Erfahrungspunkte.

Lebendige Welt

Piranha Bytes war es außerdem gelungen, jedem der Fraktionen ein ganz eigenes Flair zu verpassen. Etwa durch Umgebung und Sound: das "alte Lager" ist rund um eine Burg errichtet, das "neue Lager" ist zu einem Gutteil in einer riesigen Höhle gebaut und die Sekte wohnt in einem Sumpfgebiet am Rande des Meeres an einem beeindruckenden Wasserfall.

Die NPCs gingen jeweils einem eigenen, wenn auch vorbestimmten Tagesgeschäft nach und ließen ihr Werk in der Nacht ruhen. Beim Hindurchstreifen durch die Menge gab es zufällige (und auf Dauer etwas repetitive) Gesprächsschnipsel zu hören, untermalt von Schmiedehammer und anderen Werkzeugen sowie anderen Geräuschen. In- und außerhalb der Siedlungen erweckte das virtuelle Khorinis stets einen ausgesprochen lebendigen Eindruck.

Gelungene Vertonung

Die Dialoge mit computergesteuerten Figuren sind exzellent vertont, der raue Umgangston fügt sich gut ins Gesamtbild ein. Nicht selten begegnen NPCs dem Spieler schnell mit Gewaltandrohung. Wer in fremden Hütten herumstöbert, wird zuerst zum Verlassen selbiger aufgefordert und bei fehlender Folgeleistung attackiert.

Im "alten Lager" übernimmt dies in der Regel die Garde, welcher sich der Spieler im weiteren Verlauf auch selbst anschließen kann. Ist man einmal KO geschlagen, wird man dann meist auch noch verschiedener Habseligkeiten beraubt. Umgekehrt kann man sich nach gewonnenen Kämpfen am Inventar des Gegners bereichern, solange dieser noch am Boden liegt. Mit einem Schwertstich kann man das Leben des Widersachers auch beenden, was von den Aufpassern und anderen Umstehenden jedoch unmittelbar gerächt wird.

Schnell stellt sich ein wohliges Immersionsfeeling ein, das Gefühl einer echten Aufgabe, sich zwischen Quests, Kämpfen und Gesprächen bewähren zu können.

Das verschollene Konzert

Während man sich im Lager der Wahl durch Auftragserfüllung, aber auch Intrigenspiele und den Gebrauch der Fäuste nach oben rackert, stellt die Hauptgeschichte sicher, dass man auch ohne eigener Erkundungsgänge viel von der Welt zu sehen bekommt. Und so entfaltet sich die Handlung langsam in verschiedenen Kapiteln, man erfährt mehr über Umfeld und Vorgeschichte, und wird erfahrener.

Dazwischen überrascht ein virtueller Auftritt der Band "In Extremo" im "alten Lager", der leider in späteren, international vertriebenen Ausgaben des Spiels aus Rechtegründen ersatzlos gestrichen wurde.

Von den Besten lernen

Questabschlüsse und gewonnene Kämpfe bringen Erfahrungspunkte, die zu Levelaufstiegen führen, für die es wiederum Lernpunkte gibt. Statt in einem Fähigkeitenbaum herumzuklicken, werden diese Lernpunkte bei verschiedenen Mentoren gebraucht, die dem Spieler neue Fähigkeiten beibringen oder ihm helfen, seine körperlichen Attribute zu steigern, um bessere Gegenstände verwerten zu können.

Ein cleverer Schachzug dabei ist, dass viele dieser "Ausbildner" gleichzeitig eine wichtige und dauerhafte Position im Rahmen der Handlung einnehmen und dem Alter Ego im Laufe der Zeit immer freundlicher gesinnt werden. Neben Diego wären das etwa der Jäger Cavalorn oder der Söldner Gorn, die neben anderen spätestens in"Gothic II" den Status alter Bekannter einnehmen. Sie sind als Charaktere entsprechend gut ausgearbeitet, doch auch viele Figuren reizen schnell zu Sympathie oder Abneigung.

Gleichzeitig verfügt "Gothic" auch über ein einfaches Crafting-System. Dieses erlaubt, ebenfalls unter dem Einsatz von Erz und Lernpunkten, die Herstellung von Tränken, Waffen und anderen Gegenständen.

From Zero to Hero

Teil eins der "Gothic"-Reihe führt den Spieler vom Neuankömmling in der Kolonie über die Orkgebiete bis in die Orkgebiete und letztlich in den Endkampf gegen den "Schläfer", der sich entgegen landläufiger Annahmen nicht als Hirngespinst herausstellt. Die Bestie wird besiegt – nicht ohne noch einmal einen lauten Hilfeschrei auszustoßen -, die Barriere zerstört und der Spieler auf seiner Flucht unter Steinen begraben.

Kleinere Schwächen

Obwohl "Gothic" letztlich ein sehr erfolgreiches Spiel war, hatten viele Spieler anfangs mit diversen Fehlern und Performanceproblemen zu kämpfen. Wie bisher jeder Teil der Reihe wurde das Spiel erst Monate nach dem Release wirklich vervollständigt.

Suboptimal gelöst sind auch Inventarsystem und Kollisionsabfrage. Erstes ist äußerst umständlich zu bedienen, Zweiteres arbeitet nicht besonders genau, was in Verbindung mit der etwas hakeligen Steuerung einiges Frustpotenzial birgt. Modernen Genrevertretern wie "Skyrim" oder "Two Worlds" ist das erste "Gothic" hier haushoch unterlegen.

Der neue, alte Held aus dem Schutthaufen

Im zweiten Teil der Serie – er erschien im November 2002, die Serie wurde ab nun von JoWood (Wikipedia) vertrieben – konnte Piranha Bytes hier mit Verbesserungen aufwarten, ohne aber wirklich große Fortschritte zu erzielen. Weiter auf hohem Level blieb dafür alles andere. Der Held war der gleiche wie aus Teil 1, nach Wochen unter Felsen war er allerdings vieler Erinnerungen und der eigenen Kräfte großteils beraubt. Lediglich seine magische Rüstung ließ ihn überleben, sodass der Magier Xardas ihn retten konnte. Und der verkündet sogleich, das neues Unheil droht.

Mit letzter Kraft hat der Schläfer vor seinem Ableben noch einmal alle Mächte der Finsternis beschworen. Diesem Ruf gefolgt sind auch die Drachen. Der Spieler muss nun nicht nur die Statthalter des Königs in der nach der Insel benannten Hafenstadt Khorinis von deren Existenz überzeugen, sondern sich auch im alten Minental der Ork-Bedrohung annehmen. Ein mächtiges Artefakt, das "Auge Innos" soll im Kampf gegen die geschuppten Bestien und bei ihrer Befragung helfen, aus welcher man sich wertvolle Hinweise für eine Lösung erhofft.

Viele Wege führen nach Khorinis

Eben noch Weltenretter, ist man wieder zum Anfänger degradiert und wird in seinen Lumpen gar nicht erst in die Stadt gelassen. Eine Möglichkeit des Eintritts bietet da die Möglichkeit, sich bei einem Bauern als Tagelöhner zu verdingen, um sich schließlich mit entsprechender Kleidung bei der Stadtwache als Bote auszugeben. Doch es gibt auch andere Mittel und Wege.

Hau den Ork (oder lass' ihn verhauen)

Noch stärker als der erste Teil spielt "Gothic II" die Karte der Handlungsfreiheit. Viele Quests sind prinzipiell auf mehreren Wegen lösbar, von denen alle unterschiedliche Vor- und Nachteile besitzen. Eine sehr beispielhafte Aufgabe ergibt sich früh. Um zum regulären Bürger der Stadt zu werden, benötigt der Spieler eine Lehrstelle und dazu wiederum die Zustimmung mehrerer ansässiger Meister. Der örtliche Schmied verlangt nach einer Mutprobe und fordert den Spieler auf, einen Ork zu erlegen. Das Problem kann auf vier verschiedene Arten gelöst werden.

So kann man den Schmied davon überzeugen, dass so ein Ork doch recht gefährlich ist, und muss es daraufhin "nur" noch mit einer Banditenbande aufnehmen. Alternativ kann man einen nahe der Stadt residierenden Orkspäher im Nah- oder Fernkampf angreifen, was zu Beginn des Spiels jedoch noch mit hohem Risiko verbunden ist, oder den Gegner an das Stadttor lotsen, damit die hiesigen Wächter sich seiner annehmen. Die Orkenaxt (oder Relikte der Banditen) in Händen, ist der Schwert- und Rüstungsmacher jedenfalls vom Mut des Spielers überzeugt.

Göttliches Gleichgewicht

Mit der magischen Barriere haben sich auch die damaligen Fraktionen aufgelöst. In der Stadt halten nun die königliche Miliz und die Paladine die Ordnung, außerhalb proben Bauern und Banditen den Aufstand und im abgeschotteten Kloster widmet man sich weniger weltlichen Dingen. Im Add-on "Die Nacht des Raben" (2003) gesellen sich auch noch Piraten hinzu, die aber hauptsächlich für einen neu hinzugekommenen Handlungsstrang wichtig sind.

In "Gothic II" spielen die drei Götter der Spielwelt eine wesentlich größere Rolle. Es sind diese Innos, zuständig für Ordnung, Feuer und Licht, Beliar, Herr über Dunkelheit und Chaos und Adanos, der als Wassergott zwischen den anderen beiden für Balance sorgen soll. Selbstredend ist das übernatürliche Gefüge nach dem Hilferuf des Schläfers aus dem Gleichgewicht geraten und muss wiederhergestellt werden.

Eingeschränkter Spaß auf modernen Systemen

Mehr sei zur Handlung an dieser Stelle nicht mehr verraten. Wer "Gothic II" noch nie gespielt hat, aber Action-Rollenspiele mag, sollte dies nachholen. Im Gegensatz zu Teil 1 lässt sich dieser nämlich relativ problemlos mit Hilfe von zwei Patches auf modernen Betriebssystemen wie Windows 7 und 8 zum Laufen bringen. Beim ersten "Gothic" hingegen verleiden Probleme mit der Steuerung, Anzeigefehler und diverse Bugs auf aktuellen Plattformen den Spielspaß leider gehörig.

Oh, du mein schönes Khorinis

Trotz seiner technischen Schwächen und gealterten Grafik besticht die ebenfalls von Piranha Bytes entwickelte Fortsetzung auch heute mit schönen Natureindrücken und einer ebenso lebendigen Welt, wie sie der Erstling bieten konnte

Die Liebe zum Detail spiegelt sich nicht nur außerhalb, sondern vor allem innerhalb der Stadtmauern wieder. Obwohl nur dreißig Sekunden virtueller Fußmarsch dazwischen liegen, bestechen die unterschiedlichen Viertel des Ortes – Hafen- und Armenviertel, Marktgebiet, Festung und Oberstadt – mit ihrem jeweils eigenen Flair. Auch heute noch dürfte so manchen Spieler eine Nacht in der "Roten Perle" reizen.

"Gothic 3" wird zum Wendepunkt

"Gothic II" ist für viele auch der bisherige Höhepunkt der Reihe. Es sollte bis Oktober 2006 dauern, ehe JoWood und Piranha Bytes nach einigen Verzögerungen schließlich Teil 3 veröffentlichten, der unter keinem guten Stern stand.

Schon gegen Ende der Entwicklung krachte es zwischen Entwickler und Publisher, die sich nach dem Release eines unfertigen Produkts gegenseitig den Schwarzen Peter zuschoben. In der Tat war die Verkaufsversion von "Gothic 3", so sie sich überhaupt starten ließ und halbwegs absturzfrei lief, nicht zu Ende spielbar. Grund waren neben unzähligen technischen Gebrechen Bugs in der Hauptquest, die ein Fortsetzen der Handlung unmöglich machten und zahlreiche Speicherstände vernichteten.

Trennung im Streit

Dem Eklat folgte die Trennung von Piranha Bytes und JoWood. Es sollte Monate dauern, bis "Gothic 3" tatsächlich einigermaßen spielbar war, einer der bislang krassesten Fälle sogenannter "Bananaware". Eine ausgesprochen leere Spielwelt mit lange, eintönigen Fußmärschen, eine über viele Strecken uninspirierte Geschichte sowie schlechte Gegner-KI nebst eintönigem Kampfsystem ließen das Spiel zu nicht mehr als einem überdurchschnittlichen Vertreter seines Genres werden – zuwenig nach Gothic-Standards.

Mit dem Add-on "Götterdämmerung" (über dessen Namen JoWood die Fangemeinde hatte abstimmen lassen), stolperte man in die gleiche Misere. Auch hier musste ordentlich gepatched werden – teilweise Fehler, die in der Hauptversion von "Gothic 3" längst behoben waren. Fehler, die laut Interviews in der GameStar hauptsächlich durch die eher knappe Entwicklungszeit und der Unerfahrenheit der indischen Entwickler Trine Games mit dem Code von Piranha Bytes entstanden waren.

Community lässt die Banane reifen

Einen klugen Zug setzte JoWood damit, Entwicklern aus der Community Zugang zum Quellcode des Spiels zu geben. Wenigstens auf technischer Seite konnten viele Mankos ausgebessert werden. Die bislang letzte Version des Community Patches, weit über einen Gigabyte groß, erschien 2010. Bis heute arbeitet ein Community Story-Projekt daran, ein umfangreiches Inhaltspaket für den mittlerweile sechs Jahre alte Titel zu basteln. Die äußerst passionierte Fangemeinde hinter "Gothic" hat auf Basis der Spielengine vor einigen Jahren sogar einen abendfüllenden Film unter Mithilfe der Originalsprecher produziert.

Ein neuer Anlauf mit "Arcania"

Nach dem Abgang von Piranha Bytes, die mit "Risen" 2009 einen absolut würdigen Quasi-Nachfolger für die "Gothic"-Reihe unter der Flagge von Deep Silver lieferten, sollte es das renommierte Studio Spellbound ("Spellforce") richten und das Gothic-Franchise wieder auf die Beine bringen. "ArcaniA" hießt das Projekt, das mit beeindruckenden Screenshots die Fans auf die Probe spannte.

Doch die Wiederbelebung wollte nicht so recht gelingen. Die Probleme hielten sich auf technischer Seite in Grenzen (nach den ersten zwei, zeitig gelieferten Patches war das Gröbste ausgemerzt) und optisch war das Gebotene tatsächlich prächtig, jedoch versagten abermals Spielmechanik und – noch wichtiger – das Storytelling. Insbesondere der einleitende Teil des Spieles, der am idyllischen Eiland Feshyr stattfindet, darf getrost als erzählerischer Totalschaden bezeichnet werden. Selten wurde man so plump in die Vorgeschichte des nagelneuen Helden und die Spielwelt eingeführt.

Masse statt Klasse

Einmal am Festland und damit im Hauptteil des Spieles angekommen, wurde zwar alles irgendwie besser, trotzdem war durchgehend bemerkbar, dass man mit allen Mitteln ein massentaugliches Werk zustande bringen wollte – denn in den USA erlangten selbst die ersten beiden Teile nur spärliche Berühmtheit. Der internationale Erfolg gelang aber weder mit "ArcaniA", noch dessen Add-on "Fall of Setarrif".

Piranha Bytes entwickelt heute noch und brachte vergangenes Frühjahr den zweiten Teil von "Risen" auf den Markt, der im Dezember mit dem "Deutschen Entwicklerpreis" geehrt wurde.

Aus JoWood wird Nordic Games

Publisher JoWood hingegen existiert nicht mehr. Das Unternehmen, das sich einst sogar mehrere Standorte in Österreich geleistet hatte, stand im vergangenen Jahrzehnt gleich mehrmals vor der Pleite. Im Januar 2011 rutschte man schließlich endgültig in die Insolvenz. Die komplette Liquidierung des Betriebs verhinderte nur der Einstieg der schwedischen Investoren von Nordic Games, die seither auch alle Rechte an der Marke "Gothic" halten und den Namen JoWood von der Bildfläche verschwinden ließen.

Ein fünfter Teil des gefallenen Klassikers ist derzeit nicht in Aussicht. Weder gibt es Aussagen von Nordic Games, noch machen sich die Fans viele Hoffnungen, von dem Franchise in absehbarer Zeit etwas zu hören. Nur ein kleines Grüppchen harrt auf Facebook wie Sumpfsektenjünger der Dinge, die da vielleicht einmal kommen mögen... (Georg Pichler, derStandard.at, 15.01.2013)