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Kämpfer des "Al-Muwaka'un bi-l-Dima"-Bataillons der islamistischen GIA entführten 1994 den Air-France-Flug 8969.

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Seit 1993 in Nordafrika aktiv: Mokhtar bin Mohammed Belmokhtar.

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STANDARD-Ausgabe vom 27. Dezember 1994 über das Geiseldrama in Marseille.

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GIA, GSPC, AQMI – im Lauf der vergangenen 20 Jahre hat Algerien schon viele Namen und Abkürzungen auf- und wieder absteigender jihadistischer Gruppen kennengelernt. Nur ein Name ist gleich geblieben: Mokhtar bin Mohammed Belmokhtar. Bei allen genannten Organisationen hat er eine führende Rolle gespielt. Sein jüngstes Engagement: Chef der "Katibat al-Mulathamin" (Bataillon der Verhüllten, eine Referenz auf die in der Sahel-Zone verbreitete Praxis, dass Männer ihren Mund verhüllen).

Zuletzt haben Belmokhtars Kämpfer mit ihrem Angriff auf eine Gasförderanlage nahe der ostalgerischen Ortschaft In Amenas die Welt schockiert. Ein islamistisches Kommando hatte Mitte Jänner die weitläufige Anlage in der algerischen Wüste gestürmt und hunderte Geiseln genommen, darunter auch ein Österreicher. Bei der blutigen Befreiung durch Spezialkräfte wurden nach algerischen Angaben 37 ausländische Geiseln getötet. Die Geiselnehmer hatten unter anderem ein Ende des französischen Militäreinsatzes in Mali gefordert. Doch das Geiseldrama in der Wüste könnte nur die Spitze eines Eisberges gewesen sein.

Nach dem Angriff wurde von Experten und Medien Belmokhtars Leben, Werdegang, Ideologie und die Bedeutung seines verlorenen Auges analysiert und porträtiert. Nur ein wichtiges Detail ist dabei unbeachtet geblieben: der Name der ausführenden Gruppe, "Katibat al-Muwaka'un bi-l-Dima" (Bataillon jener, die mit Blut unterschreiben). Großteils begnügte man sich mit der Erklärung, der Name sei eine Referenz auf die blutigen Ziele der Organisation.

Air-France-Flug 8969

Doch in Frankreich schrillten beim Erklingen des Namens des "Blutbataillons" die Alarmglocken. Denn bereits einmal gab es eine Einheit namens "Al-Muwaka'un bi-l-Dima" (Jene, die mit Blut unterschreiben), die nicht nur in Algerien für Angst, Schrecken und viele Tote sorgte: Am 24. Dezember 1994 brachten vier als Polizisten verkleidete Geiselnehmer der "Groupe Islamique Armé" (GIA) den Air-France-Flug 8969 am Flughafen Algier in ihre Gewalt.

Nachdem sie drei Geiseln erschossen hatten, hoben die Geiselnehmer mit mehr als 170 Passagieren zum Flughafen Marseille ab. Dort erwartete sie bereits eine Spezialeinheit der französischen Gendarmerie, die die Maschine stürmte. Alle vier Geiselnehmer wurden getötet, 25 Menschen verletzt. Die Kämpfer der GIA operierten 1994 unter demselben Namen wie die Geiselnehmer 2013 in Algerien: "Al-Muwaka'un bi-l-Dima".

Belmokhtars Aufstieg

Erstmals aufgefallen ist die Parallele zwischen den beiden Gruppen dem Journalisten Malik Aït-Aoudia Anfang Dezember 2012, als Belmokhtar die Gründung des "Blutbataillons" bekanntgab.

@7our Comme le nom de la Katiba du GIA à laquelle appartenaient ceux qui ont détourné l'Airbus d'Air France le 24 décembre 1994 à Alger.

— Malik Aït-Aoudia (@malikaitaoudia) 5. Dezember 2012

Gegründet wurde die Gruppe vermutlich als eine Art Spezialeinheit seiner "Verhüllten" ("Katibat al-Mulathamin"), nachdem Belmokhtar im selben Jahr aus der "Al-Kaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) hinausgeworfen wurde - ein Schicksal, das ihm in der Vergangenheit bereits öfter widerfahren ist.

1993 schloss er sich nach seiner Rückkehr aus Afghanistan zunächst der algerischen Islamistenbewegung GIA an und stieg dort die Karriereleiter hoch. Als die Gruppe Ende der 90er Jahre zerfiel, half der erfahrene Kämpfer 1998 beim Aufbau der "Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat" (GSPC). Als sich die GSPC in "Al-Kaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) umbenannte, war auch Belmokhtar einer der führenden Köpfe der Organisation.

2012 kam es aber zum Zerwürfnis mit dem Al-Kaida-Ableger, und Belmokhtar war fortan auf sich allein gestellt.

Parallelen

Was genau den Jihadisten nun zur Gründung des "Blutbataillons" verleitet hat, bleibt unklar. Kennt man jedoch Belmokhtars Vorliebe für historische Referenzen, kann die identische Namensgebung mit der Gruppe von 1994 kein Zufall sein. Auch die Parallelen zwischen der Operation 1994 in Marseille und jener 2013 bei In Amenas sind frappierend:

  • Bei beiden Angriffen wurde ein Land für die Unterstützung eines Krieges in einem anderen abgestraft: Die Geiselnahme 1994 war laut GIA die Reaktion auf Frankreichs Hilfe für das Regime in Algier im algerischen Bürgerkrieg. Der Angriff bei In Amenas war laut Belmokhtar die Reaktion auf Algeriens Unterstützung von Frankreichs Intervention in Mali.
  • In beiden Fällen war die Geiselnahme nur ein Mittel, um ein noch größeres Ziel zu erreichen. 1994 wollten die Geiselnehmer die Passagiermaschine in Marseille auftanken, um das Flugzeug als fliegende Bombe auf Paris stürzen zu lassen. Auch beim Angriff bei In Amenas 2013 verfolgten die Geiselnehmer offenbar das Ziel, die Gasförderanlage in einem gigantischen Feuerball explodieren zu lassen, berichtet die "New York Times".

"Wir versprechen weitere Einsätze"

Wieso der einäugige Islamist seiner Spezialeinheit denselben Namen wie den Jihadisten von 1994 gab, weiß letztlich nur Belmokhtar selbst. In Paris zerbricht man sich unterdessen den Kopf, ob die 32 Geiselnehmer von Algerien der Großteil von Belmokhtars "Blutbataillon" oder nur die Spitze des Eisbergs waren.

Sollte sich herausstellen, dass die Attentäter von In Amenas nur ein Teil von Belmokhtars Spezialeinheit waren, werden sich Franzosen und Algerier auf weitere Anschläge gefasst machen müssen. Das kündigten auch die verbliebenen Kämpfer Belmokhtars gegenüber der mauretanischen Nachrichtenagentur ANI Ende Jänner an: "Wir versprechen weitere Einsätze in allen Ländern, die an dem Kreuzzug gegen Azawad (den Norden Malis) teilgenommen haben, wenn sie ihre Entscheidung nicht überdenken." (Stefan Binder, derStandard.at, 5.2.2013)