Crashtest-Clown mit Problemoptik? Das war einmal. Mit dem Qoros 3 debütiert in Kürze eine chinesische Automarke, die mithilfe westlicher Technik den europäischen Markt aufrollen will
Ein warmes Willkommen sieht anders aus: Wenige Wochen vor dem globalen Marktstart des chinesischen Automobilherstellers Qoros hat ein Hamburger Gericht dem ehrgeizigen Entrepeneur verboten, den Buchstaben "Q" als Kürzel für seine Modelle zu verwenden. Kein geringerer als die Edel-Marke Audi reklamiert den Buchstaben für seine Q-Reihe. Grund für die juristischen Grabenkämpfe ist eine an der Schnittstelle zwischen Kompakt- und Mittelklasse angesiedelte Limousine, deren Debüt beim Genfer Autosalon nichts weniger als eine kleine Revolution am europäischen Automobilmarkt auslösen könnte: der Qoros 3.
Ein Modell, dem Erfolg quasi in den Unterboden getackert wurde: korrektes Design, solide Qualität, sparsame, zukunftsweisende Motorisierungen – damit will Qoros im Westen punkten. Den Rest soll der obligate Bestpreis erledigen. Und um den Anspruch gleich einmal zu unterstreichen, wurde für die Genfer Schau bereits die Präsentation zweier Studien avisiert: ein Crossover namens Cross Hybrid Concept, das einen Ausblick auf ein Fließheck gibt, sowie das Estate Concept, ein sehr konkreter Kombi-Ableger des Stufenhecks.
Insgesamt also ein smartes Winner-Paket, das nicht zuletzt die Erinnerung an jene dunklen Tage tilgen soll, als Auto-China in Europa bestenfalls für teils skurrilen Kopismus und eine fragwürdige Auffassung von Sicherheitstechnik bekannt war. Unvergessen der umgestoppelte Uralt-Klepper Opel Frontera, der 2005 als Jiangling Landwind für eines der schlechtesten Crashtest-Ergebnisse aller Zeiten und beißenden Spott sorgte. Notdürftig zusammen geschraubte Ware nur über einen Hosen-runter-Preis in den Markt zu drücken – bei der anspruchsvollen europäischen Kundschaft ging das Copy-Paste-Kalkül nicht auf.
Nach dem Debakel und einigen gescheiterten Versuchen anderer Hersteller in Europa Fuß zu fassen – siehe Beijing Automobile Works, Brilliance China Auto, Shanghai Automotive Industry –, machten die Anbieter aus Fernost lieber als Investoren von sich reden.
Chinesisch-israelisches Joint-Venture
Im Hintergrund tüftelte jedoch ein chinesischer Hersteller unverdrossen an dem Einstieg in den prestigeträchtigen Markt im Westen: Chery Automobile. Die Marke ist seit 2003 Chinas größter Auto-Exporteur und hält sich auf der Suche nach neuen Absatzmärkten nicht mit Nationalismen auf. Seit Jahren setzt Chery auf ein dichtes Netz aus globalen Zuliefer-Unternehmen.
2007 schließlich gründete man die "Chery Quantum Automotive Corporation" (CQAC), ein Joint Venture zwischen Chery und der Israel Corporation. Israels größte Industrieholding, die vor einigen Jahren als Förderer des E-Autoprojekts "Better Place" bekannt wurde, beteiligte sich zur Hälfte an dem 1,5-Milliarden-Dollar-Startup. Konkrete Mission: Aufbau einer Modellpalette, die europäischen Standards genügen sollte – und nicht zuletzt auch in China verkauft werden konnte.
Richtig Fahrt nahm das Projekt im Oktober 2009 auf, als CQAC auf der Suche nach einem Entwicklungspartner bei Magna Steyr fündig wurde. Fortan zeichneten die steirischen Engineering-Spezialisten für die Genese des chinesischen Prestige-Projekts mitverantwortlich und brachten die ersten Prototypen auf die Straße.
Österreichisches Know-how
Der Zuschlag kam nicht von ungefähr, schließlich hat sich Magna mit der Entwicklung der ersten Generation des Audi TT oder des BMW X3 sowie diverser Allrad-Systeme für Mercedes oder Fiat als Rundum-Versorger für die großen Hersteller etabliert. Zudem hat Magna International im Reich der Mitte – neben 23 Produktionsstandorten – nicht weniger als vier Entwicklungszentren laufen. Der in China vom Reißbrett und innerhalb von vier Jahren zur Serienreife gebrachte Modellfamilie wird also gar nicht anders können, als das Image-Desaster von Landwind und Konsorten vergessen zu machen. Fünf Sterne sind bei der anstehenden NCAP-Kaltverformung Pflicht.
Die Beteiligung des Antriebsspezialisten AVL List macht die seit 2011 unter dem Namen Qoros auflaufende Marke quasi zum Austro-Chinesen. Schließlich wurden alle Benziner der 3er-Familie mithilfe der Steirer zur Produktionsreife gebracht. AVL arbeitet bereits seit Jahren mit der Mutter Chery zusammen und entwickelte für die Chinesen eine komplette Motorenreihe mit Namen "Acteco". Für den Genfer Debütanten gibt's vorerst einen 1,6-Liter-Motor, der nicht zuletzt dank variabler Ventilsteuerung 128 PS an die Vorderräder bringt. Die Turbo-Version stemmt 158 PS. Bereits angekündigt sind jedoch zwei brandneue, ebenfalls mit AVL-Support entwickelte Benzin-Aggregate: einen 1,2-Liter-Dreizylinder-Turbo sowie einen 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbomotor.
Aus aller Herren Länder
Abseits des Österreich-Aspekts setzen die Chinesen bei ihrem Markt-Debüt auf arrivierte Namen – gleich, ob Zulieferer oder Manpower. Komponenten kommen von Continental, Bosch, Getrag oder Hama, die Bord-Software spielt Microsoft ein. Auf menschlicher Seite griffen die Newcomer arrivierte Manager aus der europäischen Autobranche ab: Den Vorstandschef gibt Ex-VW-Mann Volker Steinwascher, vormals für das Amerika-Geschäft von Volkswagen verantwortlich, Leiter der Fahrzeugentwicklung ist ein Ex-BMW-Mann. Der Sicherheitsexperte kommt von Saab, die Entwicklungsprozesse sind Sache eines ehemaligen Jaguar-Managers, für den Aufbau des frisch hochgeziegelten, nahe Shanghai in einer Sonderwirtschaftszone gelegenen Qoros-Werks hat man einen BMW-Experten auf die Payroll gesetzt.
In Sachen Design wurden die Chinesen ebenfalls bei den Bayern fündig: Gert Hildebrand, bis 2011 Chefdesigner der BMW-Tochter Mini, zeichnet für den Auftritt der Qoros-Familie verantwortlich. Die zeigt einen Mix aus unaufgeregten, dennoch eigenständigen Formen, der mehr einem optischen Soliditätsversprechen als großen Experimenten verpflichtet ist. Damit sortieren sich die Neuankömmlinge aus Fernost geläufig in die Riege jener Fabrikate ein, bei denen Sex-Appeal vor allem vom Preisschild ausgeht.
Komplette Ausstattung zum Bestpreis
Noch ist die exakte Kalkulation nicht bekannt – doch mit einem China-Kracher zum Dumping-Preis ist nicht zu rechnen. Stattdessen könnte ein – im Vergleich zum Mitbewerb – deutlich kompletter ausgestattetes Auto zum spürbar günstigeren Preis aus Fernost anlanden. Fraglich bleibt, ob die anvisierte Kundschaft sich damit über das Fehlen einer Diesel-Alternative hinweg trösten lässt.
Skoda Octavia und Rapid, Seat Toledo, eine Reihe Japaner und die gerade aufblühenden Koreaner sind dennoch die wichtigsten Kontrahenten. Aber auch kostenbewusste Down-Sizer aus höheren Preisregionen der Kompaktklasse könnten sich angesprochen fühlen. Klassisches Volkswagen-Terrain also. Kein Wunder, dass VW-Tochter Audi den Chinesen einen eher frostigen Empfang bereitet hat. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 19.2.2013)
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Chinesische Qoros und Audi streiten um das Q
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