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Miguel Díaz-Canel: Designierter Castro-Erbe.

Foto: Reuters/Boylan

An Raúl Castros rechter Seite saß Bruder Fidel, der historische Führer der kubanischen Revolution, zu seiner linken ein großgewachsener, grauhaariger Mann: Miguel Díaz-Canel. Der 52-Jährige ist ein stoisch und ernst wirkender Ingenieur, der nicht gerne im Rampenlicht steht. Doch das wird in Zukunft schwer werden, denn bei der Eröffnung der neuen Legislaturperiode am Wochenende ernannte Raúl Castro den langjährigen Parteifunktionär zum ersten Vizepräsidenten des Staatsrates - zum zweitmächtigsten Mann auf Kuba.

"Er ist kein improvisierter Neuling, sondern ein loyaler, ideologisch gefestigter Kamerad", so Castro. Sollte der 81-jährige Raúl seine neuerliche Amtszeit von fünf Jahren nicht beenden, würde Díaz-Canel ihn ersetzen.

Seit der kubanischen Revolution von 1959 hatten die beiden Castro-Brüder die Geschicke des Landes geleitet, umgeben von einer Riege alternder Generäle. Doch es ist nicht nur ein Generationenwechsel, der nun an der Spitze vollzogen wird, sondern auch ein Wechsel der Perspektive.

Der in Villa Clara geborene Díaz-Canel ist kein Militär, er kennt die Heldentaten der Revolutionäre nur aus Büchern. 2003 wurde er zum jüngsten Mitglied in der Geschichte des Politbüros ernannt, seit einigen Monaten schickt ihn die Führung auch auf internationales Parkett. Da wirkte er bisher eher hölzern. Als Anfang Jänner die venezolanische Führung in Caracas ein Happening veranstaltete, um den krebskranken Staatschef Hugo Chávez in Abwesenheit zu vereidigen, las Díaz-Canel revolutionäre Parolen vom Blatt ab. Privat gilt er dagegen als intelligent, dialogfähig und humorvoll.

In seiner Jugend trug Díaz-Canel lange Haare und bewunderte die Beatles. Er gehörte einst einer Gruppe junger Kader um den ehemaligen Außenminister Roberto Robaina an. Die meisten Mitglieder dieses " Reformflügels" fielen vor zehn Jahren wegen "politischer und ethischer Verfehlungen" in Ungnade. Díaz-Canel überlebte wegen seiner Linientreue.

Ob er nach dem Dahinscheiden der Castro-Brüder genügend Charisma und Machtinstinkt hat, um sich durchzusetzen, muss sich noch erweisen. Überraschungen sind nicht auszuschließen. "Was er wirklich denkt und vorhat, werden wir erst wissen, wenn die Castros nicht mehr da sind", schrieb die Dissidentin Yoani Sánchez - sollte er so lange politisch überleben. Nummer zwei der Castros zu sein hat sich schon für manchen als Schleudersitz erwiesen. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 1.3.2013)