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Fritz Knoll 1938 in großer Pose - als der von der NSDAP eingesetzte Rektor der Uni Wien.

Foto: Archiv der Uni Wien

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Ein Passfoto aus dieser Zeit. 1961 (!) erhielt Knoll für seine Amtsführung das "Rektorserinnerungszeichen".

Foto: Archiv der ÖAW

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Lateinisch verschwurbelte Anerkennung für Knolls Rektorat, das für die "Entfernung" sämtlicher jüdischer Mitarbeiter von der Universität Wien sorgte: Das Rektorserinnerungszeichen aus dem Jahr 1961.

Foto: Archiv der ÖAW

Ein langes Leben als Wissenschafter führt am Ende oft noch zu späten Auszeichnungen. Beim Botaniker Fritz Knoll, der im Februar 1981 im 97. Lebensjahr verstarb, war es nicht anders. 1965, also mit 81, erhielt der Forscher das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Bereits 1961 wurde ihm durch den akademischen Senat der Uni Wien eine Urkunde verliehen, auf der es unter anderem heißt: "Friderico Knoll (...) qui ut dominus in regimine civitatis nostrae academicae annis MCMXXXVIII/ MCMXLIII optime meritus est, (...) quod vulgo dicitur Rektorserinnerungszeichen (...)."

Diese Urkunde war nicht die einzige Ehrenbezeugung, die Fritz Knoll dafür erhielt, dass er nach dem "Anschluss" von den Nazis eingesetzter Rektor der Universität Wien war: Schon im März 1943 hatte sich die Beamtenschaft der Hochschule erlaubt, "anlässlich der Vollendung Ihrer Amtstätigkeit als erster Rektor der nationalsozialistischen Universität Wien Eurer Magnifizenz den Ausdruck unserer tiefempfundenen Treue und Dankbarkeit zu unterbreiten. (...) Heil Hitler!"

In der langen Geschichte der Uni Wien seit 1365 stellte Knolls Amtszeit von 1938 bis 1943 eine Besonderheit dar: Der Botaniker war der einzige Rektor, der in der langen Geschichte der Uni Wien von politischen Machthabern kommissarisch eingesetzt wurde. Dasselbe gilt auch für seine Leitung der Akademie der Wissenschaften. Wie aber kam es, dass dieser Wissenschafter, über den sich die heimischen Universitätshistoriker bis jetzt großzügig ausschwiegen, Rektor einer der größten und ältesten Unis Europas wurde? Was hat Knoll als Rektor geleistet? Und wie schaffte er es, nach 1945 zu seiner zweiten Karriere und zahlreichen Auszeichnungen zu kommen?

Geboren wurde Knoll 1883 in der steirischen Kleinstadt Gleisdorf, die ihn übrigens bis heute mit einer Fritz-Knoll-Straße ehrt. Nach dem Studium an der Uni Graz mit den Schwerpunkten Zoologie und Botanik und der Habilitation an der Uni Wien wurde er 1922 an die Universität Prag und 1933 an die Uni Wien berufen. Als seine wissenschaftlichen Hauptverdienste gelten anerkannte blütenökologischen Arbeiten über die Bestäubung von Pflanzen durch Schmetterlinge.

Daneben engagierte sich Knoll aber auch schon sehr früh politisch: Er war etwa Vorstandsmitglied des 1908 gegründeten Deutschen Klubs, eines Forums deutschnationaler Akademiker. Im Juli 1933 trat er dem NS-Lehrerbund bei, im November 1937 stellte er einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der NSDAP (Mitgliedsnummer 6.235.774). Seine Vorlesungen hatte er damals längst in Stiefeln und SS-Hose gehalten.

Nach dem 12. März 1938 schlug dann Knolls große Stunde: Die Landesleitung der NSDAP machte ihn zum Rektor . Eine seiner ersten Aufgaben war es, die Hochschule "vor allem rasch und gründlich von allen jenen Professoren und Dozenten zu befreien, die als Lehrer an einer nationalsozialistischen Hochschule nicht geeignet waren", wie es in einem Bericht aus der Zeit heißt.

Diese Aufgabe erledigte Knoll recht prompt und zuverlässig: Am 23. April 1938 waren 252 Universitätslehrer aus "rassischen" und politischen Gründen von der Uni Wien entfernt. "Nach der Reinigung der Lehre und Forschung von rassefremden und volksfremden Wissenschaftern ist es nun erst möglich geworden, dass der deutsche Lehrer und Forscher in jeder Hinsicht ein Vorbild für die deutsche Jugend sein kann", referierte Knoll drei Jahre später bei einem Vortrag in Bukarest: "Deshalb ist der Jude auch aus unserer Wissenschaft verschwunden, und zwar für alle Zeiten."

Parallel machte Knoll auch an der Akademie der Wissenschaften Karriere, wo er seit 1934 Mitglied war. Der Botaniker wurde auch mit der Wahrung der Interessen der NSDAP betraut. Knolls Tätigkeit sah unter anderem auch die Entlassung jüdischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an jenen Instituten vor, die von der Akademie verwaltet wurden. Im Falle des angesehenen Radiuminstituts und der ähnlich renommierten Biologischen Versuchsanstalt (BVA) bedeutete das schwere Verluste: Jüdische Forscherinnen und Forscher waren dort besonders stark vertreten, weil sie an der Uni Wien seit den frühen 1920er-Jahren kaum mehr Karrierechancen hatten.

Während Knolls kurzes Akademie-Interregnum bereits im März 1939 wieder zu Ende ging, amtierte er als Rektor noch bis März 1943. Bis dahin hatte Knoll Gelegenheit, auf akademischem Boden für den Nationalsozialismus zu werben. Eine seiner exponiertesten Reden, aus der bereits zitiert wurde, hielt Knoll 1941.

Damals ging er auch auf die Rolle der Juden in der Wissenschaft ein: " Jüdisch aufgemachte Wissenschaft unterscheidet sich im allgemeinen nicht viel vom jüdischen Journalismus. Beides sollte ja doch in erster Linie dem jüdischen Streben nach Weltgeltung und Weltbeherrschung dienen. Dabei zeigte es sich, dass die jüdischen Forscher bestimmte Arbeitsgebiete bevorzugten und teilweise sogar erst schufen, um auf diese Weise ihre rassegebundenen Fähigkeiten (...) für ,die Welt' und damit schließlich gegen das deutsche Volk zur Geltung zu bringen."

Im März 1943 räumte Knoll dann das Rektorat für den Anatomen Eduard Pernkopf, der durch die Anschaffung von 1377 Exekutionsopfern vor allem für seinen Anatomie-Atlas schaurige Berühmtheit erlangte. Grund für Knolls Rückzug war, dass die Nazis Rektorenwechsel nach fünf Jahren verlangten. Zudem war Knoll bei fanatischen Nazis schlecht beleumundet. In einer vertraulichen Beurteilung hieß es über ihn etwa: "Vor allem fehlte ihm jede repräsentative Wirkung, ebenso wie er in vieler Beziehung als zu weich empfunden wurde."

Diese Kritik sollte sich für Knoll nach 45 als Glücksfall herausstellen. Zwar wurde er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der NSDAP aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Im Dezember 1947 erhielt er dann aber den Bescheid, dass er als "minderbelastete Person" gelte. Aus diesem Grund wurde seine Entlassung in eine Pensionierung umgewandelt.

Damit konnte auch Knolls Mitgliedschaft an der Akademie wieder aufleben. Und so kam es, dass der Botaniker auf seine späten Tage noch zum Wissenschaftshistoriker wurde. 1951 gab er im Auftrag der ÖAW den Band Österreichische Naturforscher und Techniker heraus, der zeigen sollte, " wie groß bisher der Anteil von Österreichern an den Erfolgen der Naturforschung und der Technik und damit am allgemeinen Fortschritt der Menschheit war". 1957 folgte dann, wieder unter Federführung Knolls, der Band Österreichische Naturforscher, Ärzte und Techniker.

Etliche Beiträge der großformatigen Bücher wurden von Ex-Nazis verfasst - neben Knoll selbst schrieb etwa Eduard Pernkopf die Anatomie-Texte. Bemerkenswert sind auch die Forscher, die auf den 450 Seiten mit keinem einzigen Wort erwähnt werden. Um nur drei Beispiele zu nennen: Stefan Meyer, Physiker und langjähriger Leiter des Radiuminstituts der Akademie, fehlt ebenso wie Hans Przibram, Zoologe, 1902 Gründer und bis 1938 Leiter der Biologischen Versuchsanstalt, die ab 1914 Akademie-Institut war, von dieser aber nach 1938 der Zerstörung preisgegeben wurde. Ebenfalls ausgespart: Eugen Steinach, BVA-Abteilungsleiter und weltberühmter Pionier der Hormonforschung, der fünfmal für den Nobelpreis nominiert wurde.

Alle drei waren jüdische Forscher, die ihre Arbeitsgebiete - in den Worten Knolls von 1941 - "teilweise sogar erst schufen". Alle drei wurden unter Knolls Ägide 1938 aus der Akademie und der Uni Wien entfernt; Steinach starb 1944 im Schweizer Exil, Przibram im selben Jahr im KZ Theresienstadt. Konsequenterweise fehlen sie in den von der ÖAW und Knoll herausgegebenen Bänden der großen österreichischen Forscher. Wie hatte der Botaniker denn auch 1941 formuliert: "Deshalb ist der Jude auch aus unserer Wissenschaft verschwunden, und zwar für alle Zeiten."

Im selben Jahr, in dem der zweite Band erschien, wurde Fritz Knoll mit 74 Jahren dann Sekretär der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse und ein Jahr später sogar noch Generalsekretär der Akademie. Das Amt sollte er sieben Jahre lang bis 1964 ausüben. 1967 wurde der 84-Jährige dann noch ein allerletztes Mal geehrt: mit der Medaille "Bene merito" für besondere Verdienste um die ÖAW. (Klaus Taschwer//DER STANDARD, 2./3. 3. 2013)