"Einer der häufigsten Gründe für Schlafstörungen im Alter ist nächtlicher Harndrang, medizinisch Nykturie oder nächtliche Polyurie", sagt Angelika Etele-Hainz von der Uni-Klinik für Urologie Wien anlässlich des Welt-Schlaf-Tages am 15. März. In Österreich wachen über 500.000 Frauen und knapp 300.000 Männer öfter als zweimal pro Nacht wegen einer vollen Blase auf. Bereits ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit kontinuierlich zu, so die Expertin. Sind bei den 60- bis 69-Jährigen etwa 30 Prozent betroffen, macht bei mehr als 40 Prozent der über 70-Jährigen der Harndrang die Nacht zur Qual.

Heimliches und unterschätztes Leiden

Kaum jemand redet darüber, die meisten Betroffenen leben damit – und leiden darunter. Laut Meinung von Etele-Hainz ist eine rasche Abklärung und Behandlung des nächtlichen Harndrangs in vielfacher Hinsicht entscheidend. Durch das dauerhafte nächtliche Aufstehen geraten Nykturie-Patienten mit der Zeit in ein enormes Schlafdefizit und leiden an einer daraus resultierenden ausgeprägten Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit. Menschen mit Schlafstörungen fühlen sich außerdem gestresst und neigen zu Stimmungsschwankungen. Andauernder Schlafmangel schränkt die Gedächtnisleistung ein und mindert zudem die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Auch die Immunabwehr ist verringert. Erkrankungen wie Diabetes, Herzkreislauf-Schwäche oder Depressionen verschlechtern sich, so die Urologin.

Dazu kommt, dass der nächtliche Gang zur Toilette vor allem für ältere Menschen zusätzliches Gefahrenpotenzial in sich birgt. "Das Sturz- und Frakturrisiko und somit die Gefahr eines Oberschenkelhalsbruchs steigt auf das Doppelte an. Diese Knochenbrüche sind häufig der Beginn einer Pflegebedürftigkeit und bedeuten damit Abhängigkeit und Verlust der Selbstständigkeit.", warnt Etele-Hainz.

Keine natürliche Folge des Älterwerdens

"Nicht selten ist das gehäufte nächtliche Wasserlassen eine Begleiterscheinung einer Erkrankung wie Diabetes mellitus, Herz- oder Nierenschwäche oder einer überaktiven Blase. Auch entwässernde Medikamente und übermäßiges Trinken vor dem Schlafengehen können Ursache sein. In Österreich ist bei geschätzten 60.000 Menschen der Mangel an einem bestimmten Botenstoff, der zur Folge hat, dass die Niere auch nachts munter weiterproduziert, für die gehäufte harndrangbedingte Bettflucht verantwortlich", erklärt Etele-Hainz. 

Wenn zwei oder mehr nächtliche Toilettenbesuche notwendig sind oder ein Drittel der gesamten täglichen Harnmenge nachts ausgeschieden wird, sei das nicht als natürliche Folge des Älterwerdens zu sehen, sondern als Krankheit, die abgeklärt und behandelt werden sollte, so die Medizinerin abschließend. (red, derStandard.at, 15.3.2013)