Regenbogenkind.

Foto: http://www.katsey.org/

"Es gibt Geschichten, die brauchen Gesichter!" – Marianne, Tania und ihr frischgeborener Sohn Elias.

Foto: http://www.katsey.org/

"Dass wir zwei Väter sind, brauchen wir nicht lange zu erklären, das leben wir": Michael, Jürgen und ihr Pflegesohn.

Foto: http://www.katsey.org/

"Wir vier sind die biedere Vorstadtfamilie": Sonja, Julia mit ihren Kindern Sara (5) und Jonas (1).

Foto: http://www.katsey.org/

Bald ein Regenbogen-Patchwork: Andrea und Astrid erwarten im Sommer ihr Kind.

Foto: http://www.katsey.org/

Hier ist der Storch gelandet. Bunte Wimpel schmücken den Gartenzaun der Doppelhaushälfte einer Wohnsiedlung in Pfaffstätten in Niederösterreich. Den Storch aus Holz hat die Gemeinde zur Verfügung gestellt, die Wimpel eine Nachbarin genäht: "Elias" steht drauf geschrieben. Der hängt, als sich die Haustür öffnet, seiner Mama gemütlich über die Schulter, gerade ist er eine Woche alt geworden. Dass alles einmal so kommen würde, haben sich Tanja und Marianne lange nicht gedacht. Marianne, die Elias vor einer Woche auf die Welt brachte, sitzt am Esstisch beim Tee und erzählt, dass für sie nur die Karriere wichtig war.

Bis sie vor fünf Jahren Tanja traf. Kennengelernt haben sich die Lehrerinnen am Arbeitsplatz, ein gemeinsames Kind war bald ein Thema. Jetzt hält sie es auf dem Arm. Seit gestern muss Tanja schon wieder arbeiten, einen "freiwilligen Co-Mama-Monat" gibt es noch nicht. Aber nicht einmal das kann im Moment die Freude der beiden Mütter trüben. Sie freuen sich auf den Sommer.

I love my two Mommies!

Auf dem Wohnzimmerteppich liegen Neugeborenen-Geschenke, ein Body für Elias mit der Aufschrift "I love my two Mommies!", von Schülerinnen bemalt. "Es gibt Geschichten", sagt Tanja und übergibt den Sohn Marianne zum Stillen, "die brauchen Gesichter!" Wie eben jene von Tanja und Marianne. Sowohl ihre Familien als auch das berufliche Umfeld hätten die RegenbogenfamilienGründung extrem freudig aufgenommen. Neugierigen Schülern haben sie offen Auskunft gegeben, etwa, dass sie sich als Paar für einen "offenen" und nicht "anonymen" Spender einer dänischen Samenbank entschieden hätten und dass Elias, wenn er 18 ist, Informationen über ihn erhalten kann.

Um sich selbst darüber klar zu werden, wie sie ihren Kinderwunsch verwirklichen wollen, sind die beiden vor eineinhalb Jahren zu einem Treffen der Kinderwunschgruppe des Vereins FAmOs (Familien Andersrum Österreich) gekommen. Ein knappes Jahr haben sie diese Plattform zum Informationsaustausch auch geleitet: "Ein Job mit Schwangerschaftsgarantie", scherzt Tanja, 37, und strahlt übers ganze Gesicht. "Wir haben viel Glück gehabt", sagt auch die 41-jährige Marianne und meint damit, dass es überhaupt geklappt hat - und so schnell.

Kein Co-Mama-Monat

Für viele homosexuelle Paare gestaltet sich der Weg zum "eigenen" Kind schwierig. Rechtlich und kostentechnisch. Auch deswegen gibt es den Verein FAmOs. Die harten wie traurigen Fakten sind schnell aufgezählt: Lesbische und schwule Paare dürfen nur in einigen Bundesländern Pflegeeltern werden (derzeit Wien, Oberösterreich, Steiermark, Tirol). In Österreich besteht ein Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare.

Homosexuelle Paare werden hierzulande von der künstlichen Befruchtung ausgeschlossen. Und, besonders grausam: Es gibt ein explizites Adoptionsverbot der gemeinsamen Kinder für PartnerInnen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Zum Glück hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Februar 2013 beschlossen, dass dieses Verbot gegen die Menschenrechte verstößt. Die österreichische Regierung ist also aufgefordert, das Verbot aufzuheben. Die Justizministerin hat das noch für dieses Jahr zugesichert. Immerhin.

Sporadisch Kontakt zum Vater

"Die Gesellschaft ist weiter als die Politik", sagt Sonja kopfschüttelnd. Sie kann das beurteilen. Um den Küchentisch ihrer Neubauwohnung wuselt Jonas, gerade 18 Monate alt, und schaut seiner fünfjährigen Schwester Sara interessiert beim Zeichnen zu. Die heute 34-jährige Hebamme, die sich mit 18 geoutet hat, wollte immer Kinder, war lange Single und wollte nicht warten, bis es mit dem Kinderkriegen altersbedingt schwieriger wird. Sie hat Sara von einem anonymen Samenspender (via Spenderplattform im Internet) bekommen, der im Gegensatz zu Samenbanken im Ausland kein Geld verlangt hat. Sporadisch, sagt die Mutter, gäbe es Kontakt, damit die Kinder wissen, dass sie einen Papa haben. 

Bieder mit zwei Kindern

Die 33-jährige Julia, die neben Sonja sitzt, spinnt diese ungewöhnliche Familiengeschichte weiter: "Als wir vor drei Jahren zusammengekommen sind, war Jonas schon in Planung." Sie lacht: "Ich bin Peter Weck in 'Ich heirate eine Familie'." In dem Jahr, in dem es mit der Befruchtung nicht gleich funktioniert hat, konnte Julia in ihre Co-Mutter-Rolle reinwachsen, war bei der Geburt von Jonas dabei und, heute sagt auch Sara schon manchmal "Mama" zu ihr. "Wir vier", sagen die Frauen, "sind die biedere Vorstadtfamilie mit zwei Kindern."

Rein rechtlich ist Sonja Alleinerzieherin. Kritik aus den eigenen Reihen schmerzt da, wie der Kommentar des Generalsekretärs der Homosexuelleninitiative (Hosi), Kurt Krickler (im "Profil" 12/2013), der das Kinderwunsch-Thema bei Homosexuellen zum Minderheitenprogramm erklärt hat. Sonja hat das geärgert. "Unsere Kinder gehören abgesichert", sagt sie. Solange sie da ist, ist alles gut: "Wenn mir etwas passiert und Behörden blöd entscheiden, kommen die Kinder zu Pflegeeltern." Die beiden Frauen sind bewusst nicht verpartnert, weil das keine echte Gleichstellung bedeutet. Im öffentlichen Leben gibt es nur einen Weg: sich sofort outen, dann reagiere auch das Umfeld sehr selbstverständlich. Sonja hat recht, wenn sie sagt, dass sich die Gesellschaft im Gegensatz zur Politik verändert habe: Im Krankenhaus wurde auch der "zweiten Mama" gratuliert; Julias Mutter, die jetzt wider Erwarten Enkelkinder hat, ist begeistert; und auch Saras Freundinnen wissen, dass sie zwei Mamas hat. Für die Kinder ist das kein Thema.

Schwule Männer haben es noch schwerer

Schwule Paare mit Kinderwunsch haben es noch schwerer, auch weil Leihmutterschaft ein kompliziertes Thema und mit der Möglichkeit der Samenspende nicht zu vergleichen ist. Für den 45-jährigen Architekten Jürgen und Michael, 35 und Mode-Filialleiter, ist die Sache mit einem Kind im Haus schnell gegangen. Von der MA 11 vor vier Jahren aktiv beworben, hat das schwule Paar 2009 von Oktober bis Dezember eine Pflegeeltern-Schulung absolviert und bereits im Jänner den Anruf bekommen, mit dem sie erst ab März gerechnet haben. Im Gegensatz zu den meisten Hetero-Paaren, die ausschließlich Babys in Pflege nehmen wollen, nahmen sie auch ein älteres Kind. In einem Album klebt die erste Aufnahme, die sie von Leo (Name geändert) bekommen haben. Damals war ihr Pflegesohn drei.

Heute ist er sechs, knotzt mit der Perserkatze auf dem Sofa, isst ein Schokoladenei und kommt im Herbst in die Schule. Was in der Dachwohnung im 18. Bezirk nach purer Idylle aussieht, war nicht immer einfach. Leos Mutter, mit einer schwierigen eigenen Geschichte, wollte keine schwulen Väter für ihr Kind. Das Argument, dass sie weiter die Mutterrolle behalten würde, hat sie überzeugt. Im März 2010 landete Leo nach einer Eingewöhnungsphase ganz bei den beiden. Seine Mutter sieht Leo seit kurzem einmal pro Monat eine Stunde am Jugendamt. Manche Defizite konnte der Bub aufholen. Andere bleiben, aus Erfahrung, ein Leben lang. Aber mit zwei Vätern, drei Katzen, Psycho- und Ergotherapie und einem Platz im katholischen Privatkindergarten gleich gegenüber ist der Kleine bestmöglich versorgt. "Dass wir zwei Väter sind", sagt Jürgen, "brauchen wir ihm nicht lange erklären. Das leben wir." Leo ist schlau, vor kurzem hat er gefragt, ob ein Kind auch drei Väter haben kann. Es kann.

Ein alter Schulfreund

Wenn die 41-jährige Marketingleiterin Andrea im Sommer ihr Kind auf die Welt bringt, dann hat es im besten Fall: zwei Mütter und zwei Väter. Ihrem schönen Schwangerenbauch gehen eine Menge Überlegungen voran: "Begonnen hat alles bei einem FAmOs-Treffen", erzählt ihre Partnerin Astrid, 39 und Immobilienmanagerin. Dort haben die beiden, seit acht Jahren ein Paar, erstmals von der "Bechermethode" gehört: "Aha, das funktioniert also auch." Nach vielen Gesprächsrunden wurde klar: Wir wollen klarer Lebensmittelpunkt sein, aber einen aktiven Vater für unser Kind haben. Auf Geralds Zusage, er ist ein alter Schulfreund von Andrea und schwul, mussten die beiden ein Jahr lang warten.

Das war im Sommer 2010. Was sich andere nicht vorstellen konnten, fühlt sich hier familiär an: Gerald kommt mit zum Ultraschall, Andreas Eltern kennen ihn von früher, und Geralds Freund Matthias hat sich nicht nur in einen neuen Mann verliebt, sondern auch in einen werdenden Vater - und wird Teil dieses Regenbogen-Patchworks sein. Alles ist durchbesprochen worden, trotzdem will niemand "blauäugig" sein, natürlich werde es Diskussionen geben, aber: "Wir kennen im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren keine Kränkungen aus zerbrochener Liebe!" Es gab auch Rückschläge: kaputte Eisprungmessgeräte, unregelmäßige Zyklen, Angst, dass eine künstliche Befruchtung notwendig wird, und Stress für Gerald, der als Arzt im Schichtdienst auch nicht immer abrufbereit war – und: im Frühjahr 2012 eine Fehlgeburt. "Endlich", sagt Astrid, den Arm auf Andreas Stuhllehne, "sind wir da, wo wir immer sein wollten!"

Die Probleme tun sich anderswo auf: "Ich bin niemand", sagt Astrid in die Freude über das Kind, vor dem Gesetz ist das richtig, mit einem offiziellen Vater wird die Stiefkindadoption auch im Herbst nicht möglich sein. Privat hingegen, scherzen sie, würden sie sich sowieso auf ein Modell halbe-halbe einigen – beim nächsten gemeinsamen Kind auch. Dann geht alles andersrum - und Astrid wird schwanger. Wie praktisch. (Mia Eidlhuber, Magazin "Family", DER STANDARD, 27./28.4.2013)