Berlin - Menschen mit Diabetes mellitus Typ II erkranken früher und häufiger an einer Demenz als Gleichaltrige ohne die Stoffwechselstörung – das haben mehrere Studien gezeigt. Im Vergleich zu Gesunden unterliegen sie einem bis zu vierfach erhöhten Risiko für eine gefäßbedingte Demenz. Das Risiko für eine Alzheimerdemenz ist anderthalb- bis zweimal so hoch.

Risiko für Unterzuckerung

Eine Ursache dafür ist der langfristig erhöhte Blutzuckerspiegel, der Blutgefäße schädigt - etwa in den Augen, in den Füßen und auch im Gehirn. Aber auch die häufigen Begleiterkrankungen eines Diabetes Typ II wie Bluthochdruck, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen oder Depression spielen eine Rolle.

Menschen, die gleichzeitig von Diabetes und einer Demenz betroffen sind, tragen ein hohes Risiko für schwere Unterzuckerungen. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie im Fachblatt "JAMA". Diese Hypoglykämien sind die häufigste akute Komplikation bei Diabetes. Patienten können sie normalerweise frühzeitig erkennen und selbst so behandeln, dass sie nicht riskant sind.

Problem: Falsche Medikamenteneinnahme

"Deutlich schwieriger ist die Situation für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung, die ihre Medikamente und ihre Ernährung nicht immer richtig aufeinander abstimmen können und die Anzeichen einer Hypoglykämie nicht mehr richtig deuten", sagt Diabetesexpertin Karin Lange von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie nehmen dann beispielsweise eine zu hohe Dosis Medikamente ein, überschätzen den Kohlenhydratgehalt einer Mahlzeit oder vergessen, nach dem Spritzen etwas zu essen. Schwere Hypoglykämien scheinen das bereits geschädigte Gehirn weiter zu beeinträchtigen und das Fortschreiten der Demenz zu beschleunigen.

"Bei der Behandlung von kognitiv beeinträchtigten Patienten sollten Ärzte deshalb einen Langzeit-Blutzuckerwert im mittleren Bereich anstreben, also einen HbA1c-Wert von etwa acht", empfiehlt Lange. Dies verringere die Gefahr, eine schwere Hypoglykämie zu erleben. Die Therapiekonzepte sollten zudem möglichst einfach sein, um die Betroffenen und ihre Betreuer nicht überfordern.

Vorsorgliches Demenzscreening

Die gefährliche Kombination von Demenz und Diabetes werde noch zu wenig beachtet, betonen die Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Sie sprechen sich deshalb für ein jährliches Demenzscreening bei Menschen mit langer Diabetesdauer aus, die älter als 65 Jahre sind und über spürbare Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung klagen. Die Fachgesellschaft hält es zudem für geboten, dass Ärzte und Pflegekräfte noch enger als bisher mit Betroffenen und Angehörigen zusammenarbeiten. (red, derStandard.at, 14.6.2013)